Der Wald verändert sich
26.09.2019 Bezirk Waldenburg, Hölstein, LandwirtschaftDas Trockenheitsexperiment liefert wertvolle Daten
Seit rund zwei Jahren untersuchen Wissenschaftler der Universität Basel die Entwicklung einer grösseren Waldfläche oberhalb von Hölstein. Von der Arbeit und speziell der Fahrt mit der Krangondel lassen sich auch Schüler ...
Das Trockenheitsexperiment liefert wertvolle Daten
Seit rund zwei Jahren untersuchen Wissenschaftler der Universität Basel die Entwicklung einer grösseren Waldfläche oberhalb von Hölstein. Von der Arbeit und speziell der Fahrt mit der Krangondel lassen sich auch Schüler begeistern.
Elmar Gächter
«Ich, ich», tönt es aus zwanzig Kinderkehlen. Alle möchten als Erste in die rote Gondel mit dem Aussehen einer Rakete aus Jule Vernes Zeiten steigen, die darauf wartet, in die Sphären der hohen Baumwipfel ringsum zu starten. Sicher hängt das Gefährt am Seil jenes Krans, der seit Frühjahr 2018 weitherum sichtbar wie ein Wahrzeichen über dem Wald Schoren oberhalb von Hölstein thront.
Kranführer André Kühne legt den ersten Kids aus der 2. Klasse der Primarschule Oberwil die Sicherheitsgurten an und führt sie zu jenen Baumkronen, die sonst nur den Waldforschern der Universität Basel vorbehalten sind.Während ihre Lehrerin aus Höhenangst vorerst am Boden bleibt, verbreiten die jungen Gondelinsassen ihre Begeisterung aus 50 Metern Höhe lautstark über dem Mischwald.
Der Besuch auf «Schoren» bildet für die Schulklasse einen praktischen Teil zum Thema Wald, das seit Beginn des neuen Schuljahrs ein fester Bestandteil ihres Stundenplans ist. Und dass sie dabei sehr gut aufgepasst haben, zeigt sich bei ihren Antworten auf die Fragen, die ihnen Ansgar Kahmen auf dem Rundgang durch das Versuchsgelände stellt. Der Professor für Physiologische Pflanzenökologie an der Universität Basel leitet das auf die Dauer von 20 Jahren angelegte Trockenheitsexperiment. «Dem Wald in Mitteleuropa geht es nicht gut», erklärt er seinen interessierten jungen Gästen und sagt ihnen auch warum.
Jeder Standort verhält sich anders
Zwar habe der Wald das Jahr 2019 recht gut überstanden, aber man dürfe die Situation nicht losgelöst von 2018 betrachten, sagt Kahmen auch gegenüber der «Volksstimme». Laut den Klimadaten war die Durchschnittstemperatur während der Vegetationsperiode 2018 über ganz Mitteleuropa gesehen um 3,3 Grad höher war als normal, sogar 1,2 Grad wärmer als 2003. Dazu komme das erhebliche Niederschlagsdefizit, das die Bäume massiv geschwächt habe.
Betroffen seien neben den Fichten auch Buchen, Kiefern, Tannen und teilweise selbst Eichen. Die Auswirkungen zeigen sich auch im 1,6 Hektaren grossen Projektgebiet. So mussten heuer vor allem wegen des Borkenkäferbefalls gegen 20 Fichten gefällt werden. Bei den Buchen habe sich die Situation dieses Jahr zwar nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert. «Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich die durch den Hitzesommer 2018 verursachten Schäden 2019 nicht regenerieren konnten.
Zwar stirbt bei der Buche nicht wie bei der Fichte sofort der ganze Baum ab, die Schäden in den oberen Baumkronen und vor allem in den Zweigen sind jedoch erheblich. Es bleibt unklar, ob die Bäume diese Schädigung mittelfristig verkraften können», so Kahmen. Wissenschaftlich sei noch nicht geklärt, wieso die Erholung so lange dauert.
Generell sei man überrascht, wie schnell der Klimawandel fortschreite. «Der Wald verschwindet dabei nicht, aber er wird sich verändern, dies ist klar», äussert Biologe Kahmen überzeugt. Allerdings sei es extrem schwer, das zu dokumentieren. Denn von der Projektfläche auf «Schoren» könne nicht auf ganz Mitteleuropa geschlossen werden, jeder Standort verhalte sich anders. Man verfüge europaweit über keine statistisch belegten Zahlen, Bäume welcher Altersstufen oder welche Arten besonders vom Hitzesommer vergangenen Jahres betroffen seien. Da stehe die Wissenschaft vor einer grossen Aufgabe, bestehende Monotoringprogramme entsprechend anzupassen.
Besuchstag im Frühling
Umso wichtiger seien Projekte wie das Waldexperiment in Hölstein, das weltweit nach wie vor einmalig sei. «Für uns Wissenschaftler war 2018 ein eigentliches Geschenk, konnten wir doch als einziger Standort in ganz Europa wirklich hochauflösend die Auswirkungen der Hitze und Dürre im Kronenraum der Bäume bildlich dokumentieren», hält Kahmen fest.
Eine der vorgesehenen grossen Investitionen im Projekt fehlt noch: Das Dach, das mit steuerbaren Lamellen zum automatischen Öffnen und Schliessen den Niederschlag auf der Hälfte der Versuchsfläche reduzieren soll. «Wir hoffen, die Leichtmetallkonstruktion bis Ende 2020 installieren zu können», sagt Kahmen und nennt dabei Kosten von rund 1 Million Franken. Damit auch die Bevölkerung die Möglichkeit hat, vor Ort Näheres zum Projekt zu erfahren und mit der Gondel über und in den Baumkronen zu schweben, werde es voraussichtlich im nächsten Frühling einen grösseren öffentlichen Anlass geben.