MEINE WELT
13.08.2019 GesellschaftVier Chinesen und ein Morgentau
Sicher erinnern Sie sich an meine etwas abstrusen Ausführungen zur chinesischen Zahlenmystik. Und deshalb wissen Sie auch, dass die Zahl Vier Unglück verheisst, die Überschrift somit unglücklich gewählt ist und es gar ...
Vier Chinesen und ein Morgentau
Sicher erinnern Sie sich an meine etwas abstrusen Ausführungen zur chinesischen Zahlenmystik. Und deshalb wissen Sie auch, dass die Zahl Vier Unglück verheisst, die Überschrift somit unglücklich gewählt ist und es gar keine vier Chinesen geben kann.
Nehmen wir mal an, Ihre Brieffreundin aus Schanghai, Frau Wang, hat ihren Besuch angekündigt. Erschrecken Sie nicht, wenn Ihnen die Dame nicht «Guten Tag» sagt, auch nicht in chinesischer Sprache. Aber vielleicht wird Frau Wang fragen, ob Sie schon gegessen haben. Dies ist mitnichten eine Einladung zur Nudelsuppe, sondern die chinesische Form einer Begrüssung.
Damit Sie ihren Gast nach Schweizer Art begrüssen können, basteln wir uns jetzt noch die politisch korrekte Fahne. Nehmen Sie eine alte Schweizer Fahne und malen Sie das weisse Kreuz rot aus. Kaufen Sie sich jetzt eine Fahne von Tuvalu und schneiden Sie die fünf gelben, fünfzackigen Sterne aus. Diese kleben Sie in die obere, dem Mast zugewandte Ecke. Und schon flattert die Fahne von Zhonghua
Renmin Gongheguo lustig im Wind.
Bevor ich hier mein Lieblingsnudelsuppenrezept verrate, müssen wir noch ein Problem lösen: Wie sprechen wir einen chinesischen Gast an? Chinesische Namen bestehen grösstenteils aus einsilbigen Familiennamen, gefolgt von einem ein- oder zweisilbigen Vornamen. Die Anrede erfolgt entweder mit dem vollen Namen oder mit dem Familiennamen und dem Titel.
Wenn sich Ihre Brieffreundin als Wang Chen-Lu vorstellt, dann würden wir sie mit einem herzhaften «Grüezi, Frau Chen-Lu» begrüssen. Völlig falsch! Das wäre, als würden Sie Martha Moser mit «Grüezi, Frau Martha» ansprechen. Richtig ist: Grüezi, Frau Wang Chen-Lu – Grüezi, Frau Moser Martha.
Wenn immer möglich werden Titel wie Doktor, Lehrer oder General beigefügt. In unserem Beispiel würde dies so tönen: Grüezi, Frau Lehrerin Wang – Grüezi, Frau Lehrerin Moser. Sollten Sie sich jedoch mit Frau Wang Chen-Lu anlässlich eines kleinen Umtrunks verbrüdern – oder verschwestern – dürfen Sie ihr auch ein lockeres Lao – alt, oder Xiao – jung, zurufen und den Titel weglassen. «Du alte Moserin», wäre somit «Lao Wan».
Vergessen Sie übrigens die Mär, dass Chinesen den Buchstaben R nicht aussprechen können. Nur gerade in dem im Süden Chinas gesprochenen Kantonesisch kennt man keinen R-Laut. Sätze wie «Wollen Losen kaufen?» oder «Liebel Balolo odel Balbalesco?» blauchen Sie deshalb nicht zu lernen. Auch ihre Stimme sollten Sie mässigen: Lautes Schreien ist zu unterlassen. Denn wegen eines solchen Fehlers können Sie schlagartig Ihr Gesicht verlieren. Und wie wollen Sie dieses je wiederfinden, so ganz ohne Kenntnisse einer chinesischen Sprache?
Zum Abschluss noch mein Lieblingsnudelsuppenrezept: Beim Chinesen um die Ecke Instant-Nudelsuppe kaufen, heisses Wasser dazu geben, drei Minuten ziehen lassen. Wundelbal!
P.S. Chen-Lu bedeutet Morgentau.
Der Autor, Kolumnist Hanspeter Gsell, lebt seit mehr als 30 Jahren in Sissach.