Feuer und Flamme für die Revolution
30.08.2019 Bezirk Waldenburg, WaldenburgSerie Baselland – Burgenland, Teil 8 | Drei Oberbaselbieter Burgen sind für die Helvetische Republik in Brand gesteck
Anfang des Jahres 1798 brannte das Schloss Waldenburg. Ein historisches Ereignis, das einen Wendepunkt in der Geschichte der Region darstellt. Die ...
Serie Baselland – Burgenland, Teil 8 | Drei Oberbaselbieter Burgen sind für die Helvetische Republik in Brand gesteck
Anfang des Jahres 1798 brannte das Schloss Waldenburg. Ein historisches Ereignis, das einen Wendepunkt in der Geschichte der Region darstellt. Die Brände – nach der Waldenburg folgten die Farnsburg und die Homburg – waren ein Zeichen für die Abschaffung der geltenden Machtverhältnisse.
Michèle Degen
Am Abend des 17. Januars 1798 brennt das Schloss Waldenburg, östlich des Städtchens auf dem Felsgrat Gerstel-Rehag, lichterloh. Der damalige Schlossschreiber berichtet in einem Brief an die Basler Behörden: «Aber nun (es ist 2 Uhr nach Mitternacht) geben die Flammen ein so fürchterlich schönes Spektakel, dass meine Feder solches zu beschreiben keine Worte findet.» Die Flammen wüteten so heftig, beschreibt er, dass man bei Nacht unten im Dorf ohne andere Lichtquelle habe lesen können.
Der Brand setzte ein Zeichen dafür, dass die alten Machtstrukturen aufgehoben waren. Wenige Tage später überkam die Farnsburg und die Homburg dasselbe Schicksal. Was aber war passiert, dass die drei altehrwürdigen Schlösser vor mehr als 200 Jahren in Flammen aufgingen?
1798 war die Revolution in Frankreich in den letzten Zügen. «Liberté, Égalité, Fraternité» – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hiess es beim westlichen Nachbarn. Aus der Monarchie war die erste französische Republik geworden. König Louis XVI. war 1793 geköpft worden und ging als der letzte französische König des Ancien Régime in die Geschichte ein. Napoleon Bonaparte befand sich auf seinem politischen Aufstieg und genoss bereits grosse Popularität bei der Bevölkerung.
Die «Revolution von oben»
Das revolutionäre Gedankengut der Franzosen schwappte auch in die Schweiz. Einer der ersten Orte, die es erreichte, war das nahe Basel. Die Schweiz, damals die «alte Eidgenossenschaft», bestand aus 13 Kantonen sowie den zugewandten Orten. Das heutige Baselbiet gehörte zur Stadt Basel. Eine kleine Gruppe wohlhabender Bürger hatte seit Jahrhunderten die politische Macht inne. Sie setzten Landvögte in die verschiedenen Bezirke der Landschaft ein, die in den Burgen und Schlössern oben auf den Hügeln des Baselbieter Juras, wie der Waldenburg und der Farnsburg, residierten und von hier Steuern und Abgaben eintrieben und für Recht sorgten.
Eine Minderheit dieser Gruppe war jedoch dem modernen Gedanken der Französischen Revolution zugetan. Sie wollten aus der Stadt und Landschaft Basel ebenfalls eine Republik machen. Die Revolution sollte von oben, also von den bisherigen Machtinhabern, gesteuert und kontrolliert werden. Diese revolutionsfreundliche Gruppe tat sich mit einer Oberschicht der Landbevölkerung zusammen.
Anfang Januar 1798 reisten beinahe täglich Delegationen von Basel in die Dörfer aufs Land, beschreibt der ehemalige Baselbieter Staatsarchivar Matthias Manz in seinem Buch «Die Basler Landschaft in der Helvetik». So konnte sich die Revolutionsbewegung organisieren. Weil die französische Regierung das angrenzende Basel gerne als Republik gesehen hätte, setzte es einigen Druck auf. Innerhalb weniger Tage kippte die Stimmung im Basler Grossen Rat deshalb und die Revolutionsbefürworter fanden sich in der Mehrzahl.
Die Einsicht, dass man sich auf dem Weg befand, neue Rechte zu erlangen, verbreitete sich unter der Landbevölkerung. Jedoch verstanden Teile von ihr unter neuem Recht eher die Zurückgewinnung alter Rechte, die sie einst besessen und unter der Obrigkeit verloren hatten. Und es ging ihnen grundsätzlich um die Erlangung ihrer Freiheit. Dem wollte man auf die Sprünge helfen.
Am 13. Januar marschierte deshalb eine Gruppe von Leuten aus der Landbevölkerung auf die Waldenburg und verlangte unter Drohungen nach Dokumenten aus dem Archiv, die der Landbevölkerung diese alten Rechte bescheinigten. Ganz ähnliche Szenen spielten sich auf anderen Burgen ab. Die wütenden Landleute in Waldenburg zogen mit einigen Dokumenten wieder ab, doch dem Landvogt reichte es: Er stellte in Basel ein Gesuch, das Schloss verlassen zu dürfen. Dieses wurde jedoch abgelehnt. Schon am nächsten Tag stand wieder eine Meute vor seiner Tür, darunter sollen einige Reigoldswiler gewesen sein, und verlangten Strafgelder zurück. Der Landvogt ergriff die Flucht – ohne die Zustimmung aus Basel.
Zwei Tage später, am 16. Januar, beschloss der Grosse Rat, eine Dreissiger-Kommission einzusetzen, die sowohl aus Bürgern der Stadt wie auch des Landes bestand. Mit Frankreich vor den Toren scheint rückblickend klar, dass die politische Richtungsänderung beschlossene Sache war. Doch für die Bevölkerung damals war das alles andere als offensichtlich. Die beiden östlichen Nachbarn Bern und Solothurn hielten an der alten Eidgenossenschaft fest. Gerüchte machten die Runde, dass die beiden Kantone Truppen nach Basel geschickt hätten, um die Umwälzungen zu stoppen. Die Landbevölkerung sah die erhoffte Revolution in Gefahr.
Zudem verlief die Kommunikation in dieser Zeit deutlich langsamer, als man es heute gewohnt ist. Nachrichten verbreiteten sich nicht so schnell wie heute. Wie lange es ging, bis sich auf dem Land verbreitet hatte, was in der Stadt beschlossen worden war, ist schwer nachzuvollziehen.
Eine gewisse Unruhe muss schon in der Luft gelegen haben. Denn der Schlossschreiber liess das Schloss räumen, bevor es am Abend des 17. Januars in Flammen aufging.
Reigoldswiler oder Revolutionsführer?
Wer das Schloss anzündete, kann nicht zweifelsfrei eruiert werden. Manz beschreibt zwei Varianten: Gemäss der ersten These, die, so Manz, die plausiblere sei, haben junge, unverheiratete Männer aus Reigoldswil den Brand gelegt. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, dass sich ein Grossteil der Waldenburger obrigkeitstreu und aus Sicht der Brandschatzer unfair verhalten hatte. Gestützt wird dies durch einen Zeitzeugenbericht.
Die zweite These beschreibt die Vorgänge so, dass die städtischen Revolutionsführer selbst die Brände angestiftet hätten, um altgesinnte Städter einzuschüchtern. Dies scheint Manz jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Denn dieses Vorgehen wäre der Idee der «Revolution von oben» entgegengesetzt gewesen. Zudem waren die Basler Revolutionsführer während der ganzen Zeit darauf bedacht, zurückhaltend vorzugehen, um eben keine Aufstände zu provozieren. Weil das Schloss jedoch noch geräumt werden konnte, kann diese Möglichkeit trotzdem nicht ganz ausgeschlossen werden. Zumindest wussten die Basler Revolutionsführer über das Vorhaben Bescheid: Wie ein von Manz zitierter Bericht belegt, haben sie selbst den Befehl gegeben, das Schloss zu räumen. Zudem belegt ein Protokoll des Basler Rats, dass man die Zerstörung der Vogteischlösser gewissermassen als Blitzableiter für die erzürnte Bevölkerung einkalkuliert hatte. Hätte der Volkszorn auf weitere Basler Besitzungen, etwa die zahlreichen Landgüter, übergegriffen, wäre man bereit gewesen, obrigkeitlich einzuschreiten.
Am 30. Januar beschliesst die Dreissiger-Kommission, eine Nationalversammlung einzusetzen, die aus Stadt- und Landbewohnern besteht, wenige Tage später wird sie gewählt.
Das Schloss Waldenburg wurde nach dem Brand nie mehr bewohnt. Was noch verwendet werden konnte, wurde verkauft. Noch heute soll es verschiedene Überbleibsel des Schlosses im Baselbiet verteilt geben, wie Paul Suter in Nr. 4 der «Baselbieter Heimatblätter» 1981 schreibt. Teilweise auch in privatem Besitz: Zum Beispiel soll sich eine Bauinschrift beim Brunnen im mittleren Hof in Bennwil befinden, eine Barocktüre in Reigoldswil und eine Fruchttrennle auf einem Hof in Arboldswil.
Der Bergfried der Waldenburg wurde zwischenzeitlich vom Landkanton als Pulvermagazin verwendet. Nach dem Ende dieser Zwischennutzung zerfielen die Gebäude. 1890 stürzte der obere Teil des Hauptturms ein. Mitte der 1920er-Jahre wurde eine Kommission zur Erhaltung der Ruine gebildet. Unter der Leitung des Schweizerischen Burgenvereins wurde die Ruine in den Jahren 1929 bis 1931 saniert. Dabei wurde auch der eingestürzte Bergfried wieder aufgebaut.
Noch heute findet man auf der Ruine der Burg Hinweise auf den Brand. An der Südseite des Bergfrieds im unteren Drittel der Mauer sind einige Steine rot verfärbt und teilweise aufgeplatzt. «Durch die Hitze des Feuers verfärbte sich der Kalkstein rot», sagt Christoph Reding, stellvertretender Kantonsarchäologe. Eine archäologische Aufarbeitung hat die Ruine in der jüngeren Zeit nicht erhalten. Im Falle einer künftigen Sanierung stehe das aber fest auf der Agenda der Archäologie Baselland, sagt Reding. Eine Burg mit dieser Bedeutung habe das allemal verdient.
Ein ruhiger Vorreiter
md. Obwohl Basel – zusammen mit der Waadt – der erste Kanton der alten Eidgenossenschaft war, der die alten Machtverhältnisse über den Haufen warf, verlief die Revolution sehr ruhig. Es gab weder Kämpfe noch Tote. Auch bei den Bränden der Schlösser Waldenburg, Farnsburg und Homburg, die als einzige Gewaltakte dieser Tage angesehen werden können, kam niemand um. Auf den ersten beiden Schlössern konnten gar das Inventar sowie die Archive gerettet werden. Nur jenes von der Homburg fiel den Flammen zum Opfer. Der Homburger Landvogt sagte denn auch aus, er sei vom Brand gänzlich überrascht worden. Dass nur wenige Tage zuvor sowohl die Waldenburg als auch die Farnsburg gebrannt hatten, verleiteten ihn offenbar nicht zur Annahme, dass auch seine Burg bald Opfer der Flammen werden könnte.
Ähnlich ereignisarm lief die Revolution denn auch nur im Kanton Waadt ab. Im Rest der alten Eidgenossenschaft kam es zu grossem Widerstand und teilweise erbitterten und blutigen Kämpfen.
Was mit den anderen Schlössern geschah
md. Das Ende der alten Eidgenossenschaft bedeutete auch das Ende vieler weiterer Schlösser im Baselbiet. Nur wenige Tage nach der Waldenburg brannten die Schlösser Farnsburg und Homburg. Das Schloss Birseck brannte ebenfalls, jedoch bereits einige Jahre davor, Anfang der 1790er-Jahre. Das Schloss Münchenstein wurde trotz seiner Nähe zur Stadt nicht abgebrannt, sondern abgebrochen und seine Einzelteile verkauft.
Der Weg zur Burg
md. Die Ruine Waldenburg ist von zwei Seiten erreichbar. Von Norden her biegt man beim Bahnhof in die Burgmattstrasse ein und folgt dieser bis zum Sennhaus. Dort folgt man der Beschilderung über eine Kuhweide bis zur Ruine. Von Süden her biegt man von Waldenburg her in Richtung Langenbruck kommend im grossen Rechtsrank in den Gerstelweg ein. Schilder weisen den Wanderweg zur Ruine.