Das Grossprojekt auf der Passhöhe
11.07.2019 RegionHauenstein-Ifenthal | Geplant ist ein Rundbau mit Hotel – «Bolero» wird abgerissen
Das einstige «Motel Nord-Süd» auf der Hauenstein-Passhöhe ist eine Ruine. Jetzt gibt es für diesen Ort neue Pläne: Es soll ein vierstöckiges ...
Hauenstein-Ifenthal | Geplant ist ein Rundbau mit Hotel – «Bolero» wird abgerissen
Das einstige «Motel Nord-Süd» auf der Hauenstein-Passhöhe ist eine Ruine. Jetzt gibt es für diesen Ort neue Pläne: Es soll ein vierstöckiges Rundgebäude für verschiedene Nutzungen entstehen. Unter anderem ist ein Hotel mit knapp 90 Zimmern und einem Spa geplant.
David Thommen
Hauenstein-Ifenthal ist ein beschauliches Dorf, unweit der Passhöhe des Unteren Hauensteins zwischen Läufelfingen und Trimbach gelegen. 350 Einwohner hat die Solothurner Gemeinde, eine schöne Aussicht ins Mittelland bis zu den Alpen, Weiden, dazu eine grössere Anlage für Golfer – alles sehr hübsch. Doch es gibt an der Grenze zum Baselbiet auch einen «Schandfleck», wie es Gemeindepräsident Stefan Berchtold ausdrückt: das ehemalige Motel auf der Passhöhe.
Gebaut worden ist der Gebäudekomplex einst samt Tankstelle in den 1950er-Jahren, als der Nord-Süd-Verkehr durch das Homburgertal über den historisch bedeutsamen Pass immer mehr anschwoll. Im «Motel Nord-Süd» hat es damals gebrummt. Mit der Eröffnung des Autobahntunnels durch den Bölchen vor bald 50 Jahren und dem Versiegen des Transit-Verkehrsstroms begann dann aber das lange Serbeln; das Anwesen stürzte mehrfach neue Besitzer ins Unglück, die stets ein Standbein auch in der Unterhaltung gesucht hatten («Soly-Bar-Dancing», «Dancing Starlight»). Ein ganz grosser Plan scheiterte 1994, als dieser Standort für eines der wenigen grossen Spielcasinos in der Schweiz ausschied. Im Herbst 2012 wurde der Schlüssel dann letztmals gedreht. Aus dem Motel war zuletzt ein Sexclub («Bolero») geworden, der an diesem entlegenen Ort ebenfalls nicht mehr existieren konnte.
Die neuen Pläne
Mittlerweile ist der heruntergekommene Gebäudekomplex so gut wie zugewachsen, als wolle die Natur die unansehnlichen Bauten samt ihrer jüngeren Geschichte schamvoll verbergen. Fotografieren lässt sich das einstige Motel heute vor lauter hohen Stäuchern und Bäumen kaum noch. Wer sich durch ein Wäldchen nähert, sieht vergammelte Lichterketten, zersplittertes Glas, versprayte Mauern und draussen herumliegende, zerstörte Röhrenfernseher, die von Ahorn und Storchenschnabel umrankt werden. Hier kann nur noch eines helfen: die ganz grosse Abrissbirne.
Tatsächlich gibt es Pläne. Benjamin Witztum, ein Zürcher Banker, hat als Privatmann das Anwesen gekauft. In Hauenstein-Ifenthal war man ursprünglich davon ausgegangen, dass dort an bester Aussichtslage womöglich bald einige Villen gebaut werden. Doch vor einigen Wochen wurde den Einwohnern an einer Orientierungsversammlung des neuen Eigentümers ein ganz anderes Vorhaben präsentiert: Es ist ein vierstöckiger Rundbau geplant, der mehrere Nutzungen haben soll. Vor allem wird es ein Zentrum für Firmen oder Organisationen geben, die dort Aus- und Weiterbildung, Seminare oder Ähnliches anbieten können.
Schlicht «Thinktank» (Denkfabrik) oder «Campus» nennt es Jürg Grossenbacher von der Aargauer Frei & Partner Immobilien Beratung GmbH, der für den Eigentümer als Projektentwickler tätig ist. Welche Unternehmen oder Organisationen wie Verbände als Nutzer infrage kommen, lässt Grossenbacher im Moment noch offen. Vorstellbar seien beispielsweise IT- oder Pharmakonzerne, die sich in diese wunderbare Landschaft («ein Ort für Inspiration») zurückziehen wollten, um neue Ideen zu entwickeln, den Teamgeist zu stärken oder sogar um zu forschen. Selbst höhere Schulen seien als Mieter vorstellbar.
Ein grosser Ankernutzer wäre die Wunschvorstellung, dazu zahlreiche weitere Mieter für gelegentliche Anlässe.
Die Lage auf dem Hauenstein zwischen Basel, Zürich, Bern und Luzern hält Grossenbacher für optimal. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter internationaler Firmen seien es gewohnt, für Schulungen oder Retraiten einen gewissen Weg unter die Räder zu nehmen, um sich abseits des Rummels der Städte auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
Entworfen hat dieses Projekt die renommierte Zürcher Planungsfirma Fischer Architekten. Zu den «Thinktank»-Räumlichkeiten soll ein Hotelbetrieb gehören, der allen offenstehen soll. Die Rede ist derzeit von 88 Zimmern, was im Raum Oberbaselbiet/ Olten vergleichsweise gross ist. Auf dem Unteren Hauenstein würden damit mehr Zimmer als beispielsweise im nicht allzu weit entfernten Hotel Bad Ramsach auf Häfelfinger Boden angeboten.
Öffentliche Bereiche
Vor allem an den Wochenenden, wenn kein Campus-Betrieb herrscht, soll das Angebot auf Wanderer, Erholungssuchende oder auch auf Golfspieler zugeschnitten werden, sagt Grossenbacher. Gleich in unmittelbarer Nachbarschaft auf der Passhöhe gibt es ein gepflegtes Golfareal mit einer grosszügigen 9-Loch-Anlage. Öffentlich zugänglich soll auch das geplante Restaurant im Rundbau sein; zudem ist ein Spa – also Bad und Wellnessbereich – vorgesehen. Angesprochen werden sollen damit die Bewohnerinnen und Bewohner des Grossraums Olten und des Baselbiets – und natürlich der Solothurner Standortgemeinde Hauenstein-Ifenthal. Gemeindepräsident Berchtold zeigt sich froh über die Belebung, die da kommen soll: Er habe die Hoffnung, dass ein Ort entstehe, an dem sich die Einwohner treffen könnten, da die Restaurant-Situation in seinem Dorf zumindest unter der Woche nicht gerade gut sei.
Zugleich sei er etwas erleichtert darüber, dass nicht, wie ursprünglich angenommen, einfach ein neues Wohnquartier beim Passübergang entstehe, so Berchtold weiter. Das kleine Hauenstein-Ifenthal habe bereits heute zwei Ortskerne. Mit einem dritten würde das Dorfleben noch ein Stück komplizierter.
Umzonung ist notwendig
Die Pläne für den Rundbau seien im Dorf gut aufgenommen worden, sagt der Gemeindepräsident. Für den Neubau ist eine Umzonung – von der Wohn- in die Gewerbezone – und damit die Zustimmung von Kanton und natürlich der Gemeindeversammlung nötig. Auch wenn man nun im Dorf das Verfahren beschleunigt vorantreibe und mit Hochdruck am neuen räumlichen Leitbild für die weitere Entwicklung der ganzen Gemeinde arbeite, werde das seine Zeit in Anspruch nehmen: «Spatenstich könnte meiner Meinung nach im Jahr 2022 sein», so Berchtold. Natürlich gebe es im Dorf viele Fragen zum neuen Projekt, grundsätzlicher Widerstand zeichne sich aber nicht ab. Gemeinhin lägen Einsprachen zum Beispiel von Naturschutzorganisationen im Bereich des Möglichen. Diesen könne man jedoch gelassen entgegenblicken, sagen Berchtold und Grossenbacher übereinstimmend. Das Areal liege zwar nahe der Juraschutzzone, aber nicht darin.
Während Hauenstein-Ifenthal die Zonenfragen bereinigt, läuft beim Besitzer parallel dazu die Suche nach Investoren für den Hauenstein-Monolithen. Voraussichtlich gut 50 Millionen Franken sollen laut heutiger Planung investiert werden.
Wurde auch geprüft, das alte Motel zu renovieren und auszubauen? Projektentwickler Grossenbacher winkt ab: «Die alten Gebäude haben absolut kein Potenzial.» Untersuchungen werden zeigen müssen, inwieweit es sich sogar um einen sanierungsbedürftigen Altlastenstandort handelt. Gespannt ist Grossenbacher darauf, was im Boden nahe der Hauensteinstrasse zum Vorschein kommen wird – dort, wo einst die Tankstelle stand und im Laufe der Jahrzehnte immer wieder einmal Benzin versickert sein dürfte. Zuerst müssen die Spuren der Vergangenheit getilgt werden, bevor an diesem historischen Ort Neues entstehen kann.