«Im Mittelpunkt stehen die Tiere»
30.07.2019 Baselbiet, Landwirtschaft, SissachJagdverwalter Holger Stockhaus zum revidierten Jagdgesetz
Der Regierungsrat hat das revidierte Wildtier- und Jagdgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Die «Volksstimme» hat den Hauptprotagonisten der neuen gesetzlichen Grundlage, Jagdverwalter Holger Stockhaus, dazu ...
Jagdverwalter Holger Stockhaus zum revidierten Jagdgesetz
Der Regierungsrat hat das revidierte Wildtier- und Jagdgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Die «Volksstimme» hat den Hauptprotagonisten der neuen gesetzlichen Grundlage, Jagdverwalter Holger Stockhaus, dazu befragt.
Elmar Gächter
Herr Stockhaus, weshalb muss das heutige Jagdgesetz revidiert werden?
Holger Stockhaus: 2014 wurde eine Gesetzesrevision in die Vernehmlassung geschickt, allerdings mit einem unbefriedigenden Ergebnis. Der Widerstand richtete sich vor allem gegen die Absicht, das Jagdregal sowie die Regaleinnahmen aus der Verpachtung von den Gemeinden an den Kanton zu verschieben. Die Auswertung der Vernehmlassung zeigte allerdings, dass vonseiten verschiedener Interessensgruppen Änderungsbedarf besteht. Dies wollten wir aufgreifen, denn eine Revision ist auch stets eine Chance, neue Anforderungen anzugehen. Um einen möglichst breiten Konsens zu finden, haben wir mit Vertretern aller Interessensgruppen, von den Freizeitnutzern über die Jäger bis zum Naturschutz, eine Auslegeordnung vorgenommen, das im Leitbild Wild beider Basel mündete.
Welches sind die wesentlichsten Änderungen?
Wie aus dem neuen Gesetzestitel «Wildtier- und Jagdgesetz» bereits hervorgeht, wollen wir die Wildtiere in den Vordergrund stellen. Es gibt im heutigen Gesetz zwar bereits Regelungen zum Wildtierschutz, aber der Fokus liegt doch primär auf der Jagd. Diese wird auch weiterhin wesentliches Element im Bereich des Wildtiermanagements sein, aber im Mittelpunkt stehen der Schutz und die Förderung der Wildtiere. Dies geht ganz klar aus dem Leitbildprozess hervor. Während die Nutzung vor allem die Jäger interessiert, die Regulierung von Wildschwein und Reh die Land- und Forstwirtschaft, betreffen Lebensraum und Wildtiere alle Bevölkerungsteile.
Was bedeutet das konkret?
Neu wollen wir unsere wesentlichen Wildtierarten, die einen Förderbedarf oder eine jagdliche Nutzung haben, nicht mehr ausschliesslich nach Reviergrenzen beurteilen, sondern nach Wildräumen. Wir schauen, welchen Wildraum eine bestimmte Population für ihr Bestehen braucht und beurteilen, wer für diesen Wildraum zuständig ist sowie die nötigen Massnahmen umsetzt. Dies ist ein Paradigmawechsel. Beim Wildschwein ist es ja heute schon so, dass die Jagdziele nur über die Reviergrenzen hinaus erreicht werden können. Auch wird uns in den nächsten Jahren das Rotwild zunehmend beschäftigen. Da geht es nur mit einer noch engeren Kooperation aller Akteure.
Sie hatten viele Protagonisten am Tisch. Wie schwierig war es, alle Wünsche unter einen Hut zu bringen?
Dieser Prozess ist erstaunlich gut verlaufen. Klar wird es mit dem Detail, sprich im geschriebenen Gesetzesentwurf, komplexer. Es war jedoch schon allein wertvoll, die unterschiedlichen Interessen miteinander einmal im Originalton gehört zu haben. Ich bin überzeugt, dass sich daraus ein gemeinsames Verständnis entwickelt hat.
Gab es dabei auch Stimmen, welche die Jagd grundsätzlich ablehnen?
Nein, die Jagd wurde generell nie in Frage gestellt, weder von Freizeitnutzern des Waldes, noch von Hundehaltern oder Naturschützern. Dies finde ich sehr wichtig. Sicher gibt es Teile der Bevölkerung, welche die Jagd ablehnen. Ich erlebe es jedoch immer wieder, dass die Ablehnung weicht, wenn die Leute mehr über die Jagd und deren Hintergründe erfahren.
Der Umgang mit Wildtieren soll sich nach «wildbiologischen und wildökologischen» Kriterien orientieren. Was heisst das?
Es ist heute schon weitgehend gelebte Praxis, dass sich die Jagd nicht an Trophäen orientiert, sondern an den Bedürfnissen der Wildtiere. Dabei geht es um die naturnahe Populationsstruktur in einem bestimmten Lebensraum. Das heisst, nicht nur Trophäenträger zu schiessen, sondern auch das weibliche Wild und beispielsweise beim Schwarzwild einen möglichst hohen Anteil aus der Jugendklasse zu bejagen.
Stichwort Treibjagd. Sie findet in der Bevölkerung nicht überall Anklang. Gibt es sie künftig noch?
Die Bewegungsjagd bleibt ein wichtiger Bestandteil der Jagd. In diesem Punkt konnten wir den Forderungen des Tierschutzes, sie einzuschränken oder gar aus dem Gesetz zu entfernen, nicht nachkommen. Sie ist im Übrigen heute schon auf einen Jagdtag pro 100 Hektar Waldfläche beschränkt, zudem verzichten verschiedene Jagdgesellschaften freiwillig auf Bewegungsjagden in Siedlungsnähe.
In den vergangenen Jahren gab es da und dort Spannungen und Unruhen bei den Verpachtungen. Wie will man diese künftig verhindern?
Heute bekommt die bisherige Jagdgesellschaft oder jene mit den meisten ortsansässigen Jägern den Zuschlag. Es braucht eine gewisse örtliche Nähe und Revierkenntnisse, aber allein im Ort zu wohnen ist kein Qualitätskriterium und wird den Vergaberichtlinien nicht gerecht. Künftig sollen klare Kriterien festgelegt werden, was für die Jagd wichtig ist, damit sie optimal funktioniert. Die Jagdgesellschaft muss eine wildökologisch fachgerechte Jagd betreiben und eine tierschutzgerechte Nachsuche sicherstellen können. Und nicht zuletzt sollen die jagdberechtigten Mitglieder einen räumlichen Bezug zu ihrem Revier aufweisen. Wichtig ist zudem die Pflicht, dass sich Gemeinde, Jagdgesellschaft, Forst und Landwirtschaft einmal im Jahr gesprächsweise gegenseitig austauschen.
Das Pachtregal bleibt bei den Gemeinden. Was bedeutet dies finanziell?
Tatsache ist, dass der finanzielle Anteil der Gemeinden am Gesamtaufwand des Jagdbereiches wesentlich geringer ist als jener des Kantons. Die Verfassung sieht jedoch die finanzielle Äquivalenz vor. Das heisst, dort, wo die Aufgaben gemacht werden, müssen auch die Mittel und Ressourcen sein. Und dies ist zum grossen Teil der Kanton. Deshalb sollen die Gemeinden künftig 100 Prozent des Schätzwertes eines Reviers an den Kanton abliefern und nicht mehr 20 Prozent des Pachtzinses. Die Gemeinden ihrerseits haben dafür den Spielraum, den Pachtzins zwischen Null und 130 Prozent des Schätzwerts festzulegen. Weiterhin trägt der Kanton den grössten Anteil der Kosten.
Was freut Sie als kantonaler Jagd- und Fischereiverwalter und eine der wichtigsten Personen bei der Erarbeitung der Vorlage am meisten an der Gesetzesrevision?
Eine hundertprozentige Zufriedenheit können wir nicht erwarten, auch für uns als Kanton nicht. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir in der Summe alle Interessensgruppen berücksichtigen konnten und ein gutes und umfassendes revidiertes Regelwerk haben. Es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung, um den Lebensraum der Wildtiere noch besser fördern zu können, als es bisher der Fall war. Baselland und Basel-Stadt bleiben die einzigen Kantone, in denen das Jagdregal an die Gemeinden ausgelagert ist. Dies macht es vom Organisatorischen her zwar nicht einfacher, aber es bietet auch viele Vorteile, wenn die Jagd lokal verankert ist.
Zur Person
emg. Der 45-jährige studierte Forstingenieur Holger Stockhaus wohnt mit seiner Frau und seinen drei Söhnen im Badischen Laufenburg. Seit sieben Jahren arbeitet er beim Amt für Wald beider Basel und ist seit 2016 Jagd- und Fischereiverwalter. In seiner Freizeit geht er mit einer Jagdgesellschaft im Schwarzwald auf die Pirsch, treibt Sport und trainiert an seinem Wohnort eine Jugend-Fussballmannschaft.