In Wenslingen wird wie wild gesegelt
18.06.2019 Bezirk Sissach, WenslingenSeit rund zehn Jahren beherbergt ein Wenslinger Vogelliebhaber jährlich gegen 30 Mauerseglerpaare in den extra für sie gezimmerten Nistkästen. Philipp Schmutz ist von den Flugakrobaten so angetan, dass er bei der Renovation seiner Scheune ein Segler-Hotel eingerichtet hat.
Heiner ...
Seit rund zehn Jahren beherbergt ein Wenslinger Vogelliebhaber jährlich gegen 30 Mauerseglerpaare in den extra für sie gezimmerten Nistkästen. Philipp Schmutz ist von den Flugakrobaten so angetan, dass er bei der Renovation seiner Scheune ein Segler-Hotel eingerichtet hat.
Heiner Oberer
Philipp Schmutz (66) hat einen Vogel. Nein. Nicht nur einen. Dutzende von Vögeln. Gemach. Ein Schalk, wer jetzt Böses denkt. Der Wenslinger Vogelliebhaber bietet seit rund zehn Jahren Mauerseglern (siehe Kasten) und Mehlschwalben Nistplätze an. Für sein Engagement ist ihm am 6. Juni der Naturschutzpreis des Natur- und Vogelschutzvereins Wenslingen verliehen worden. «Wir hatten Philipp Schmutz schon länger auf dem Radar. Hat er doch in den vergangenen Jahren über hundert Mauersegler-Kästen an seinem Haus angebracht und so dafür gesorgt, dass der Highspeed-Flieger wieder vermehrt in Wenslingen brütet», sagt Regula Waldner, Präsidentin des Wenslinger Natur- und Vogelschutzvereins.
Philipp Schmutz steht im Überkleid in der Scheune seines Wohnhauses und beizt mit grosser Sorgfalt Mauerseglerkästen, die er am Tag zuvor zusammengezimmert hat. «Die Liebe für die aussergewöhnlichen Luftakrobaten ist vor ungefähr zehn Jahren entbrannt», erzählt Schmutz. Vorher sei ihm die Welt der Vögel nicht sehr präsent gewesen. Er sei auch kein ideologisch angehauchter Grüner, betont er. Er mache einfach, was es zu machen gelte.
Gelernt hat er Koch. Nach den obligaten Wanderjahren mit Stationen in der hiesigen Gastronomie beschliesst er in den 1990er-Jahren, den Kochberuf an den Nagel zu hängen. Er spezialisiert sich auf das Verlegen von Böden. Auf den Hinweis, dass die Ausbildung zum Koch nicht prädestiniert sei, um als Bodenleger zu arbeiten, antwortet er: «Mag sein. Ich habe mir aber gesagt, wenn ich Fleischbrät glattstreichen kann, müsste das auch mit Leim zu bewerkstelligen sein.»
Lockrufe ab CD
Im Jahr 1999 erwirbt Schmutz mit seiner Ehefrau Elisabeth das 1925 erbaute Bauernhaus mit grosser Scheune an der Hauptstrasse 85 in Wenslingen. Drei Jahre später eröffnet seine Ehefrau im unteren Teil des Wohnhauses das «Dorfbeizli», das sie bis 2018 in eigener Regie bewirtschaftet. Heute ist das Restaurant vermietet. Philipp Schmutz half am Abend in der Beiz aus. Bei einer Rauchpause in der Gartenwirtschaft hat es bei ihm gefunkt: «Ich habe die Flugkünste der Mauersegler beobachtet und war begeistert», sagt der Hobbyornithologe. Am Nachbarhaus waren fünf Mauersegler-Nistkästen angebracht, die von den wendigen Vögeln zielsicher angeflogen wurden.
Begeistert von den Flugkünsten der Mauersegler, beschliesst Schmutz, bei der anstehenden Renovation seiner Scheune den Vögeln Unterschlupf zu bieten. Mit der Zeit entstehen so an der Scheunenwand und unter dem -vordach 125 Nistkästen. «Jährlich benützen gegen 30 Brutpaare die komfortablen Nistplätze», sagt Schmutz. Anfänglich habe er sich gefragt, wie die Vögel die neu erstellten Nistplätze überhaupt finden. Ein Kollege weiss Rat und gibt ihm eine CD mit den Lockrufen des Mauerseglers.Tagelang zwitschert es in der Scheune ab CD-Player, was zu Diskussionen mit Schmutz’ Ehefrau führt: «Mein Gehör ist nicht mehr das beste», so Philipp Schmutz. Wenn er sich im Garten aufgehalten habe, habe er die Lockrufe aus der Scheune nicht mehr gehört. Seine Frau aber wohl. Darum habe sie ihn gebeten, «die ‹Kiste› doch zwischendurch auch mal wieder abzustellen». Geschadet hat es nicht. Die Mauersegler haben das neue Zuhause, wohl auch wegen des lockenden Gezwitschers, im Nu gefunden.
Bevor die Segler eintreffen, reinigt und desinfiziert Schmutz die Nistkästen, den sogenannten Kranz, von den Hinterlassenschaften von Spatzen und Staren, welche die Kästen ebenfalls zum Brüten benützen. «Jetzt sind meine Lieblinge von ihrer langen Reise zurück und kehren bei mir ein – das, ohne Miete zu bezahlen.» Beim Erzählen blickt er immer wieder in den Himmel. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, schiesst ein Mauersegler vom Himmel und verschwindet in einem der Nistkästen. So als wolle er zeigen: «He, ich bin dann mal wieder hier.»
Der Mauersegler – aussergewöhnlicher Flugakrobat
hob. Die Segler sind perfekt an ein Leben in der Luft angepasst. Ihr spindelförmiger Körper ist sehr stromlinienförmig, und mit ihrem abgeflachten und kurzen Schnabel können sie Insekten direkt im Flug fangen. Ausgewachsene Mauersegler verbringen fast ihr ganzes Leben in der Luft. Mit Ausnahme der Bebrütung der Eier machen Segler alles in der Luft: Sie fressen, trinken, putzen und paaren sich in der Luft. Sie sind sogar in der Lage, in der Luft zu schlafen, indem sie auf «Autopilot» schalten, wobei nur jeweils eine Hirnhälfte aktiv ist. In der Schweiz ist der Mauersegler der häufigste Segler mit 40 000 bis 60 000 Paaren. Neben dem Mauersegler ist der Alpensegler mit 1800 bis 2300 und der Fahlsegler, nur im Tessin, mit 29 bis 36 Paaren in der Schweiz heimisch.
Quelle: www.vogelwarte.ch