Wort und Musik
21.05.2019 WenslingenLiteratur und Musik zum Spitteler-Jubiläum
Im «Archiv» sind Gedichte von Carl Spitteler in verschiedenen Vertonungen gespielt und gesungen worden. Originale Melodien von ihm wurden als Uraufführungen gespielt und gesungen.
Sander van ...
Literatur und Musik zum Spitteler-Jubiläum
Im «Archiv» sind Gedichte von Carl Spitteler in verschiedenen Vertonungen gespielt und gesungen worden. Originale Melodien von ihm wurden als Uraufführungen gespielt und gesungen.
Sander van Riemsdijk
Der erste Schweizer Nobelpreisträger Carl Spitteler war nicht nur ein begabter Dichter, Schriftsteller, Kritiker und Essayist, sondern auch ein kleiner Melodienschreiber. Es grenzte fast an eine Sensation, als kürzlich in der Berliner Bibliothek der Universität der Künste vier originale Melodien, von Carl Spitteler um 1880 komponiert und mit einem Klaviersatz des Berliners Justus Hermann Wetzel versehen, entdeckt wurden.
Es sind einfache Melodien zu Gedichten des Schweizers Heinrich Leuthold mit Titeln wie «Meines Kindes Abendgebet» oder «Trost im Leid». In der schweizerischen Bibliothek in Bern lagern im Nachlass von Spitteler noch weitere 16 Melodien zu Gedichten von Heinrich Leuthold, mit Spittelers Handschrift und ohne Klavierbegleitung. Die vier Melodien «Ersatz», «Roman», «Ligurisches Volkslied» und «Ghasele» aus dem Nachlass Spittelers wurden von Peter Gisi neu mit Klavierbegleitung versetzt. Als Uraufführung wurden sie am Freitag in Wenslingen durch die Pianistin Sharon Prushansky und, mit einer dynamischen, hohen Klangqualität in der Stimmführung, von der Sopranistin Jeanne Pascale Künzli interpretiert.
Lieblingskomponist: Beethoven
Moderator Ueli Gisi begleitete das Publikum mit einführenden Erläuterungen zu Gedichten von Carl Spitteler und von Heinrich Leuthold durch den musikalischen Gedenkabend. Virtuos eröffnet wurde der Abend gleichsam als Ouvertüre durch die Pianistin Sharon Prushansky mit einem Solo-Stück von Spittelers Lieblingskomponisten, Ludwig von Beethoven, dem zweiten Satz E-Dur aus der Klaviersonate Nr. 27 op. 90.
Eher selten trifft der Musikliebhaber auf Vertonungen von Gedichten Carl Spittelers. Es war im Jahr 1910, als der Schweizer Komponist Othmar Schoeck mehrere sogenannte «Glockengedichte» für Singstimme und Klavier wie «Glöckleins Klage» oder «Das bescheidene Wünschlein» vertonte. Diese Gedichte wurden zudem im Jahr 1928 von Justus Hermann Wetzel, einem Freund von Spittelers Tochter Anne, vertont.
Die musikalischen Darbietungen und Einführungen im voll besetzten «Archiv» wurden mit einer humorvoll vorgetragenen und rhetorisch brillanten Lesung von Spitteler Texten zu Kompositionen und Interpretationen durch den Lokalhistoriker Thomas Schweizer in Spitteler-Outfit ergänzt. Dem Publikum wurde an diesem Gedenkabend ein wahrer Fundus an einzigartigen Vertonungen geboten, die wegen des differenzierten Repertoirs den beiden Musikerinnen alles abverlangte. Sie meisterten ihre Aufgabe mit einem hohen Anspruch an musikalische Qualität bravourös.