Schulvorlagen gegen den Sparkurs
10.05.2019 BaselbietAm 19. Mai entscheiden die Stimmbürger über zwei Bildungsinitiativen
sda. Am 19. Mai wird im Baselbiet über zwei Bildungsinitiativen des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB) abgestimmt, die sich gegen eine Schwächung der Schulen richten. ...
Am 19. Mai entscheiden die Stimmbürger über zwei Bildungsinitiativen
sda. Am 19. Mai wird im Baselbiet über zwei Bildungsinitiativen des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB) abgestimmt, die sich gegen eine Schwächung der Schulen richten. Auslöser der Volksbegehren ist der Sparkurs der Regierung in den vergangenen Jahren.
Mit der Initiative «Bildungsressourcen gerecht verteilen und für das Wesentliche einsetzen!» sollen die Grundansprüche der schulischen Infrastruktur im Bildungsgesetz verankert werden. Verlangt werden verbindliche Regeln im Fall von neuen Sparmassnahmen.
Mit der zweiten Initiative «Stopp dem Abbau an den öffentlichen Schulen!» will der LVB schulische Qualität sichern. So soll im Kantonsparlament künftig ein Zweidrittelsmehr nötig sein, wenn die Schulklassen vergrössert oder die Kosten des Schulbetriebs auf die Eltern überwälzt werden. Regierung und Landrat lehnen beide Initiativen ab. «Stopp dem Abbau an den öffentlichen Schulen!» erklärte das Kantonsparlament auf Antrag der Regierung teilweise für ungültig. Das Kantonsgericht korrigierte jedoch diesen Entscheid.
DARUM STIMME ICH JA
Ja zu einer zukunftsorientierten Schule für alle!
Regina Werthmüller, Landrätin, parteilos
In den vergangenen 15 Jahren wurden meiner Meinung nach, was die Investitionen in die Baselbieter Volksschule und die weiterführenden Schulen betrifft, die Prioritäten mehrheitlich falsch gesetzt. Während viel Geld für die Finanzierung realitätsferner Reformprojekte und überteuerter Einweglehrmittel in die Hand genommen wurde, vernachlässigte man an vielen Standorten die schulische Infrastruktur. Aus Spargründen verzichtete man unter anderem auf Halbklassenunterricht, Schwimmunterricht, Klassenlager und Begabtenförderung.
Schulleitungen beklagen den Umstand, dass sie durch die «optimierte Klassenbildung» gezwungen seien, bestehende Klassen kurzfristig auseinanderzureissen. «Optimierte Klassenbildung» heisst: Klassen auf die Maximalzahl auffüllen und die überzähligen Schüler/-innen an einem anderen Standort platzieren.
An vielen Schulen fehlt es an Computern, Software, Experimentier- und Verbrauchsmaterialien, die für das Erreichen der Lehrplanziele nötig wären.
Die beiden kantonalen Bildungsinitiativen, die am 19. Mai zur Abstimmung vorliegen, wollen hier Gegensteuer geben und mit klar definierten Ansätzen den Blick auf das Wesentliche richten.
Mindestansprüche an die schulische Infrastruktur sollen im Bildungsgesetz verankert werden. Der laufende Schulbetrieb muss Vorrang vor neuen und abenteuerlichen Grossreformen haben. Einseitige Sparübungen zulasten der Volksschule darf es in Zukunft nicht mehr geben, dafür soll eine gerechte Verteilung der Bildungsausgaben von der Primarschule bis zur Hochschule angestrebt werden.
Unsere Schulen müssen verlässliche Institutionen sein, die für eine solide und qualitativ hochstehende Wissens- und Kompetenzvermittlung stehen und allen Kindern und Jugendlichen eine umfassende Bildung und Ausbildung ermöglichen. Dazu benötigen die Schulen politisch verlässliche Rahmenbedingungen. Wichtige Eckpfeiler einer starken Schule sind zum Beispiel die für eine Lehrperson handelbare Klassengrösse oder die Berücksichtigung der musischen Fächer wie Werken, Bildnerisches Gestalten, Musik und so weiter, welche die entsprechende Berücksichtigung in der Stundetafel verdienen.
Es ist unglaubwürdig, wenn wir in Reden und politischen Programmen auf die fundamentale Bedeutung der Bildung hinweisen und diese hervorheben, jedoch bei wichtigen und klaren Forderungen zugunsten der Schul- und Unterrichtsqualität untätig bleiben.
Darum sage ich am 19. Mai mit Überzeugung zweimal Ja.
DARUM STIMME ICH NEIN
Einschränkungen der Handlungsfreiheit sind unnötig
Stefan Degen, Landrat FDP
Mit den beiden Bildungsinitiativen des LVB sollen Regeln aufgestellt werden, die unterstellen, dass die genannten Eckpfeiler als unverrückbare und richtige Tatsachen im Gesetz stehen und mittels Zweidrittels-Quorum teilweise sogar dem Zugriff des Kantonsparlaments, dem Landrat, beinahe entzogen werden sollen. Weiter dürften Verschiebungen von Mitteln innerhalb des Bildungswesens nur noch nach einem genau festgelegten Massnahmenkatalog vorgenommen werden.
Mit der ersten Initiative soll die Qualität der Bildung gesichert werden. Eine Auswahl von zwei Forderungen soll das veranschaulichen. Überkantonale Bildungsprojekte sollen bei Sparmassnahmen gegenüber kantonalen bei Bedarf eher zurückgestutzt werden. Meine Gegenfrage: Was ist, wenn ein spezifisches Lernziel mit einem überkantonalen Projekt besser und kostengünstiger erreicht werden kann? Und weiter: Mindestens 3 Prozent von allfälligen Einsparungen sollen jeweils bei der Verwaltung vorgenommen werden, da dies der Anteil der Verwaltung am gesamten Bestand des Bildungspersonals ist. Diese Festlegung kann aber als willkürlich betrachtet werden, zukünftige Veränderungen können auch hier zu Verschiebungen führen.
Die zweite Initiative will konkret vermeintliche Verschlechterungen vermeiden – auch hier will ich mein Gegenargument mit zwei Beispielen illustrieren. Der Anteil der handwerklichen, gestalterischen und musischen Fächer soll nur dann sinken können, wenn zwei Drittel des Landrats dies gutheissen. In der Schweiz herrscht nach wie vor ein Mangel an Absolventen der sogenannten «Mint»-Fächer. Warum sollen wir die Gewichtung der Lerninhalte zusätzlich erschweren? Warum sollen es ausgerechnet die Fächer dieser drei Richtungen sein? Was macht diese Fächer wichtiger als andere?
Die Richt- und Höchstzahlen der Klassengrössen sollen nur noch durch Zweidrittelsmehrheit erhöht werden dürfen. Gerade in Zeiten von Gruppenräumen, Individualförderung und weiteren Massnahmen im Klassenverbund sollten nicht willkürlich Klassengrössen fixiert werden. Die Liste kann beinahe beliebig verlängert werden.
Die beiden Initiativen würden ihre Ziele nicht bloss verfehlen, sondern teilweise in das Gegenteil umkehren. Die Starrheit würde zu vermehrter Unruhe und zu Qualitätsverschlechterungen führen, in Zukunft notwendige Anpassungen könnten unter Umständen nicht mehr vollzogen werden. Ich lehne beide Initiativen aus Überzeugung ab. Tun Sie es mir gleich.