Ein Stück Kultur verschwindet
10.05.2019 Bezirk Sissach, Ormalingen, Wirtschaft, GemeindenMilchgenossenschaft muss ihren Laden schliessen
Aus wirtschaftlichen Gründen geht das «Milchhüsli» am Dorfplatz Ende Juni endgültig zu. Damit verabschiedet sich nach sechs Jahrzehnten eine Institution aus dem Dorfleben. Die beiden Angestellten haben bereits eine neue Stelle ...
Milchgenossenschaft muss ihren Laden schliessen
Aus wirtschaftlichen Gründen geht das «Milchhüsli» am Dorfplatz Ende Juni endgültig zu. Damit verabschiedet sich nach sechs Jahrzehnten eine Institution aus dem Dorfleben. Die beiden Angestellten haben bereits eine neue Stelle gefunden.
Otto Graf
Am 29. Juni gehen die Lichter im «Milchhüsli» in Ormalingen endgültig aus. Nach über 60 Jahren schliesst der Laden am Dorfplatz. Das haben die Genossenschafterinnen und Genossenschafter mit grossem Mehr an einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen. «Wenn wir erklären und die Gründe auf den Tisch legen, warum wir das ‹Milchhüsli› schliessen müssen, dann verstehen die Kundinnen und Kunden unseren Entscheid auch», sagt Roland Schneider, Präsident der Milchgenossenschaft Ormalingen, auf Nachfrage. Es sind wirtschaftliche Gründe, die nun zum Schliessen des Ladens führen.
Schneider betont, der Vorstand habe angesichts der rückläufigen Umsätze seit Jahren nach Varianten und Einsparmöglichkeiten gesucht, wie das im Volk beliebte Ladengeschäft weitergeführt werden kann. Doch die Konkurrenz durch die Grossverteiler, namentlich in Gelterkinden und weiter talabwärts, sowie die sich laufend ändernden Einkaufsgewohnheiten hätten keine vernünftige Lösung ergeben. Insbesondere der Onlineeinkauf mit Lieferungen an die Haustür, gab der Präsident zu verstehen, mache den Läden allgemein zu schaffen.
Die Post zügelt
Die Milchgenossenschaft ist alles andere als glücklich, eine erfolgreiche Institution nach sechs Jahrzehnten von der Bildfläche verschwinden zu lassen. «Wir haben viele treue Kundinnen und Kunden, die vom Verkaufspersonal und vom Vorstand persönlich über den Entscheid orientiert worden sind», sagt Roland Schneider. Zudem werden die Milchgenossenschaft und die Post, die im Laden eingemietet ist, ein gemeinsames Flugblatt verteilen lassen. In diesem Flyer erfährt die Bevölkerung unter anderem die Einzelheiten über den «Umzug» der Poststelle in den Spar-Laden an der Hemmikerstrasse.
Für das Personal, zwei Personen, konnte eine gute Lösung gefunden werden, sodass Ende Juni niemand auf der Strasse stehen wird. Dank der Sparbemühungen hat bis jetzt niemand einen wirtschaftlichen Schaden erlitten. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter, so Schneider, seien nie zu Nachschusszahlungen verpflichtet worden. Allerdings, räumte er ein, habe es der unbefriedigende Geschäftsgang in den vergangenen Jahren nicht mehr erlaubt, eine Dividende auszurichten.
Seitens des Personals bedauern sowohl Bea Rohrbach als auch Tamara Spiess den Entscheid der Genossenschaft, das «Milchhüsli» zu schliessen. «Uns tun vor allem die Kundinnen und Kunden leid, die ihre Einkaufsmöglichkeit verlieren», sagen die beiden Frauen. Kundin Margrit Buser äussert sich ähnlich und erinnert an den «Ballmer-Laden», der vor Jahrzehnten vor der übermächtigen Konkurrenz kapitulieren musste. Auch Thomas Gubler wird den Laden vermissen und sagt: «Meine Frau und ich haben die familiäre Atmosphäre im Laden geschätzt und fast jeden Tag hier eingekauft.»
Der Schlussstrich bedeutet, dass die Milchgenossenschaft das Ladenlokal an attraktiver Lage samt der Nebengebäude veräussern wird. An einem Kauf Interessierte sind vorhanden. «Natürlich hoffen wir und viele Ormalingerinnen und Ormalinger, dass die neue Eigentümerschaft wieder einen Laden betreiben wird. Aber Bedingungen stellen können wir nicht», sagt der Präsident.
Von der Milchsammelstelle zum Dorfladen
og. Die Milchgenossenschaft Ormalingen (MGO) wurde um 1900 gegründet und zählte damals 76 Milchlieferanten. Bis 1958 befand sich die Milchsammelstelle in einem Gebäude im «Zinggen». Dann kaufte die MGO eine Liegenschaft am Dorfplatz und baute diese in verschiedenen Schritten von der einfachen Annahmestelle und Abgabestelle für Offenmilch, Käse und Joghurt nach und nach zum heutigen Lebensmittelgeschäft mit Öffnungszeiten von 7 bis 12.15 Uhr und 15.30 bis 18.30 Uhr sowie samstags von 7 bis 13 Uhr aus. Brachten 1958 noch 36 Bauern ihre Milch in die Sammelstelle, so verzeichnet die Milchgenossenschaft Ormalingen heute noch elf Lieferanten, die ihre Milch in den zentralen Sammelplatz im Werkhof bringen.