Donner von unten und von oben
28.05.2019 Gesellschaft, Kultur, SissachDie Männer unter sich – eine alljährliche Grenzerfahrung
Der Sissacher Banntag hat unter fast perfekten Bedingungen stattgefunden. Nicht mehr ganz makellos ist hingegen die Banntagsfahne. Sie wird ersetzt.
Stefan Zemp
Wenn es in Sissach in der Begegnungszone ...
Die Männer unter sich – eine alljährliche Grenzerfahrung
Der Sissacher Banntag hat unter fast perfekten Bedingungen stattgefunden. Nicht mehr ganz makellos ist hingegen die Banntagsfahne. Sie wird ersetzt.
Stefan Zemp
Wenn es in Sissach in der Begegnungszone knallt und nach Pulverdampf riecht, dann ist Banntag. Die Zeiten, da die Frauen ihre Männer am Morgen ins Dorf begleiteten und sie abends wieder abholten, gehört definitiv ins letzte Jahrhundert. Heutzutage gönnt sich an diesem Tag das weibliche Geschlecht grossmehrheitlich ein Frauenchränzli oder geniesst einen männerfreien Tag. So viel zur Rollenverteilung an diesem heiligen Vatertag in Sissach – «es isch esoo, s isch guet esoo, es blybt esoo». Damit auch das wieder einmal klar gesagt ist.
Punkt 10.30 Uhr setzt sich der Zug der teilnehmenden Männer in Richtung Sissacher Fluh in Bewegung. Voraus marschieren die Vorderladerschützen, es folgen die Pfeiferinnen und Pfeifer und Tambouren der Nuggi-Clique, der Fähnrich, gefolgt vom Bürgerrat, flankiert von den Trachtenfrauen.
Nach dem schon traditionellen «Pausenöpfel» – herrlich frisch und stärkend –, überreicht durch «Öpfelheiris» Nichte Laura Grazioli, findet auf der Wintersingerhöhe bereits der erste Pausentrunk statt. Bier und Mineral, alles hergestellt aus heimischem Wasser, ebenso das heimische Süsswasserblööterligetränk für die Kinder. Diese Marschhalte werden rege genutzt, um Kontakte und allgemeine Begrüssungen zu machen.
Die Fahne und das Wappen
Weiter geht es Richtung Kanzel auf der Sissacher Fluh: Bürgerratspräsident Christoph Tschan begrüsst alle Teilnehmenden und bemerkt nebenbei, dass die alte Banntagsfahne leicht in die Jahre gekommen sei; und böse Zungen behaupten, die kleinen Löcher stammten vom Schiesspulver. Die Banntagskommission und der Bürgerrat hätten deshalb gemeinsam beschlossen, eine neue Banntagsfahne zu beschaffen. Also: Ohren zu, denn die Schützen erweisen der dem Ruhestand geweihten Fahne mit einer Salve die Ehre.
Der Name Sissach und das Wappen tauchen erstmals auf einem Siegel eines Ratsherren von Schaffhausen, Thüring von Sissach, aus dem Jahr 1398 auf, und auf der Grabplatte des Bruders Berthold von Sissach ist im Jahr 1425 ebenfalls das Wappen nachgewiesen. Allerdings seien zu dieser Zeit die Ellenbogen nach aussen gekehrt gewesen, erklärt Tschan. 1927 ist das leicht geänderte Wappen definitiv in Sissach angekommen.
Er reicht das Wort weiter und begrüsst Jürg Gohl, den Banntagsredner. In seiner Rede kommt Gohl nicht darum herum, mehrmals Frauen zu erwähnen. Zum Beispiel, wenn er über die Nationalrätinnen-Dichte aus dem oberen Baselbiet spricht. Er lobt die inhaltlichen Qualitäten unseres gemeinsamen Zusammenlebens anhand unserer Lokalzeitung – und dies in Zeiten zunehmender Globalisierung. Er erwähnt das Kunstidebakel oder die Säulimetzgete, die Sissach landesweit ins Gespräch gebracht hat. Und er zieht anhand von Waffengesetzen und Frauenstimmrecht Parallelen zwischen der Schweiz und Neuseeland, das er kürzlich bereist hat.
Die Rede ist auch von Frauen
Während sich die Rotte in Richtung Isletenhütte begibt, beginnt es im Hintergrund zu donnern. Doch erst später, nach der Ankunft im grossen Festzelt bei der Tännligartenhütte, ergiesst sich dann der heftige Regenschauer. Unsere Männer aber sitzen gemütlich im Trockenen und essen Suppe mit Spatz, zubereitet von der Banntagskommission.
Gestärkt mit Speis und Trank werden dann die männlichen Neubürger mit einem Tännli beehrt, das sie später im Garten pflanzen werden. Gegen Abend zeigt sich die Sonne zwischen den Wolken wieder, um den geordneten Einzug zurück ins Dorf zu erhellen. Diesmal mit den neu aufgenommenen Bürgern in der ersten Reihe – stolz das Tännli vor der Brust.