Maifeiern in den Jahren des Zweiten Weltkriegs
30.04.2019 Bezirk Sissach, Polizei, Läufelfingen, Politik, GesellschaftAuch die Polizei war dabei
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs verschärfte die Bundesanwaltschaft die Überwachung der Arbeiterbewegung. Ein Dossier im Staatsarchiv Baselland gibt Einblick in das Vorgehen der Polizei und in die Läufelfinger Maifeiern.
Martin ...
Auch die Polizei war dabei
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs verschärfte die Bundesanwaltschaft die Überwachung der Arbeiterbewegung. Ein Dossier im Staatsarchiv Baselland gibt Einblick in das Vorgehen der Polizei und in die Läufelfinger Maifeiern.
Martin Stohler
Mit der polizeilichen Überwachung der 1.-Mai-Feiern verfolgte die Bundesanwaltschaft hauptsächlich zwei Ziele. Zum einen wollte sie «kommunistische Propaganda in irgend welcher Form» verhindern – die Kommunistische Partei der Schweiz war 1940 verboten worden. Zum andern sollte die Schweizer Neutralität gewahrt bleiben.
Aus diesem Grund sollten, wie das Polizeikommando Baselland am 24. April 1943 an sämtliche Baselbieter Polizeiposten schrieb, «Transparente, Inschriften zum Mittragen an Umzügen sowie zum Verteilen bestimmte Schriften einer Vorzensur unterworfen» werden. Nicht zur Kontrolle vorgelegte Schriften, die zur Verteilung gelangten, seien zu beschlagnahmen.
Jede «Beschimpfung, Beleidigung oder Herabwürdigung fremder Staatsoberhäupter, Regierungen oder Völker in Schrift, Wort, Bild oder in jeder anderer Form» sei zu verhindern, ebenso jeder Angriff auf fremde Regierungsformen. «Beschimpfung und Herabwürdigung unserer zivilen und militärischen Behörden» seien verboten: «Die Kritik unserer inneren Verhältnisse und Zustände hat in anständiger Weise zu geschehen.»
Die Baselbieter Polizeiposten erhielten vom Polizeikommando den Auftrag, «allen politischen Vorgängen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und uns über den Verlauf der Maifeiern» zu berichten. «Ausserordentliche Vorkommnisse» seien telefonisch zu melden. «In Zweifelsfällen über die Zulässigkeit einzelner Kundgebungsformen haben Sie sich an das unterzeichnete Kommando zu wenden.»
Kein Anlass zu Beanstandungen
In seinem Bericht über die Maifeier 1943 zuhanden des Polizeikommandos hatte der diensthabende Polizist des Postens Läufelfingen keine Verstösse gegen die Auflagen zu vermelden. Vielmehr lesen wir dort: «Die diesjährige Maifeier in Läufelfingen verlief sehr ruhig. Ein Umzug fand nicht statt. Auf 20.30 Uhr wurde auf dem Rosengartenplatz eine Kundgebung angeordnet, die aber wegen Regenwetters in den Rosengartensaal verlegt werden musste. Die Feier wurde mit Vorträgen des Arbeitermännerchors und Musikvereins Läufelfingen eingeleitet. Anschliessend hielt Herr Baumgartner, Oberrichter in Aarau, eine Ansprache, die in keiner Weise zu Beanstandungen Anlass gab. Transparente oder Inschriften sah man überhaupt keine. Nach der Festrede wurde die Feier durch weitere Vorträge der genannten Vereine um 22 Uhr abgeschlossen.»
Die Bundesanwaltschaft und das Polizeikommando Baselland ordneten auch in den folgenden Jahren eine Überwachung der Arbeiter-Maifeiern an. Der Bericht, den der Polizeiposten Läufelfingen 1944 nach Liestal schickte, unterschied sich kaum von jenem des Vorjahres. Als Hauptredner trat dieses Mal Viktor Aeschbacher, Bezirksrichter in Zürich, auf. Ferner sprachen Landrat Wagner und Gemeinderat Hägler, wie dem Programm der Feier zu entnehmen ist.
Einen Rapport zur Maifeier 1945 gibt es im Dossier nicht. Aufbewahrt wurde lediglich das Programm der Feier. Das verwendete Papier und die sorgfältige Schrift lassen vermuten, dass der Aushang an einem geschützten Ort – vielleicht in einem Schaukasten – erfolgte.
2 Franken Busse
Das Zielpublikum der Maifeier war, wie aus der Einladung von 1943 hervorgeht, «die arbeitende Bevölkerung von Läufelfingen und Umgebung». Die Einladung schloss mit dem Aufruf: «Wem die soziale Besserstellung des Arbeiters am Herzen liegt, der nimmt an der Maifeier teil.» Demgegenüber hiess es im folgenden Jahr: «Der Besuch der Maifeier ist für alle Gewerkschafter obligatorisch. Wer an der Feier nicht teilnimmt, bezahlt Fr. 2.– Busse.»
Die Polizeirapporte teilen uns nichts über den Inhalt der in Läufelfingen gehaltenen Reden mit. In Baselbieter Redaktionsstuben scheint man dem Anlass keine grosse Bedeutung beigemessen zu haben. Jedenfalls sucht man in der «Basellandschaftlichen Zeitung», aber auch in der «Volksstimme» vergeblich nach Berichten. Da die Hauptredner Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei waren, darf vermutet werden, dass in Läufelfingen die gleichen Themen verhandelt worden sind wie an andern Maifeiern in der Schweiz, beispielsweise in Basel.
Aufbau der «neuen Schweiz»
In Basel forderte Regierungsrat Gustav Wenk einen «erhöhten Ausgleich der Teuerung», wie dem Bericht der «Basellandschaftlichen Zeitung» über die Basler Maifeier 1943 zu entnehmen ist. Zudem sagte er, die gesamte Arbeiterschaft müsse geschlossen hinter dem Manifest der Sozialdemokratischen Partei stehen und am Aufbau der «neuen Schweiz» mitschaffen, die jedem Arbeiter Existenz und Arbeit sichern und Staat und Wirtschaft der Führung des Volkes unterstellen wolle. Auch die Landwirtschaft werde ihre Existenzsicherung nur in einer planmässig dirigierten Wirtschaft finden können.
1.-Mai-Feiern wurden auch in späteren Jahren polizeilich observiert. Im Falle von Läufelfingen scheint das nicht mehr der Fall gewesen zu sein. Im Dossier des Staatsarchivs jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass sich die Polizei nach 1945 noch für die Feier interessiert hat.
1.-Mai-Transparente 1943
sto. Auf Anordnung der Bundesanwaltschaft wurden im Zweiten Weltkrieg die 1.-Mai-Transparente einer Vorzensur unterzogen. Mit Schreiben vom 30. April 1943 gab das Polizeikommando Basel-Landschaft den Polizeiposten Läufelfingen und Muttenz «den Wortlaut der Transparente, die an der 1.-Mai-Kundgebung mitgetragen werden dürften», bekannt. Erlaubt waren demnach folgende Transparente:
1. Für mehr Lohn, mehr Recht, mehr Freiheit im
Betrieb.
2. Chemie-Arbeiter, vorwärts mit der Gewerkschaft.
3. Für Legalisierung der verbotenen Arbeiterorga-
nisationen.
4. Volk verteidige Freiheit und Brot.
5. Wir fordern Anpassung der Löhne an die Teu-
erung.
6. Arbeiter und Bauern, kämpft gegen die Kapi-
talisten.
7. Wacht auf Verdammte dieser Erde.
8. Proletarier aller Länder vereinigt Euch.
«Transparente, die der Weisung vom 24. April betr. die Maifeiern widersprechen, sind nach vorheriger Verständigung des Polizeikommandos zu beschlagnahmen.»
Maifeier-Motto: «Die Frau hat Recht»
vs. Die diesjährige Baselbieter 1.-Mai-Feier in Liestal steht im Zeichen der Frau. Es werden ausschliesslich Frauen zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung sprechen. Es sind dies Elsbeth Joseph-Matter, Geschäftsführerin des Gewerkschaftsbunds Baselland, Samira Marti, Präsidentin des VPOD Region Basel, Karin Eberli, Komiteemitglied Basler Frauenstreik, und Anna Holm, Vorstandsmitglied der Juso Baselland. Die Veranstalter der Maifeier wollen mit dem Programm «die Vorfreude auf den Frauenstreik vom 14. Juni schüren», schreiben sie in ihrem Aufgebot. Der Demonstrationszug ab Bahnhof Liestal startet um 13.30 Uhr, die Kundgebung beginnt um 14 Uhr in der Rathausstrasse.