Der Bölchen wurde gebändigt
26.04.2019 Eptingen, VerkehrArbeiten am Sanierungstunnel verlaufen besser und rascher als erwartet
Der Mensch hat der Natur beim Bau des Bölchen-Sanierungstunnels den Meister gezeigt. Der gefürchtete aufquellende Gipskeuper hat den Tunnelbau kaum beeinträchtigt. Das Projekt wird daher voraussichtlich günstiger als ...
Arbeiten am Sanierungstunnel verlaufen besser und rascher als erwartet
Der Mensch hat der Natur beim Bau des Bölchen-Sanierungstunnels den Meister gezeigt. Der gefürchtete aufquellende Gipskeuper hat den Tunnelbau kaum beeinträchtigt. Das Projekt wird daher voraussichtlich günstiger als budgetiert.
Christian Horisberger
Urs Aeschlimann ist zufrieden. Seine letzte grosse Herausforderung als Tunnelbau-Verantwortlicher ist bislang eine Erfolgsgeschichte. Er und rund 200 Arbeitskräfte aus rund 20 Berufsgattungen haben dem Bölchen den Meister gezeigt und den Rohbau des Sanierungstunnels glatt über die Bühne gebracht. Unter der gütigen Mithilfe des Bergs: Im Bölchen stecken viel schmieriger Opalinuston und quellender Gipskeuper, beides keine Freunde von Mineuren. Die problematischen Zonen im Gestein haben sich im Lauf der Bohrarbeiten jedoch als weit weniger schwierig erwiesen, als man es erwartet hatte. Entsprechend flott gingen die Arbeiten voran.
Jetzt ist im und am Berg wieder Ruhe eingekehrt. Der Baustellenbereich vor dem Südportal in Härkingen wirkt kahl und ausgestorben. Die Mineure sind abgezogen, das Containerdorf ist abgebaut. Hin und wieder verschwindet ein Auto mit dem Logo der «Nationalstrassen Nordwestschweiz» in der neuen Röhre. Unmittelbar daneben rauscht unaufhörlich der Verkehr. Dieser Abschnitt der A2 wird im Tagesdurchschnitt von 55 000 Fahrzeugen befahren. Das grosse Verkehrsaufkommen ist der Grund, weshalb der Bund beschloss, eine halbe Milliarde Franken in einen dritten Tunnel zu stecken. Die dritte Röhre wird gabaut, damit die beiden 50-jährigen Tunnel saniert werden können. Zwei Röhren bleiben stets geöffnet, die Staugefahr ist damit gebannt.
Ein Meter Beton
Bis Ende vergangenen Jahres hatte vor und im Berg ein Betrieb geherrscht wie in einem Bienenstock. Erst frass sich eine monströse Maschine von Härkingen her durch den Bölchen nach Eptingen. Herausgebrochenes Gestein wurde aus dem Tunnel geschafft und in einer nahen Tongrube deponiert, Beton in Elementen oder als Brei in den Berg transportiert, um die Tunnelwand zu verfestigen. Mehr als einen Meter dick ist der Betonring rund um die in den Berg gefräste Röhre. Mächtiger als irgendwo sonst: In einem Berg aus Granit reiche es, wenn die Innenverkleidung etwas dicker als zehn Zentimeter ist, sagt Projektleiter Urs Aeschlimann beim Augenschein mit der «Volksstimme». Die mächtige Befestigung ist dem Gipskeuper geschuldet. Kommt das Gestein mit Wasser in Kontakt, beginnt es zu quellen und übt enormen Druck auf die künstliche Ader im Berg aus.
Auf einem Schema im Infocenter am Südportal zeigt Aeschlimann, wo die Ingenieure aufgrund der Geologie des Bölchens mit Problemen gerechnet hatten. Eine einzige der 15 markierten Zonen hätte den Mineuren beim Bohren tatsächlich Schwierigkeiten bereitet. Man habe sie gemeistert, ohne alle infrage kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen, erklärt der Projektleiter.
Bis zu neun Monate Tests
Im Infocenter können sich Neugierige über den Tunnelbau informieren. Gegenwärtig ist der Besucherandrang eher gering. Denn seit Ende 2018 sind die groben Arbeiten erledigt, der Tunnel ist fast fertig. Nun wird er «belebt»: Fachleute ziehen 220 Kilometer Leitungen durch einen begehbaren Kabelkanal unter der Fahrbahn. Licht, Signale, Mobiltelefonantennen, Videoüberwachung, Lüftung, Messgeräte, Hydranten und mehr werden installiert, SOS-Nischen eingerichtet und alles mit den dreistöckigen Steuerungszentralen an den beiden Portalen sowie zwei weiteren Zentralen im Tunnel verbunden. Sind die Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen fertig installiert, werden sie während sechs bis neun Monaten getestet.
Vereinzelt treffen wir bei der Besichtigung des Tunnels auf einen Arbeiter in einem leuchtend orangen Anzug. 25 Personen seien heute vor Ort, sagt Aeschlimann. Während der Bohrarbeiten waren es bis zu 150. Als Gesamtprojektleiter ist Aeschlimann sehr dankbar, dass es während der Bauarbeiten an der dritten Röhre zu keinen nennenswerten Unfällen gekommen ist, bei dem Menschen zu Schaden kamen. «Das ist für einen Tunnelbau sehr aussergewöhnlich.» Aussergewöhnlich ist auch, dass der Tunnel weniger kosten dürfte als erwartet, weil der Bölchen weniger Widerstand leistete als befürchtet. Aeschlimann geht von Einsparungen in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags aus.
Ein durch und durch gelungener Abschluss für die berufliche Karriere des Ingenieurs also. Eigentlich hat der Projektleiter das Pensionsalter bereits im vergangenen Jahr erreicht, doch das Astra mochte noch nicht ganz auf seine Dienste verzichten. Und Urs Aeschlimann noch nicht auf seinen Tunnel.
Ein Vierteljahrhundert von der Idee bis zur Zweckerfüllung
1997: Die Bölchenkommission gibt eine Zweckmässigkeitsstudie «Sanierung Bölchen Varianten mit und ohne Sanierungstunnel» in Auftrag.
1998: Die Zweckmässigkeitsstudie beurteilt einen Sanierungstunnel als die volkswirtschaftlich zweckmässigste Lösung.
2000: Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) beauftragt die Kantone Baselland und Solothurn mit der Erarbeitung eines Generellen Projekts.
2002: Die Kantone Baselland und Solothurn reichen das Generelle Projekt zuhanden des Bundesrats ein.
März 2003: Der Bundesrat genehmigt das Generelle Projekt Sanierungstunnel.
Mai 2003: Das Stimmvolk in Baselland und Solothurn befürwortet an der Urne den Bau des Sanierungstunnels.
September 2003: Das Astra genehmigt das Ausführungsprojekt.
Dezember 2007: Das Uvek erteilt die Plangenehmigungsverfügung.
ab 2008: Das Bundesamt für Strassen (Astra) erarbeitet die Detailprojekte. Unter anderem aufgrund von Sondierbohrungen zeigt es sich, dass mit Baukosten von rund 500 Millionen Franken zu rechnen ist. Zunächst war man von 270 Millionen Franken ausgegangen.
2011: Es werden Zusatzabklärungen zu einer Instandstellung des Bölchentunnels ohne einen Sanierungstunnel gemacht.
Juli 2012: Das Uvek entscheidet sich für den Bau des Sanierungstunnels.
2014: Mit der Vorbereitung des Installationsplatzes am Südportal beginnen die Vorarbeiten für den Tunnelbau.
2015: Bau einer 45 Meter langen Brücke am Südportal.
Februar 2016: Vortriebsbeginn mit vor Ort montierter Tunnelbohrmaschine vom Südportal her.
September 2016: Bei Tunnelmeter 1400 wird die Kantonsgrenze Solothurn/Baselland erreicht.
Juni 2017: Nach 72 Wochen und 3200 Metern Bohrstrecke mit 555 000 Kubikmetern herausgebrochenem Material kommt die Bohrmaschine in Eptingen wieder ans Tageslicht.
2017: Bau der Betriebszentralen an beiden Portalen, Ausbruch von elf bis zu 110 Meter langen Querverbindungen zur mittleren Röhre, Belagsarbeiten.
2019: Installationen und mehrmonatige Tests der Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen. Diese umfassen Lüftung, Branddetektion, Videoanlagen, Funksysteme, Signalisation, Türen/Tore und Verkehrszähler.
2021: Erstmalige Inbetriebnahme des Sanierungstunnels und Stilllegung der mittleren Röhre zur Vollendung der vorbereiteten Querverbindungen zum Sanierungstunnel.
voraussichtlich 2022: Reaktivierung der mittleren Röhre und Start der Sanierung der Tunnelröhre in Richtung Norden.