100-jährig beim dritten Versuch
26.04.2019 Sport, Turnen, ZunzgenNach zwei Vereinsauflösungen wurde der TV Zunzgen 1919 gegründet
Nach grossen Erfolgen der Leichtathleten gab es im TV Zunzgen einen Bruch, später stand der Verein wegen des Widerstands gegen das Unihockey erneut vor dem Aus. Der TVZ hat aber immer einen Ausweg gefunden und kann morgen ...
Nach zwei Vereinsauflösungen wurde der TV Zunzgen 1919 gegründet
Nach grossen Erfolgen der Leichtathleten gab es im TV Zunzgen einen Bruch, später stand der Verein wegen des Widerstands gegen das Unihockey erneut vor dem Aus. Der TVZ hat aber immer einen Ausweg gefunden und kann morgen das Huntertjährige feiern.
Sebastian Wirz
Am Samstag schreitet der TV Zunzgen zum Jubiläum. Am Nachmittag wird der Eierleset, der im Dorf seit Längerem nicht mehr stattfindet, ausgegraben. Und die Zunzger nehmen es gleich mit zwei Vereinen auf: Der TV Diegten und der EHC Zunzgen-Sissach bemühen sich ab 14 Uhr beim sportlichen Eiersammeln, dem Gastgeber zu dessen 100. Geburtstag die Stirn zu bieten. Dieser wird danach offiziell mit einem Festakt in der Mehrzweckhalle begangen.
Doch warum ist es der 100. Geburtstag, wenn der erste Zunzger Turnverein schon 1899 gegründet worden ist? Heute, wo es in fast jedem Dorf einen Turnverein gibt und es beispielsweise bei Wahlen heisst, die Vereinszugehörigkeit habe einem Kandidaten zum Erfolg verholfen, ist es kaum vorstellbar: Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Turnerbewegung im Oberbaselbiet gegen grossen Widerstand zu kämpfen. Der 1899 gegründete erste TV Zunzgen scheint bei der Bevölkerung nicht sonderlich gut angekommen zu sein. Die Festschrift zum 75-Jahre-Jubiläum zitiert Jahresberichte, in denen die Mitglieder um Disziplin und Ordnung gebeten werden, um «die Sympathie und Gunst der hiesigen Einwohnerschaft zu erwerben». Mit ähnlichen Problemen hatten die Turner offenbar beim zweiten Anlauf 1908 zu kämpfen. Neben der mangelnden «breiten Unterstützung durch die Zunzger Dorfbevölkerung» fehlte ihnen eine «geeignete Übungslokalität». Beide Male wurde der Turnbetrieb eingestellt.
Die Last der Ausnahmeleistungen
Erst im dritten Versuch gelang der Durchbruch, auf den nun das Jubiläumsjahr zurückgeht. Im Hinblick auf das Kantonalschwingfest in Sissach gründeten «vierzehn turnbegeisterte Jünglinge» am 29. Juni 1919 den Turnverein Zunzgen. Einquartiert wurden sie von der Gemeinde zuerst in einem primitiven Schuppen ohne Heizung, ehe 1926 ein «sauberes Turnlokal» geschaffen wurde. Dieses habe den Ansprüchen der «heutigen Turnerei» zwar nicht entsprochen, doch «wollen wir uns mit dieser kleinen Neuerung zufriedengeben», wie der damalige Aktuar Werner Buser zitiert wird.
Vom ungeheizten Schuppen zur modernen Mehrzweckhalle, vom ersten Turnpferd zum gut gefüllten Geräteraum – und von den Leibesübungen bis zum Unihockey: Der Turnverein Zunzgen ist mit der Zeit gegangen – und hat dabei Höhen und Tiefen erlebt. Auf die grossen Erfolge, gar auf nationaler Ebene, von Zunzger Leichtathleten wie Rico Freiermuth, Jörg Beugger oder Edi Belser folgte beinahe das Ende des Vereins aufgrund «mangelnden Einsatzes, Interessens- und Disziplinlosigkeit beim Turnstundenbesuch».
Unihockey-Boom als Zerreissprobe
«Wir wissen es alle, wir sind im Tale angekommen und die Höhenflüge vergangener Zeiten sind vorbei», sagte Präsident Markus Schneider im Jahr 1980 gemäss Chronik. Mit einer Neuausrichtung auf den Breitensport statt auf leichtathletische Spitzenresultate hielt sich der TV Zunzgen am Leben und fand so neuen Zulauf.
Der Turnverein Zunzgen hat seine Anpassungsfähigkeit an aktuelle Verhältnisse und Bedürfnisse mehrfach bewiesen. So auch um das Jahr 2000. Die etablierten Turner störten sich an den Jungen, die statt des breitgefächerten Turnens von Leichtathletik bis Geräteturnen nur noch Unihockey im Kopf hatten. 20 Jahre nach der letzten Krise stand der TV Zunzgen erneut am Scheideweg – und liess sich nach heftigen Diskussionen auf den Unihockeysport ein, statt die Jungen zu vergraulen. Bis heute haben die Zunzger nicht zuletzt wegen des Spielsports Zulauf. Vergangenen Dezember waren beim «Chlausä-Cup» erstmals über 100 Teams und damit mehr als 700 Spieler im Einsatz – ein riesiges Turnier, das mit 23 absolvierten Austragungen nur ein paar Jahre jünger ist als der weitherum bekannte Zunzger Waldlauf (31. Austragung Anfang Mai).
1980, 2000, 2020?
«Dass wir das Unihockey-Turnier und den Waldlauf so lange durchziehen konnten, spricht für sich und für den Verein», sagt Thomas Ditzler. Der gebürtige Sissacher stiess zu Zeiten der «Unihockey-Krise» zum TVZ und ist nun seit rund zehn Jahren dessen Präsident. Er hofft, dass der 20-Jahre-Intervall der Tiefpunkte nicht beibehalten wird und der TVZ 2020 nicht mit den nächsten Problemen zu kämpfen hat. «2019 könnte als Startschuss für eine neue Ära bezeichnet werden», sagt er, «wir arbeiten seit einiger Zeit auf das Jubiläum hin und feiern nun den Festakt mit Eierleset, Festschrift und Eidgenössischem Turnfest. Was nach diesem Highlight kommt, wissen wir noch nicht.»
Am Wochenende sei den Zunzgern ihr Jubiläumsfest gegönnt. Danach darf die aktuelle TVZ-Generation zeigen, ob sie ihrer Vorfahren würdig ist und auch bei potenziellen neuen Problemen, Engpässen und Konflikten einen Weg findet, die Pflanze, die erst beim dritten Versuch blühen wollte, am Leben zu halten.