Behördenschreck will in die Politik
26.02.2019 HemmikenDer Bauer Alfred Suter kandidiert für die Grünliberalen
Er beschäftigt seit über 20 Jahren Politik, Behörden und Gerichtsinstanzen mit Schadensersatzforderungen. Nun will Alfred Suter, der Betreiber des Hofs unter der Deponie Wischberg, ins Kantonsparlament.
Sebastian ...
Der Bauer Alfred Suter kandidiert für die Grünliberalen
Er beschäftigt seit über 20 Jahren Politik, Behörden und Gerichtsinstanzen mit Schadensersatzforderungen. Nun will Alfred Suter, der Betreiber des Hofs unter der Deponie Wischberg, ins Kantonsparlament.
Sebastian Schanzer
«Sehen Sie: Dort drüben steht die Farnsburg. 1798 haben sie dort den letzten Landvogt zum Teufel gejagt. Heute sind wir an einen Punkt gelangt, an dem wir uns wieder wehren müssen. Darum will ich in die Politik.» Das sind die Worte eines Mannes, der erhebliche Zweifel am Handeln von Baselbieter Behörden aufkommen liess und der die Meinungen polarisiert wie kaum ein anderer im Kanton.
Alfred Suter ist Landwirt und seit bald 20 Jahren wegen einer überfüllten Deponie auf Kriegsfuss mit der Baselbieter Baudirektion und dem Hemmiker Gemeinderat. Der Bauer ist sich sicher: Die Deponie Wischberg hat die unterirdischen Wasserverläufe verändert und das ist der Grund dafür, dass der Hang oberhalb seines Hofs rutscht. Im Jahr 2000 hat er Risse an Betonsilos und Stallmauern entdeckt und auf seine Anzeige hin hat der Kanton als Aufsichtsbehörde die weitere Befüllung der ehemaligen Mergelgrube durch die Gemeinde verboten. Die Deponie ist erheblich über das bewilligte Mass hinaus gefüllt – auch mit Material, das dort nicht hingehört, wie sich später herausstellen sollte.
Dass ein Zusammenhang zwischen den Schäden beim Hof und der gut 100 Meter entfernten Deponie bestehe, bestreiten Gemeinde und Kanton allerdings hartnäckig. Diverse Vorstösse im Parlament haben bis heute nicht dazu geführt, dass diese Frage restlos geklärt wird. Dabei hat die Gemeinde Hemmiken 2017 umfassende Untersuchungen veranlasst und einen Bericht dazu publiziert. Auch wegen rechtlichen Geplänkels zwischen Suter und der Gemeinde geschah dies fast zehn Jahre nachdem das Kantonsgericht Letztere dazu verbrummt hatte.
Die aufwendigen Messungen und Sondierbohrungen durch ein Ingenieurbüro bestätigten zwar Suters Angaben, wonach die Deponie überfüllt sei. Sie sorgten letztlich aber zusätzlich für böses Blut. Suter monierte, dass gerade die Wasserverläufe im Rutschhang auf Geheiss des Auftraggebers nicht hinlänglich untersucht worden seien. Die Baselbieter Baudirektion ist hingegen überzeugt, mit dem Bericht ihre Pflichten erfüllt zu haben. Die Gemeinde Hemmiken muss noch im laufenden Jahr ein Baugesuch zur Deponiebewilligung einreichen, um den heutigen rechtswidrigen Zustand zu legalisieren.
Nun will der Bauer in die Politik. Er kandidiert für den Landrat im Wahlkreis Gelterkinden. Und er tut dies für die Baselbieter Grünliberalen. «Was dachten Sie, für wen ich kandidiere? Für die SVP? Die tut schon lange nichts mehr für die Landwirtschaft», sagt er. Schon vor acht und auch vor vier Jahren sei er angefragt worden, für den Landrat zu kandidieren. Im dritten Anlauf haben die Grünliberalen seine Gunst erhalten. Seit Kurzem ist Suter Parteimitglied, er sei schon immer ein Naturfreund gewesen.
Erster Melkroboter der Region
Als Suter 1990 den Hof Maiberg von seinem Vater übernahm, stellte er den Betrieb bald auf Bio um. Damals hielt der Hof rund 50 Stück Vieh, heute sind es mindestens dreimal so viel. Suter sieht sich als Pionier in der hiesigen Landwirtschaft. Er sei einer der Ersten gewesen, die biologisch produzierte Milch an einen Grossverteiler lieferten. «Als ich meinen Freilaufstall baute, gab es noch kein einziges Blatt Papier mit behördlichen Vorgaben.» Sein Wissen eignete er sich mit der Lektüre von damals international anerkannten Publikationen an. Suter war in der ganzen Nordwestschweiz auch der Erste, der seine Kühe mit einem vollautomatischen Roboter melkte.
Nach rund zehn Jahren stieg er allerdings wieder aus der biologischen Produktion aus. «Es gab immer mehr Auflagen und bei gewissen Themen waren mir diese einfach zu stur. Bei jedem Wetter hätte ich die Tiere auf die Wiese schicken sollen, auch wenn sie mir dabei den Boden kaputt gemacht hätten.» Viel entscheidender für seinen Ausstieg war allerdings etwas anderes: «Als das ‹Gstürm› auf dem Wischberg begann, hatte ich keine Zeit mehr für die intensive Bio-Produktion.»
Sein grünes Gewissen hat ihn derweil nicht verlassen. «Jahrzehntelang haben wir unseren Planeten schlecht behandelt. Jetzt haben wir Probleme mit dem Klima», sagt er. Schuld daran trage auch das kapitalistische Denken, dem er sich als Unternehmer allerdings verbunden fühle – ein Grund, warum sich Suter letztlich für die glp und nicht für die Grünen entschieden hat. «Die Grünen interessieren sich nicht dafür, woher das Geld für den Naturschutz kommt. Die glp versucht hingegen, Kapitalismus und Naturschutz zu verbinden. Das macht sie für mich interessant.»
Hector Herzig, Präsident der Baselbieter glp, bestätigt: «Wir suchen nach der Balance zwischen Ökologie und Ökonomie.» Verantwortung solle nicht allein der Staat übernehmen, sondern jedes Individuum. «Wir setzen auf Eigenverantwortung», so Herzig. Über die Kandidatur Suters freut sich der Parteichef. «Suter ist eine bekannte Person und eine, die polarisiert – ein Mann mit Ecken und Kanten.»
Aber welche Themen liegen dem Hemmiker Bauern am Herzen? Ist es ihm ernst mit der Kandidatur? «Es ist mir sehr ernst», sagt er. «Wir müssen durch entsprechende Bildung ein Fundament schaffen, das es uns ermöglicht, auf sich ändernde klimatische Bedingungen zu reagieren. Das hat höchste Priorität.» Über weitere politische Ziele hält er sich aber bedeckt: «Erst einmal abwarten, ob ich überhaupt eine Stimme bekomme.» Rückhalt bei der Hemmiker Bevölkerung geniesst er wegen seiner Schadensersatzforderungen schon lange nicht mehr. Sogar die Kinder auf der Strasse hätten ihm zu den schlimmsten Zeiten die Zunge rausgestreckt.
Mängel in der Tierhaltung behauptet
Mit Alfred Suter hat sich die glp jemanden ins Boot geholt, der gerade beim Thema Tierschutz nicht über alle Zweifel erhaben ist. Ende 2017 kam er in die Schlagzeilen, weil der Kanton seine Tierhaltung bemängelte. Das Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) liess unangemeldete Hofkontrollen durchführen und behauptete, teilweise schwerwiegende Mängel bei der Hygiene vorgefunden zu haben. Suter gestand kleine Mängel ein und erklärte, wegen einer Grippe habe er zu dieser Zeit nur die nötigsten Aufgaben erledigen können. Viele Vorwürfe wies er aber zurück, auch weil sie von mangelndem Sachverstand der Kontrollbehörden zeugten. «Die Kontrolleure sprachen etwa von schweren Entzündungen bei Kühen, ohne überhaupt Fieber gemessen zu haben.»
Das ALV drohte in der Folge, eine Halbierung seines Viehbestands zu verfügen, ist von der entsprechenden Umsetzung mittlerweile aber abgekommen, wie Rolf Wirz, Sprecher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD), sagt. Das heisst: Weitere Kontrollen auf dem Hof haben offensichtlich keinen Anlass zu Beanstandungen seitens Kanton mehr gegeben.
Das Vorgehen der Kantonsbehörde in diesem Fall wurde von Medien teilweise stark kritisiert. Suter ist überzeugt, dass man ihn mit einer Machtdemonstration und mittels haltloser Vorwürfe vom Hof vertreiben wollte, um sich damit auch gleich des Problemfalls Deponie Wischberg zu entledigen. Allerdings habe man sich da den Falschen ausgesucht. «Wenn ich merke, dass mich jemand über den Tisch ziehen will, wehre ich mich», sagt er. «Regierungsrat hin, Chefbeamter her.» Das sei denn auch ein Grund, warum man ihn am 31. März wählen sollte: «Ich vertrete meine Meinung und stehe für das Gesagte ein. So will ich das verloren gegangene Vertrauen der Basis in die Politik zurückholen.»