Die Farnsburg wird saniert
30.11.2018 Bezirk Sissach, OrmalingenDer Landrat bewilligt 5,1 Millionen Franken
sda./tho. Der Entscheid im Landrat ist gestern mit 75 zu 0 Stimmen gefallen: Die Burgruine Farnsburg kann saniert und langfristig gesichert werden. Die Kosten werden von der Regierung auf 5,1 Millionen Franken ...
Der Landrat bewilligt 5,1 Millionen Franken
sda./tho. Der Entscheid im Landrat ist gestern mit 75 zu 0 Stimmen gefallen: Die Burgruine Farnsburg kann saniert und langfristig gesichert werden. Die Kosten werden von der Regierung auf 5,1 Millionen Franken veranschlagt.
Die Burgruine befindet sich zwar in Privatbesitz, der Kanton hat jedoch eine Unterhaltspflicht. Viele Mauerpartien und Treppenstufen der um 1330 erbauten Farnsburg lösen sich langsam auf. Gebaut wurde die Burg aus wenig witterungsbeständigem Hauptrogenstein. Vor 16 Jahren war schon die südöstliche Vorburg umfassend saniert worden. 2013 folgte aus Sicherheitsgründen eine dringliche Sanierung eines Teils der markanten Schildmauer.
Die Farnsburg wurde vom Grafen von Thierstein erbaut. 1461 kam sie an die Stadt Basel, die dort einen Landvogteisitz einrichtete. Beim Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft wurde die Burg 1798 geräumt und als «Symbol der Unterdrückung» in Brand gesteckt.
Kaum jemand kennt die Geschichte der Zerstörung der Farnsburg so genau wie der ehemalige Baselbieter Staatsarchivar Matthias Manz. Für die «Volksstimme» blickt er in der heutigen Ausgabe 220 Jahre zurück.
Die Zerstörung der Farnsburg: Schlusspunkt der Basler Revolution
Die Ruine wird langfristig gesichert – das Schloss hat in der regionalen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt
Der Landrat hat gestern einstimmig einen Kredit über 5,1 Millionen Franken für die Sicherung und die Sanierung der Ruine Farnsburg oberhalb von Ormalingen beschlossen. Das stolze Schloss war vor 220 Jahren im Zuge einer Revolution im Stand (Kanton) Basel niedergebrannt worden. Historiker Matthias Manz erhellt für die «Volksstimme» die Hintergründe dieses historischen Ereignisses.
Matthias Manz
Es ist der 8. Januar 1798. An diesem späten Montagnachmittag sitzt Anna Margareth Hagenbach, die Frau des Landvogts, auf der Farnsburg in der Schlossküche. Aber es ist nicht wie an anderen Tagen, denn Dutzende von aufgebrachten Männern aus Arisdorf, Hersberg und Nusshof stehen und sitzen ihr gegenüber, während der Landvogt, Johann Franz Hagenbach, wie von den Männern verlangt, im Schlossarchiv alte Urkunden sucht.
Die Landbevölkerung ist seit Langem der Meinung, dass die Basler Obrigkeit in den zurückliegenden Jahrzehnten und Jahrhunderten ihren Untertanen immer mehr Rechte entzogen und immer mehr Steuern und erzwungene Dienstleistungen (Fronen) auferlegt habe. Die Wiedererlangung der «alten Freiheiten» war das Ziel, das sich die Landbevölkerung für ihre Zukunft erhoffte. An diesem Montag kündigt sich eine dramatische Wende in der Basler und Baselbieter Geschichte an. In weniger als zwei Wochen wird die alte Obrigkeit in Basel weggefegt und das Schloss Farnsburg in Flammen aufgegangen sein. Am 8. Januar geht die Konfrontation zwischen aufmüpfigen Landleuten und dem verhassten Landvogt aber noch glimpflich aus: Hagenbach händigt den Männern zwei Folianten mit alten Urkunden aus, und sie ziehen wieder ab.
Im Sog der Revolution
Bis zum Beginn der Französischen Revolution 1789 bestand im Stand Basel unangefochten die hergebrachte Ordnung. Politische Rechte genossen einzig die in Zünften organisierten Männer der Stadt Basel. Die Bevölkerung der Landschaft war untertan und besass lediglich auf lokaler Ebene beschränkte Selbstverwaltungsrechte. Die städtischen Herren führten durch ihre sieben Landvögte ein strenges, bevormundendes Regime. Politische Aufmüpfigkeit wurde rigoros unterbunden und geahndet. Der Stand Basel umfasste erst die 69 reformierten Landgemeinden; die katholischen Gemeinden des Birsecks unterstanden dem in Pruntrut residierenden Fürstbischof von Basel und stiessen erst 1815 zum Kanton.
Die Revolution in Frankreich gab der Entwicklung von Basel und der Schweiz eine völlig neue Richtung. Einerseits verbreitete sich unter der Parole «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» die Idee der Volksherrschaft gegen die bestehenden Monarchien und gegen die Aristokratien (wie die Schweizer Stände). Andererseits entwickelte sich Frankreich in der militärischen Auseinandersetzung mit den Monarchien Österreich, Preussen, Russland und England zu einer aggressiven, imperialistischen Grossmacht. Frankreich setzte sich zum Ziel, die angrenzenden Staaten von der Lombardei über die Schweiz bis zu den Niederlanden gleichzuschalten und als militärische Aufmarschgebiete gegen seine mächtigen Gegner zu benützen. In diesem Zug wurde das Fürstbistum Basel 1792 erobert, 1797 wurden das bis anhin österreichische Elsass und das Fricktal von Frankreich abhängig. An der Wende zum Jahr 1798 war der Stand Basel im Süden, Westen und Norden von französischem Einflussgebiet umgeben, und die französische Politik drängte darauf, dass sich die Schweiz der neuen Zeit anschliessen und den Interessen Frankreichs unterwerfen müsse.
Die Spaltung der Basler Obrigkeit
Eine vorerst noch kleine Gruppe von Basler Politikern unter der Führung von Oberstzunftmeister Peter Ochs kam zum Schluss, dass die Schweizer Stände ihre politischen Systeme revolutionieren sollten und sich den Interessen des mächtigen Nachbars nicht widersetzen könnten. Anders als in Frankreich sollte die Revolution in Basel aber von oben geführt und nicht gewaltsam vor sich gehen.
Unter dem Druck Frankreichs und dem Schutz des revolutionär gesinnten Teils der Obrigkeit wurde es möglich, dass sich aufmüpfige Untertanen vom Land zunehmend offen und straflos für eine politische Umwälzung in Basel aussprechen konnten. Am Neujahrstag 1798 fand in Basel ein grosses «patriotisches» Mahl mit 120 revolutionär gesinnten Männern statt, darunter verschiedene französische Politiker und Militärs und 16 Untertanen aus der Landschaft. Bei ihrer Rückkehr auf das Land wurde von den Teilnehmenden die Kunde verbreitet, dass Freiheit und Gleichheit nicht nur eine ferne Parole, sondern gleichsam vor der Türe stehe. Der damaligen Landbevölkerung muss diese Aussicht sensationell vorgekommen sein, und viele dürften diesen Verheissungen nicht recht getraut haben. Denn im Verständnis der bisherigen Untertanen müsste «Freiheit» ja die Befreiung von den Dutzenden von Steuern, Gebühren, Fronen und Einschränkungen bedeuten, die der Bevölkerung von der Obrigkeit auferlegt worden waren. «Gleichheit» müsste nicht nur gleiche politische Rechte mit sich bringen, sondern dass die Landschaft nicht mehr den grössten Teil des Staatsapparats finanzieren müsste, wie man glaubte. Transparenz über die öffentlichen Finanzen war deshalb eine wichtige Forderung der Zeit.
Die Revolution nimmt Fahrt auf
Als der französische Geschäftsträger in der Schweiz, Joseph Mengaud, am 8. Januar von Basel durch das Baselbiet reiste, wurde er in Liestal und in Sissach begeistert begrüsst und seine Kutsche von jungen Burschen, «vive la nation» rufend, begleitet. Diese öffentlichen Kundgebungen waren der Auslöser für den eingangs erwähnten Zug der Arisdörfer zum Schloss Farnsburg, um Dokumente über ihre alten früheren Rechte herauszufordern.
In «normalen» Zeiten hätte die Basler Obrigkeit auf solche Aufmüpfigkeiten hart und kompromisslos reagiert und die betreffenden Männer umgehend ins Gefängnis geworfen. Angesichts der schwierigen politischen Situation konnte sich der Basler Rat aber nur dazu entschliessen, Delegationen auf die Landschaft zu schicken, um mehr über die Anliegen der Untertanen zu erfahren. Am 9., 10., 13. und 15. Januar wurden Delegationen losgeschickt. Dieses unentschlossene, ja ratlose Vorgehen der alten Obrigkeit führte dazu, dass sich die revolutionär Gesinnten in der Stadt und auf dem Land zunehmend besser und in aller Öffentlichkeit organisieren konnten und schliesslich die Oberhand im Stand Basel errangen. Am 16. Januar beschloss der Grosse Rat in Basel, dass eine paritätische Kommission von 30 Männern über die Zukunft des Standes Basel beraten sollte. Die Untertanen aus der Landschaft sollten ihre Mitglieder selbst wählen und gleich viele Mitglieder stellen wie die bisherigen Herren. An diesem Tag wurde in Liestal ein Freiheitsbaum errichtet und die Basler Fahne vom Rathaus heruntergerissen. Damit war der Machtkampf um die Zukunft zugunsten der Revolution entschieden. Am 20. Januar 1798 beschloss der Grosse Rat in aller Form, die Freiheit und Gleichheit von Stadt und Land anzuerkennen. Die entsprechende Urkunde wurde den Landvertretern zwei Tage später in Liestal feierlich übergeben.
Die Zerstörung der Farnsburg
Wie beschrieben, war die Basler Revolution eine sanfte und unblutige Revolution, gelenkt von einem vorsichtig taktierenden revolutionsfreundlichen Teil der Elite zu Stadt und Land. Ganz ohne Getöse und Gewalt ging dieser Prozess aber gleichwohl nicht vonstatten: Am 17. Januar ging Schloss Waldenburg in Flammen auf. Am gleichen Tag mobilisierten die revolutionären Landvertreter 2000 Milizsoldaten für einen Marsch gegen Basel. Am 21. Januar wurde die Farnsburg und zwei Tage später Schloss Homburg niedergebrannt.
Die Kunde von der Zerstörung der Waldenburg alarmierte natürlich den Herrn auf der Farnsburg. Über die Ereignisse auf der Farnsburg sind wir durch einen Augenzeugenbericht von Pfarrer Markus Lutz recht gut informiert. Lutz war damals Vikar in Rothenfluh und wurde von Hagenbach gerufen, um die Räumung des Schlosses zu überwachen. Lutz traf am Donnerstagmorgen, 18. Januar, ein und fand eine grosse Anzahl Männer im Schloss vor, die den Landvogt und seine Familie bedrängten. Im Durcheinander gelang es dem Landvogt und seiner Familie, unterstützt von baseltreuen Landleuten, unbehelligt vom Schloss zu flüchten. Dass der Landvogt von einem Bauern, in einer Hutte versteckt, den Farnsberg hinuntergetragen worden sei, dürfte ein spöttisches Gerücht auf Kosten des gehbehinderten Landvogts gewesen sein, das sich mit der Zeit zu einer Sage verdichtete. Denn wenn gleichzeitig das Schlossarchiv, das landvögtliche Mobiliar, die Ehefrau und das Personal mit Ross und Wagen evakuiert wurden, leuchtet es nicht ein, weshalb der Landvogt in einer Hutte transportiert worden sei.
Als die Landleute realisierten, dass sich der Landvogt unbemerkt davongemacht hatte, gerieten sie in eine umso grössere Wut. Sie plünderten den ganzen Weinvorrat, was Pfarrer Lutz zur sarkastischen Bemerkung veranlasste: «Die Freiheit hatte den Weg zu des Landvogts Fässern gefunden.» Lutz hebt denn auch die Wirkung des masslosen Weinkonsums als Grund für die nachfolgende Zerstörung des Schlosses hervor. Was an Türen, Fenstern, Fensterläden und Schränken noch vorhanden war, wurde in den folgenden Tagen von Aufständischen abtransportiert. Danach wurden die verbliebenen Einrichtungen zerschlagen und das Schloss in der Nacht zum Montag angezündet. Das Feuer habe noch tagelang gebrannt, wie Lutz berichtet.
Weshalb diese Zerstörung?
Man mag sich fragen, weshalb denn die drei Schlösser zwischen dem 17. und 23. Januar 1798 zerstört wurden, obschon der Machtkampf bereits am 16. Januar zugunsten der Revolutionäre entschieden war und der Grosse Rat am 20. Januar 1798 der Landschaft Freiheit und Gleichheit gewährt hatte. Es sind vor allem drei Gründe zu beachten: Erstens das Misstrauen der Landbevölkerung. Diese war von der Basler Obrigkeit jahrhundertelang als unmündig und unterlegen behandelt worden, und nun sollte plötzlich alles anders sein? Dieser rasche und «schmerzlose» Zusammenbruch der alten Ordnung war derart unerwartet gekommen, dass Vorsicht naheliegend war. Zudem waren Gerüchte in Umlauf, dass die Altgesinnten Truppen von Bern und Solothurn angefordert hätten. Aus Angst, dass die Revolution gewaltsam gestoppt werden könnte, war von den Baselbieter Revolutionären die Miliz aufgeboten worden. Und mit dem Anzünden der Schlösser sollte ein sichtbares Zeichen gesetzt werden, dass die Revolution unumkehrbar war.
Zweitens müssen wir uns vergegenwärtigen, dass die Geschwindigkeit und Ausbreitung der Kommunikation eine völlig andere war ohne Radio, Fernsehen, Social Media, Eisenbahn, Auto und Fahrrad. Personen bewegten sich in der Regel zu Fuss von Dorf zu Dorf, ausnahmsweise zu Pferd oder mit einer Kutsche auf schlechten Naturstrassen. Informationen und Gerüchte brauchten mindestens einen Tag, um den Kanton Basel zu durchqueren, nur dringende Nachrichten konnten gezielt durch einen Reiter innert Stunden verbreitet werden. Bis also eine Information aus den Machtzirkeln der Stadt auf der ganzen Landschaft verbreitet war, konnte es mehrere Tage dauern. Um dem Informationsdefizit der Bevölkerung zu begegnen, wurden nach der Revolution von 1798 die Pfarrer angehalten, jede Woche nach der Predigt das Amtsblatt mit den neusten Gesetzen und wichtigsten Gerichtsurteilen zu verlesen.
Und drittens spielte Rache eine Rolle beim Burgenbruch – an den Basler «Gnädigen Herren» oder an den Nachbarn. Schloss Waldenburg soll vor allem von Reigoldswilern angezündet worden sein, um es den Waldenburgern «zu zeigen», die bisher den Landvogt beschützt und zu ihm gehalten hatten. Treibende Kraft der Schlossbrände dürften jeweils die unverheirateten jungen Männer («Burschen») gewesen sein, bisweilen angetrieben vom Alkohol, wie wir bei der Farnsburg gesehen haben.
Matthias Manz war 1987 bis 2000 Staatsarchivar des Kantons Basel-Landschaft. Seine Doktorarbeit befasst sich mit der Zeit, in der sich der Schlossbrand ereignete («Die Basler Landschaft in der Helvetik 1798– 1803. Über die materiellen Ursachen von Revolution und Konterrevolution». Liestal 1991). Manz lebt heute in Aarau.