Werden die Trottoirs bald hochgeklappt?
19.10.2018 Baselbiet, Wintersingen, Wirtschaft, Bezirk SissachDas Kunstcafé ist Geschichte – als Treffpunkt bleibt das Bistro
Der Beizenschwund – das Problem vieler Dörfer. Wintersingen verfügt mit 19 Vereinen über ein vielfältiges Vereinsleben. Doch bei den Beizen ist die Auswahl bescheiden. Nach der Schliessung des Kunstcafés bleibt den ...
Das Kunstcafé ist Geschichte – als Treffpunkt bleibt das Bistro
Der Beizenschwund – das Problem vieler Dörfer. Wintersingen verfügt mit 19 Vereinen über ein vielfältiges Vereinsleben. Doch bei den Beizen ist die Auswahl bescheiden. Nach der Schliessung des Kunstcafés bleibt den Wintersingern aber das Bistro als Dorftreffpunkt erhalten.
Nelly Anderegg
«Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verkaufen wir unser Sammelsurium aus Raritäten und Kostbarkeiten», erzählt Marianne Scheidegger. Von Antik über Jugendstil bis hin zu den 80er-Jahren ist auf ihrem Hausflohmarkt jeder Stil vertreten. Bilder, Kleinmöbel, Porzellan und allerhand Nippes bieten sie feil.
Für das Ehepaar Scheidegger ist es ein Abschied auf Raten. Was sich vor langer Zeit abzeichnete, ist nun Realität geworden. Marianne Scheideggers Traum vom eigenen Café ist nach vier Jahren ausgeträumt. Ihr Kunstcafé ist seit Juli nur noch nach telefonischer Anmeldung offen, regelmässige Öffnungszeiten gehören seither der Vergangenheit an. Die Nachfrage bei der Bevölkerung war einfach zu gering. «Es ist müssig, darüber nachzudenken, warum es so gekommen ist», sagt Ernst Scheidegger. Das Ehepaar schaut nach vorne.
Loslassen von Orten und Dingen
Auch das grosse Haus mit der Scheune steht zum Verkauf. Zu gross wird die Belastung, die mit der Pflege und dem Unterhalt des Anwesens verbunden ist, denn das Ehepaar Scheidegger ist nicht mehr ganz so jung. «Für mich ist es ein Prozess des Loslassens», erzählt Marianne Scheidegger, «meinem Mann fällt es glücklicherweise umso leichter, sich von Orten und Dingen zu trennen.» Beide schwärmen von der guten Luft und der wunderschönen Gegend rund um Wintersingen. Trotzdem wollen sie wegziehen. In einen grösseren Ort, wo sie mit ihrem Kunstschaffen näher beim Publikum sind.
Nun gehen sie wieder einmal mehr «an d’Säck». Seit Wochen sind sie mit Aussortieren beschäftigt. Was wegmuss, was in den Verkauf kommt oder was sie schliesslich behalten wollen, das entscheiden sie gemeinsam.
Fein säuberlich präsentieren sich die Trouvaillen im Tenn und in den Räumen des Cafés. Dort warten sie auf eine Käuferschaft. Alles in allem sei der Verkauf gut angelaufen, sagen Scheideggers. Auch die Stühle des Kunstcafés stehen zum Verkauf. Gegen das lokale Beizensterben auf dem Land scheint kein Kraut gewachsen. Die Schliessung des Kunstcafés ist symptomatisch dafür und nur ein Beispiel von vielen. Doch es gibt auch Lichtblicke. Zumindest in Wintersingen.
Bistro bleibt Treffpunkt
Als Dorftreffpunkt bleibt das Bistro erhalten. Ein Nachfolger konnte für den im Frühling in Rente gehenden Wirt Valentin Mena gefunden werden. Die Wintersinger müssen also nicht, wie zunächst befürchtet, auf dem Trockenen sitzen. Aufatmen beim Gemeinderat und der Dorfbevölkerung.
Daniel Meier ist nun seit Juni der neue Wirt im einzigen Lokal des Dorfs. Er ist ein Wintersinger, wohnt aber ausserhalb. Dieser zeigt sich mit der bisherigen Frequentierung des Bistro «Träffpunkt» zufrieden. Als zusätzliche Starthilfe sieht er auch die Erlassung der Miete im ersten Jahr. Das habe er mit dem Gemeinderat so vereinbart, so Meier.
Allerdings will er keine längerfristige Prognose stellen. «Ich bin noch in der Testphase», erklärt der neue Gastgeber, «was bei den Leuten gut ankommt und was nicht, wird sich erst noch zeigen», meint er weiter. Bisher bietet er ein Mittagsmenü an, das er zwischen vier bis zwölf Mal täglich verkauft. An Spitzentagen seien es gar schon 20 gewesen. Nachmittags flaue der Betrieb jeweils ab. Dafür seien die Abende gut besucht, denn dann kehren die Dorfvereine und der Gemeinderat bei ihm ein.
Entwarnung also. Vorerst werden in Wintersingen die Trottoirs nicht hochgeklappt. Ausser an Samstagen, denn dann bleibt das Bistro «Träffpunkt» geschlossen.