Vom schönen und vom guten Wetter
25.09.2018 GesellschaftThomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Sie kennen sicher auch die täglichen Wettergespräche am Radio. Die Moderatorin fragt die Wetterexperten von Meteoschweiz ständig nach der Sonne, also dem «schönen» Wetter. Und wenn ...
Thomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Sie kennen sicher auch die täglichen Wettergespräche am Radio. Die Moderatorin fragt die Wetterexperten von Meteoschweiz ständig nach der Sonne, also dem «schönen» Wetter. Und wenn es endlich einmal regnet, kommt sofort die Frage, wann und wo wieder die Sonne scheint. Das ist die typische Haltung der in Städten und Agglomerationen wohnenden Menschen, die das Wetter in erster Linie in seiner Qualität für die Freizeit wahrnehmen. Der Regen ist sozusagen das lästige «Beigemüse» unseres Klimas.
Wir leben zum Glück im gemässigten Klima. Dieses zeichnet sich durch meistens moderate Temperaturen, das nur seltene Auftreten von langen und intensiven Kälte- und Hitzeperioden sowie eine mehr oder weniger regelmässige Verteilung der Niederschläge aus. Das hat unschätzbare Vorteile für die Natur und die Wirtschaft. Alle wirtschaftlich erfolgreichen Regionen der Welt liegen in der gemässigten Klimazone und deren Randgebieten Richtung Süden und Norden. Unser Klima fördert die Aktivität der Menschen. Es ist bekannt, dass die Arbeitsproduktivität bei Temperaturen über 23 Grad kontinuierlich abnimmt. Der Wechsel der Jahreszeiten schafft Abwechslung und Lebensraumvielfalt. Der regelmässige Regen erfrischt und bringt das lebensnotwendige Wasser. Fast immer nur Sonne ist keine schöne Vorstellung. Gut ist das Wetter, wenn es immer wieder regnet.
Es ist ja verständlich, dass sich die meisten Erholungs- und Eventmenschen über die lange sonnenreiche Zeit freuen. Wer in und mit der Natur arbeitet, ist dagegen vom diesjährigen Sommer nur begrenzt begeistert. Die (zu) lang anhaltende Hitze und Wärme und die seit April weit unterdurchschnittlichen Regenmengen haben unangenehme Folgen: Futtermangel in Graswirtschaftsbetrieben, grosse Schäden im Wald; Gemüse, das nicht richtig wächst oder schiesst; Quellen, die nicht mehr genug Wasser bringen und zu warme Gewässer. Ein weiterer solcher Sommer, besonders nach einem Winterhalbjahr mit wenig oder nur durchschnittlichen Niederschlagsmengen, wäre ein massives Problem.
Nicht nur dieser Sommer deutet darauf hin, dass unser Klima mit dem Wandel mediterraner wird. Das bedeutet lange Hitze- und Trockenperioden, mehr extreme Hitze, unstetige Regenfälle, mehr Starkregen, die vor allem schaden und wenig nützen, Wassermangel, geringere Futtererträge, mehr Energiebedarf für die Kühlung und so weiter. Auch die Arbeitswelt wird sich im negativen Sinn anpassen müssen: Zum Beispiel mit unproduktiven Pausen in der heissesten Zeit des Tages und der Verlagerung schwerer Arbeiten in die Zeit von Mitternacht bis zum Sonnenaufgang. Das mediterrane Klima hat eben nicht nur eine Schokoladenseite.
Wetten: Wenn endlich die benötigten Regenschauer fallen, wird der Moderator schon am nächsten Tag die Wetterexpertin fragen, wo denn die Sonne bleibt. Es wäre gut, wenn wenigstens in den öffentlichen Medien nicht ständig eine solch einseitige Sicht auf das Wetter kultiviert würde.