Seit 100 Jahren elektrisch
28.09.2018 Sissach«Tribelhorn» ist noch immer in Fahrt
vs. 10 Stundenkilometer beträgt die Höchstgeschwindigkeit des Tribelhorn-Elektrolastwagens aus dem Hause der Mineralquelle Eptingen. 100 Jahre alt ist das Fahrzeug heute. Und das 10 PS starke Gefährt läuft noch immer. Erst ...
«Tribelhorn» ist noch immer in Fahrt
vs. 10 Stundenkilometer beträgt die Höchstgeschwindigkeit des Tribelhorn-Elektrolastwagens aus dem Hause der Mineralquelle Eptingen. 100 Jahre alt ist das Fahrzeug heute. Und das 10 PS starke Gefährt läuft noch immer. Erst vergangenes Wochenende hatte es einen Einsatz am Memorial-Bergrennen in Steckborn.
Die Elektromobilität war auch schon zur Bauzeit des «Tribelhorns» auf dem Vormarsch – nicht erst seit Twike, Tesla und dem Energie-Experiment in Anwil. Doch um 1925 bedeuteten die aufkommenden Diesel- und Benzinmotoren das vorläufige Ende des Booms.
Im Gegensatz zu heute waren die Reichweiten der Elektromotoren früher deutlich kleiner. Der «Tribelhorn» schafft mit seiner rund 1500 Kilogramm schweren Batterie rund 40 Kilometer.
100-jährig und fi t wie eh und je
Tribelhorn-Elektrofahrzeuge gibt es nicht erst seit Twike und Tesla
Der Tribelhorn-Elektrolastwagen aus dem Hause der Mineralquelle Eptingen ist soeben von einem weiteren «Arbeitseinsatz» zurückgekehrt. Er war viel bestaunter Ehrengast am diesjährigen Memorial-Bergrennen in Steckborn.
Philipp Widmer
Für derart weite Strecken war der seltene Zeitzeuge vor 100 Jahren nicht konzipiert worden. Deshalb durfte der «Tribelhorn» auf einem Transportanhänger aufsitzen. Aber auch dieses Gefährt wurde von einem Senior, einem FBW mit Jahrgang 58 aus dem Fundus des Fuhrparks der Mineralquelle Eptingen, nach Steckborn und zurück gezogen. Mit einer gut riechbaren Dieselfahne halt, aber Dieselund Benzinmotoren haben die boomende Elektromobilität zu Anfang des 20. Jahrhunderts um 1925 jäh beendet.
Es war eine Zeit, als sich Dampf-, Elektro- und Verbrennungsmotoren einen offenen Wettlauf um die Zukunft der Antriebsformen lieferten. Schliesslich galt es, die allgegenwärtigen Pferdefuhrwerke an Effizienz zu übertreffen. Mithilfe von Pferden beförderte auch die Brunnenverwaltung Eptingen, wie das 1899 gegründete Unternehmen damals noch hiess, abgefülltes Wasser vom Bad Eptingen an den Bahnhof von Sissach.
In vorausschauender Weise befasste sich die Unternehmensleitung schon früh mit den neuen Techniken der Mobilität. Die Wahl fiel auf die modernen Elektrolastwagen des Unternehmens Johann Albert Tribelhorn mit Sitz in Feldbach am Zürichsee. Die Manufaktur stellte mit 70 bis 100 Mitarbeitern ausschliesslich Elektrofahrzeuge her, meist in Einzelanfertigung. Dazu wurde auch vorgängig der genaue Verwendungszweck abgeklärt.
10 PS, 10 Stundenkilometer
Ein Exemplar mit der Chassis-Nummer 355 leistete im Oberbaselbiet treue Dienste bis 1982 – und fährt noch immer! Das leer 4,15 Tonnen wiegende Fahrzeug verfügt über 10 PS. Es erreicht mit seinem mächtigen Kettenantrieb und je zwei Fahrstufen vorwärts und rückwärts rund 10 Stundenkilometer und hat etwa 40 Kilometer Reichweite. «Abwärts nach Sissach gehts etwas schneller, aber an der grössten Steigung auf dem Weg nach Eptingen, nach der Bahnunterführung Richtung Zunzgen, dafür deutlich langsamer», erklärt Heinrich Uebelhart und lacht. Der Elektroingenieur widmet sich mit vollem Einsatz der Pflege des einmaligen Veterans und fährt ihn auch regelmässig.
Bei der erwähnten Höchstgeschwindigkeit ist eine Autobahnvignette müssig, aber auf den übrigen Strassen darf das Gefährt zirkulieren. Das Fahrzeug glänzt nach einer aufwendigen Restauration wieder wie neu und wurde 2011 frisch vorgeführt. Das erledigt jeweils die MFK im luzernischen Kriens. Dies deshalb, weil in Luzern ebenfalls noch ein «Tribelhorn» als Hotelbus verkehrt, aber vor allem, weil sämtliche Unterlagen der Firma sowie zwei Fahrzeuge im Verkehrshaus Luzern gelagert sind und ein technischer Austausch mit dem Museum gepflegt wird.
Ladezeit: sieben Stunden
Wie bei hochaktuellen Elektrofahrzeugen auch, ist die Ladestation ein unerlässliches Zubehör für den «Tribelhorn». Seine rund 1500 Kilo schweren Bleibatterien liefern 100 Volt Gleichstrom. Und dieser kommt nicht aus der Steckdose, der muss zuerst produziert werden. Die Original-Ladestation von 1918 übernimmt diesen Job noch immer. In einem grossen Schrank verstaut, treibt ein Wechselstrom-Elektromotor von ABB einen Gleichstrom-Dynamo an, der die Bleiakkus direkt im Fahrzeug auflädt. «Rund sieben Stunden dauert dies», erzählt Uebelhart und schliesst den Ladeschrank wieder zu. «Es ist noch die einzige, funktionsfähige Ladestation dieser Art in der Schweiz, ein originales Zeitdokument. Das fasziniert mich», gerät er fast ins Schwärmen.
Uebelhart und natürlich dem traditionsbewussten Eigentümer Jörg Buchenhorner ist es zu verdanken, dass diese historischen Zeitzeugen noch immer ihren Dienst verrichten können.