Reduktion unerwünscht
28.09.2018 Anwil, BaselbietWeniger Gemeinderäte helfen kaum bei Vakanzen
wis. «Mehr Geld für Zürich: 7 statt 9» hat die Initiative geheissen, die am vergangenen Sonntag von der Stadtzürcher Bevölkerung deutlich (61,8 Prozent) abgelehnt worden ist. Die Initianten wollten in der Zürcher ...
Weniger Gemeinderäte helfen kaum bei Vakanzen
wis. «Mehr Geld für Zürich: 7 statt 9» hat die Initiative geheissen, die am vergangenen Sonntag von der Stadtzürcher Bevölkerung deutlich (61,8 Prozent) abgelehnt worden ist. Die Initianten wollten in der Zürcher Exekutive, dem Stadtrat, zwei Personen streichen und die Arbeit neu auf nur sieben Räte aufteilen. Dies sollte zu einer umfassenden Reform der Verwaltung führen und deren Effizienz steigern. Die Basler FDP fordert aktuell analog: 5 statt 7 Regierungsräte.
Anwil hat gut 400 000 Einwohner weniger als Zürich, die Überlegungen, die zur Abstimmung in der Wirtschaftsmetropole geführt haben, macht man sich aber auch im Oberbaselbiet. Gemeinderat Peter Brügger gibt sein Amt per Ende Jahr ab. Er hat öffentlich die Meinung geäussert, dass ein Dreier-Gremium für die 600-Seelen-Gemeinde ausreichen würde. Die Anwiler Exekutive zählt fünf Mitglieder.
Auf den ersten Blick würde eine Reduktion von Gemeinderäten ein akutes Problem lösen: Es müssten weniger Kandidaten gefunden werden, die sich für das Amt zur Verfügung stellen. Doch die Idee stösst in einer Umfrage bei einigen Gemeinderäten auf wenig Gegenliebe. Der Grund: Egal, wie viele Personen die Arbeit erledigen, die Aufgaben bleiben dieselben. Eine Verkleinerung der Gremien wäre also nur unter der Bedingung möglich, dass das Pensum der verbleibenden Räte erhöht wird.
Für den Rickenbacher Gemeindepräsident Mathias Huber ist klar: Dies liesse sich nur mit einer besseren Entlöhnung für das Amt oder mit einer massiven Aufstockung der Verwaltung realisieren. Bei den beiden Massnahmen handelt es sich um Schritte, für die sich die Bevölkerung kaum begeistern lassen würde.
Kleine Räte gegen Personalmangel
Weniger Gemeinderäte würden Ausbau der Verwaltung bedingen
Peter Brügger tritt aus dem Anwiler Gemeinderat zurück. Seiner Meinung nach braucht Anwil keine fünf Räte, drei würden genügen. Vertreter verschiedener Dorf-Exekutiven sind anderer Meinung: Eine Reduktion würde einen Ausbau der Pensen und der Verwaltung bedeuten.
Alfred Kohli
Der Anwiler Gemeinderat Peter Brügger, der sein Amt auf Ende Jahr abgeben wird, hat den Gedanken geäussert, dass für eine Gemeinde von der Grösse Anwils ein Gremium bestehend aus drei Räten genügen könnte. Es gibt im Kanton tatsächlich einige Gemeinden, die mit nur drei Gemeinderäten auskommen. Aber diese Gemeinden – zum Beispiel Kilchberg, Nusshof, Hersberg oder Liedertswil – haben alle weniger als 400 Einwohner und oft kaum eine andere Wahl. Anwil mit fast 600 Einwohnern wäre mit nur drei Gemeinderäten eher eine Ausnahme und würde den Wechsel freiwillig vollziehen. Die Einwohner müssten der Änderung allerdings erst noch zustimmen.
Peter Brügger betont denn auf Nachfrage auch, dass die Idee mit den drei Ratsmitgliedern nur seine persönliche Meinung sei, und Gemeindepräsident Ernst Möckli bestätigt, dass eine Verkleinerung im Gemeinderat bisher nie zur Diskussion gestanden habe. Als Brügger dieser Gedanke kam, war für die Ersatzwahl vom vergangenen Sonntag noch keine Kandidatur bekannt. Da liegt die Frage nahe, ob es nicht einfacher wäre, Kandidaten für einen verkleinerten Gemeinderat zu finden.
Die Meinungen verschiedener aktiver und ehemaliger Räte diesbezüglich ist allerdings ziemlich klar. So ist Mathias Huber, Gemeindepräsident von Rickenbach, der Ansicht, dass eine Verkleinerung nur unter der Bedingung möglich wäre, dass entweder die Entschädigung für das Amt auf eine marktgerechte Entlöhnung angehoben, oder dann die Verwaltung massiv aufgestockt werden müsste. Beides käme die Gemeinde teuer zu stehen.
Mehr Arbeit für weniger Räte
Dieser Überlegung liegt der Gedanke zugrunde, dass das Arbeitsvolumen kaum kleiner würde und folglich einfach anders verteilt werden müsste. Dies könnte auf eine Teil-Professionalisierung des Gemeinderats hinauslaufen – eine Entwicklung, die nicht alle Einwohner schätzen würden. Huber glaube auch nicht, dass es weniger Probleme dabei gebe, geeignete Einwohner für ein solches Amt zu finden. Bedenken äussert er auch, ob drei Ratsmitglieder in einer heterogenen Gemeinde das Meinungsspektrum in der Bevölkerung jeweils noch ausreichend abdecken würden.
Ernst Grieder, langjähriger Gemeindepräsident von Kilchberg mit viel Erfahrung in einem Dreiergremium, sieht diese Grösse auch eher kritisch. Es gebe seiner Meinung nach genügend Arbeit für fünf Gemeinderäte, aber in einer kleinen Gemeinde ist dies personell und finanziell nicht machbar. Er hat aber in seinen 18 Jahren im Amt mehrmals erlebt, dass bei einem Rücktritt nicht gleich ein Ersatz gefunden werden konnte und die ganze Arbeitslast den zwei Verbleibenden zufiel. In Kilchberg hätten sie sich glücklicherweise auf die tatkräftige Unterstützung der gemeinsamen Verwaltung mit Zeglingen und Rünenberg verlassen können und dieser Verbundsverwaltung auch einige Aufgaben delegieren können. Mehrmals seien sie aber nur knapp dem Schicksal von Hersberg entgangen.
Dort waren im Jahr 2008 nach den Wahlen zwei von drei Sitzen unbesetzt geblieben und der Gemeinderat war handlungsunfähig geworden. Der Regierungsrat bewilligte dem einzigen Gemeinderat, für zwei Monate beschlussfähig handeln zu dürfen. Als die Lücken auch nach dieser Zeit nicht gefüllt werden konnten, setzte der Kanton den ehemaligen Regierungsrat Erich Straumann als «Vormund» ein.
Vom Verein der Oberbaselbieter Gemeinden, der ab Frühling 2019 mit einer Geschäftsstelle mit einem circa 30-Prozent-Pensum dafür besorgt sein soll, die Zusammenarbeit und die verschiedenen Projekte und Geschäfte in der Region voranzutreiben, erwartet Grieder kaum eine Entlastung der Gemeinden. Er sieht es als ersten Schritt, aber seiner Meinung nach müsste dieses Gebilde mittelfristig die Aufgaben der Gemeinden ganz übernehmen und diese ersetzen.
Es stellt sich wohl noch die Frage, ob ein Dreiergremium mit grösserem Pensum effizienter arbeiten könnte, als fünf Mitglieder mit Minimalpensen. Im Prinzip wohl ja; das würde aber bedingen, dass die drei nach den erforderlichen Kriterien, die ein Gemeinderat erfüllen muss, um seine Aufgaben meistern zu können, ausgewählt würden und nicht einfach das Ergebnis demokratischer Wahlen wären. Da dies nicht möglich ist, kann eine allfälliger Effizienzsteigerung durch Arbeit in kleinem Team andere Nachteile kaum wettmachen.