Das Leiden unserer Wälder
25.09.2018 GesellschaftMaya Graf, Nationalrätin Grüne, Sissach
Erzähle ich Kollegen im Bundeshaus, dass es im Baselbiet seit gut drei Monaten nicht mehr richtig geregnet hat, schauen mich viele ungläubig an. Nicht alle Regionen der Schweiz erleben eine solch ...
Maya Graf, Nationalrätin Grüne, Sissach
Erzähle ich Kollegen im Bundeshaus, dass es im Baselbiet seit gut drei Monaten nicht mehr richtig geregnet hat, schauen mich viele ungläubig an. Nicht alle Regionen der Schweiz erleben eine solch aussergewöhnliche Trockenzeit mit sengenden Hitzetagen. Dieser Sommer erreichte fast die Temperaturen von 2003, dem wärmsten Sommer seit Beginn meteorologischer Messungen im 18. Jahrhundert. Während es in den Bergen und Voralpen immer wieder ausgiebige Gewitter gab, ist die Lage in der Region Basel prekär. Nicht nur für die Landwirtschaft, wo viele Bauernbetriebe kein frisches Futter und kein Weidegras mehr für ihre Tiere haben, auch Wasser wird vielerorts knapp.
Unter der Trockenheit leidet auch der Wald. Bereits Ende Juli informierte das Amt für Wald beider Basel über abgestorbene Buchen und abgebrochene Grün äste und mahnte zur Vorsicht auf Waldwegen. Geregnet hat es in der Zwischenzeit so wenig, dass der Waldboden nie richtig durchnässt wurde. Es knistert und raschelt, nicht vorstellbar, wenn da ein Funke mal ins Laub gerät. Immer wieder höre ich im nahen Wald Bäume umstürzen – ein Ächzen, ein gewaltiges Krachen und dann Stille im Holz. Es ist erschreckend und traurig, dass wir kurzfristig nichts dagegen tun können. Auch die Öffentlichkeit scheint kaum mehr Interesse am Leiden von Natur und Bäumen zu haben. Haben wir uns schon daran gewöhnt, dass sich jedes Jahr die Hitzerekorde jagen?
Der Wald ist dem Klimawandel besonders drastisch ausgeliefert. Bäume, die heute keimen und heranwachsen, werden bereits im mittleren Alter in einem stark veränderten Klima bestehen müssen. Bäume können sich nicht so schnell anpassen wie wir Menschen. Sie können sich weder schützen noch wegrennen. Sie sind standortgebunden. In Zukunft werden manche Baumarten wie die Fichte oder die Buche nicht mehr bei uns wachsen können. Andere, wie die Traubeneiche, ertragen Trockenheit besser.
Wälder nehmen Kohlenstoffdioxid auf und bremsen so den CO2-Anstieg in der Atmosphäre. Eine Studie mit Beteiligung der Universität Zürich zeigt, das gelingt umso besser, je artenreicher der Baumbestand ist. Derweil läuft der Klimawandel so schnell ab, dass fraglich ist, ob sich der Wald ohne menschliche Eingriffe daran anpassen und seine wichtigen Aufgaben wie Holzproduktion, vielfältiger Lebensraum, Sauerstofflieferant, Wasserspeicher oder Erholungsraum weiterhin erbringen kann. In der Schweiz beträgt die Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung bereits rund 1,9 Grad. Mit der im Klimaübereinkommen von Paris angestrebten Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad kommen weitere 1 bis 2 Grad hinzu.
Die Waldbewirtschaftung muss auf diese Veränderungen ausgerichtet werden. Die wichtige Aufgabe, unsere Wälder zu erhalten, beschränkt sich nicht auf die Waldeigentümer. Wir alle stehen in der Verantwortung. Wir alle müssen den CO2-Ausstoss durch eigenes Verhalten und durch politisch ambitioniertes Handeln drastisch senken. So helfen wir nicht nur dem leidenden Wald, sondern auch uns selbst.