AUSGEFRAGT | ANTONIO FERRARO, «MARRONI-MANN», ZUNZGEN
28.09.2018 Gesellschaft«Am Ton höre ich, ob sie gut geröstet sind»
Immer wenn der Herbst naht, steht er wieder mit seinem gelben, umgebauten Post-Lieferwagen beim Kreisel in Gelterkinden oder in der Begegnungszone in Sissach: der «Marroni-Mann» Antonio Ferraro. Bald ...
«Am Ton höre ich, ob sie gut geröstet sind»
Immer wenn der Herbst naht, steht er wieder mit seinem gelben, umgebauten Post-Lieferwagen beim Kreisel in Gelterkinden oder in der Begegnungszone in Sissach: der «Marroni-Mann» Antonio Ferraro. Bald nicht mehr. Er hört auf und sucht einen möglichen Nachfolger.
Sander van Riemsdijk
Ganze 17 Jahre lang gehört der Zunzger Antonio Ferraro, im Volksmund der «Marroni-Mann» genannt, an jeweils zwei Tagen in der Woche zum vertrauten Dorfbild von Gelterkinden und Sissach. Bald 80-jährig, ist für ihn nun die Zeit gekommen, um endgültig die Marroni an den Kastanienbäumen hängen zu lassen. Fehlen wird der «Marroni-Mann» mit dem gelben Bus bestimmt. Die «Volksstimme» sprach mit ihm.
«Volksstimme»: Herr Ferraro, was hat Sie vor 17 Jahren dazu bewogen, zum Marroni-Verkäufer «auf der Gasse» zu werden?
Antonio Ferraro: Meine Frau und ich führten einen Laden für italienische Spezialitäten an der Rössligasse in Gelterkinden. Schon damals röstete ich zwei- bis dreimal in der Woche vor dem Laden Marroni. Aufgrund gesundheitlicher Probleme verbrachte ich fast ein Jahr im Spital. Letzteres führte zur Schliessung des Ladens. Als Bauernsohn bin ich in Avellino, einer Provinz in Süditalien, die wegen der Edelkastanien bekannt ist, aufgewachsen. Schon damals röstete ich Marroni. Dieses Hobby habe ich hier weitergeführt.
War es eine schwierige Umstellung, als Sie Ihren Laden aufgaben?
Nein. Ich liebe den Kontakt zu den Leuten und dieser bleibt mir nach Aufgabe des Geschäfts in Gelterkinden dank der Marroni erhalten. Anfangs hatte ich einen VW-Bus mit einem Zelt. Im Winter konnte es schon mal sehr kalt werden. Auf Empfehlung meines Sohnes habe ich dann 2005 den jetzigen Lieferwagen, einen ehemaligen Postlieferwagen, gekauft und zu einem Verkaufswagen umbauen lassen. Darum die gelbe Farbe.
Warum hören Sie auf?
Ich werde bald 80. Zum Glück geht es mir gesundheitlich noch gut. Aber ich möchte nach insgesamt 32 Jahren Arbeit im Laden und unterwegs mit dem Verkaufswagen einen Strich ziehen und mich vermehrt meinen Hobbys Radfahren, der Pflege des Gartens und dem Jassen im Verein Cris in Sissach widmen.
Was haben Sie an der Arbeit mit dem Verkaufswagen besonders geschätzt?
Den Kontakt zu den Leuten und zu meinen Stammkunden. Ich kenne unterdessen viele Menschen in Gelterkinden und Sissach. Der Verkauf von Marroni ist ja eines meiner Hobbys; ich bin nicht auf den Verdienst angewiesen und kann meine Zeit selber einteilen.
Was für eine Rolle spielen die Marroni in ihrem Leben?
Eine grosse Rolle. Ich backe sie immer noch nach Grossmutters Art, nämlich mit Kohlen und nicht mit Gas, wie dies oft gemacht wird. Dass die Marroni gut geröstet ist, sieht man eigentlich an ihrer Farbe. Ich höre das jedoch schon am Ton, wenn ich sie in der Bratpfanne kehre.
Vor einiger Zeit standen die Kastanienbäume negativ in den Schlagzeilen.
Ja, den Bäumen ging es gar nicht gut. Sie waren von der aus China stammenden Kastaniengallwespe befallen und dadurch sehr geschwächt. Viele Baumstöcke gingen kaputt. Die Ernte fiel entsprechend mager aus.
Wie reagieren Ihre Kunden auf Ihren Entschluss, aufzhören?
Die Kunden sind einerseits traurig und finden es sehr schade, dass ich aufhöre. Anderseits zeigen sie für meine Entscheidung grosses Verständnis. Mir wird die Arbeit nicht fehlen, da bin ich sicher. Die Menschen jedoch werde ich vermissen, denn über die Jahre habe ich wunderbare Freundschaften aufbauen können.
Sie bieten den Wagen mit gesamtem Inventar schon seit längerer Zeit zum Verkauf an. Finden Sie keinen Nachfolger?
Es ist schwierig. Es gab zwar schon einige Interessenten. Man verdient nicht viel und die Arbeit ist umständlich. Zudem muss die Partnerin oder der Partner hinter der Arbeit stehen, sonst geht es gar nicht. Dank der Unterstützung meiner Frau und meiner Familie konnte ich 17 lange Jahre mit meinen Marroni «auf der Gasse» stehen.
Wann ist der «Marroni-Mann» definitiv Geschichte?
Nächstes Jahr am Sissacher Frühlingsmarkt ist definitiv Schluss. Sollte ich aber vorher einen Käufer finden, höre ich sofort auf. Ich danke jetzt schon all meinen Kunden für ihre Treue.
«Brot der Armen»
svr. Die Marroni-Nussfrucht wächst an der Edelkastanie (Castanea sativa), einem sommergrünen Baum, den man hauptsächlich im Süden von Europa antrifft. Die Marroni haben einen hohen Gehalt an Kohlenhydraten, waren bis Ende des 19. Jahrhunderts das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung und wurden das «Brot der armen Leute» genannt. Als Lebensmittel haben sie unterdessen an Bedeutung verloren. Heute ist die Marroni eher eine Speise für «zwischendurch».