Römer mit Geschmack – Kantonsarchäologie mit neuen Ergebnissen
31.08.2018 Baselbiet, Ormalingen
Yvonne Zollinger
«Wir sind die Feuerwehr», sagt Kantonsarchäologe Reto Marti und meint damit den Umstand, dass die Archäologen in den meisten Fällen unter Zeitdruck stehen, wenn irgendwo bei einem Aushub alte Mauern oder Artefakte zum Vorschein kommen. So ...
Yvonne Zollinger
«Wir sind die Feuerwehr», sagt Kantonsarchäologe Reto Marti und meint damit den Umstand, dass die Archäologen in den meisten Fällen unter Zeitdruck stehen, wenn irgendwo bei einem Aushub alte Mauern oder Artefakte zum Vorschein kommen. So auch in Ormalingen am Gaissacker. Mit den Baggern im Rücken, die auf den Baustart warteten, förderten die Archäologen im Eiltempo das Badehaus einer römischen Villa zutage. Das Gutshaus selbst war schon mehr als hundert Jahre zuvor vom Ormalinger Pfarrer Fritz La Roche gefunden und kartografiert worden. Als die Überbauung am Gaissacker bevorstand, war daher anzunehmen, dass sich die Baggerzähne in die römischen Mauern fressen würden.
Die Archäologen datieren die Villa auf das erste Jahrhundert nach Christus. Sie gehört damit, im Vergleich zu anderen Villen im Baselbiet, zu einer der ältesten. Und sie war überraschend feudal, ja sogar luxuriös ausgestattet. Das zeigt sich an der Bauweise und der Einrichtung des Badehauses. Badehäuser dienten den Römern nicht nur zur Hygiene und Entspannung, sondern hatten auch eine soziale Funktion, schreiben die Archäologen in ihrer Dokumentation zum Fund. Man habe sich ausgetauscht und gespielt, um so dem Alltag für eine Weile zu entfliehen. Dazu passt der Fund eines Spielsteins im Bereich des Badehauses.
Eine teurer Luxus
Das Gebäude in Ormalingen wies alle typischen Elemente eines römischen Badehauses auf. Eine sogenannte Hypokaustheizung war gleichzeitig Boden- und Wandheizung. Der Fussboden stand auf Pfeilern. Geheizt wurde mit Rotbuche. Grosse Mengen Holz waren nötig, um das Badehaus angenehm warm werden zu lassen, das Anheizen konnte mehrere Tage dauern. «Ein solches Bad zu bauen und zu betreiben war kostspielig», heisst es im Jahresbericht.
Dass die Gutsfamilie wohlhabend war, zeigt ein weiteres Fundstück. Eines der Steinplattenfragmente stammt von der griechischen Insel Skyros. Nach seiner langen Reise bis nach Ormalingen sei der zu dünnen Platten gesägte bunte Stein vermutlich als Deckenverkleidung verwendet worden.
Das Badehaus wurde im Laufe seiner Nutzung mehrfach um- und ausgebaut, davon zeugen Mauerreste früherer Bauphasen. Die Ausgrabung hat gezeigt, wie umsichtig die römischen Baumeister dabei vorgegangen sind. Weil sie Probleme mit dem Hangwasser hatten, hat man die Mauern im Bereich der Heizung mit Ziegelschrotmörtel verputzt, der einerseits wasserdicht war und andererseits die dahinterliegenden Mauersteine vor der Hitze und somit vor dem Zerspringen schützte.
Irgendwann im 3. Jahrhundert packten die Bewohner der Villa aus heute ungeklärten Gründen ihre Siebensachen und verliessen den Gutshof. «Damals begann eine kriegerische Zeit», sagt Marti. Der Rückzug aus Ormalingen könne damit zu tun gehabt haben.
Von April bis Juli vergangenen Jahres waren die Archäologen mit der Ausgrabung in Ormalingen beschäftigt. Es ist im Kanton die erste mit modernen Methoden durchgeführte Untersuchung eines römischen Badehauses seit fast 50 Jahren.
Archäologie in 3D
yzo. Die Archäologie Baselland hat ihre Internetseiten neu gestaltet. Unter www.archaeologie.bl.ch kann man sich einen umfassenden Überblick über Ausgrabungen, Funde, Bauforschung und archäologische Ausflugsziele machen. Das Besondere dabei ist die 3D-Animation. Fundstücke können virtuell von allen Seiten betrachtet werden. Fundstätten wurden mit 3D-Scannern und Drohnen erfasst und erlauben dem Betrachter ebenfalls einen virtuellen Besuch von archäologischen Grabungen und Burgen.