MEINE WELT
10.08.2018 GesellschaftLernen – mal anders
Reisen bildet. Deshalb verfrachteten wir diesen Sommer unseren Teenager unter elterlicher Obhut nach Peru. Das verwöhnte Jung-Schweizerchen sollte einmal die weniger satte Welt auf der anderen Seite der Kugel entdecken. Für ihn in ...
Lernen – mal anders
Reisen bildet. Deshalb verfrachteten wir diesen Sommer unseren Teenager unter elterlicher Obhut nach Peru. Das verwöhnte Jung-Schweizerchen sollte einmal die weniger satte Welt auf der anderen Seite der Kugel entdecken. Für ihn in jeder Beziehung eine Herausforderung. Eltern, deren Entdeckertrieb sich als schlicht unkontrollierbar erwies, 11-stündige Busfahrten ohne WLan, freilaufende Hundemeuten, lokale Märkte mit viel rohem Fleisch, aber ohne Kühlregal, Quinoa statt Klöpfer. Das schlimmste aber: Eltern, die – statt sich am Strand in Luft aufzulösen – mit dem Velo durch die Wüste fuhren, ständig Tonscherben, Inkamauern und Mumien gucken wollten und dafür einen Jungen im Wachstum täglich um 5 Uhr morgens aus den Federn holten. Riesenmotten und Geckos in einer Dschungel-Lodge ohne feste Wände, rationierter Strom, Höhenkrankheit, kalte Duschen. Der perfekte Sommernachtsalbtraum für jeden Teenager.
Das pädagogische Ziel war jedoch höhergesteckt. Primär ging es darum, dass man in weniger reichen Gesellschaften schon sehr viel früher in die Selbstverantwortung kommen muss. Nur gerade 20 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu Kranken- und Sozialversicherungssystemen. Wasserversorgung hängt für viele Zuzüger in den Städten von der Geldbörse ab. Der Klimawandel schlägt in diesem Teil der Welt in der vollen Konsequenz durch. Das Grundwasser ist ebenso rar geworden wie die einstmals grossen Gletscher in den Anden. Kinder laufen meilenweit zur einzigen Schule, wenn ihre Eltern sie nicht zum Arbeiten aus der Schule nehmen. Den Verdienst eines Anden-Landwirtes hat ein Schweizer Teenager schnell mal ausgegeben.
Der Reichtum des Landes ist die Landwirtschaft, die auch in 4000 Metern Höhe funktioniert, aber von Hand erwirtschaftet werden muss. Die Gold- und Silberminen sind zum überwiegenden Teil ausverkauft an ausländische Investoren. Ein wesentlicher Teil Perus gehört nicht mehr den Peruanern. In den Flüssen des Amazonasgebietes wird Gold gewaschen, der Anteil Quecksilber, der für diesen Prozess verwendet wird, beträgt ein Mehrfaches des Goldanteils, der dabei gewonnen werden kann. Das Quecksilber wird in die Flüsse geleitet und vergiftet den Artenreichtum ebenso wie die Indigenen, die sich ihr Wasser aus den Flüssen holen.
Mein Sohn konnte erfahren, dass all diese Probleme nicht etwa in Stillstand münden – im Gegenteil. Die Peruaner sind ein stolzes Volk mit einem grossartigen kulturellen Erbe, das sich keineswegs nur auf Machu Pichu beschränkt. Das Inkareich war während unseres Mittelalters ein perfekt organisierter Zentralstaat mit bis zu 12 Millionen Einwohnern. Peru und Südamerika stehen zu Unrecht im Windschatten der Weltpolitik. Denn die Probleme sind nicht so unterschiedlich zu Europa, wie man meinen könnte.
Was mein Teenager von dieser Reise mit in sein Leben nimmt? Frau wird es sehen. Lehren ist die Kunst, entdecken zu helfen.
Petra Huth ist Politikwissenschaftlerin und Ökonomin. Die deutsche Staatsangehörige lebt seit 1993 im Baselbiet und seit 1999 in Anwil.