Das «Dorfbeizli» hängt am seidenen Faden

  10.08.2018 Baselbiet, Bezirk Sissach, Wenslingen

Otto Graf

Das «Dorfbeizli», abgesehen vom «Leimenstübli» die einzige verbliebene Gastwirtschaft in Wenslingen, steht vor einer ungewissen Zukunft. Denn die Wirtin Elsbeth Schmutz – Bethli, wie ihr die Gäste und Leute, die sie kennen, sagen – hat mit 64 Jahren das Pensionsalter erreicht. Sie geht deshalb Ende dieses Monats in den Ruhestand. Definitiv, betont sie. «Es ist ausserordentlich schwierig, eine geeignete Person zu finden, die das Restaurant in Pacht weiterführt», sagt sie weiter. Auf die Ausschreibungen hätten sich zwar Interessierte gemeldet, sich aber dann aus teilweise fadenscheinigen Gründen – Wenslingen sei zu abgelegen – wieder zurückgezogen.

Von Abgelegenheit keine Spur. Beim Besuch der «Volksstimme» am späten Nachmittag ist der Stammtisch in der schattigen Gartenwirtschaft mit Männern aus dem Dorf, aber auch aus den Nachbargemeinden bis hin nach Gelterkinden, vollbesetzt. Und aus der Gaststube verabschiedet sich gerade eine ansehnliche Seniorengruppe. Wirtschaftlich laufe das «Dorfbeizli», so der offizielle Name, gut, bestätigt die Wirtin. Das Lokal, rechnet sie vor, werfe genügend ab, um mindestens zwei Personen zu ernähren. Oft liege es an den Finanzen, wenn eine Beiz dicht macht. «Bei uns ist das definitiv nicht der Fall», stellt sie klar.

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Bethli ist selbst in einer Dorfbeiz aufgewachsen. In der seit vielen Jahren geschlossenen «Eintracht» in Wenslingen. Sie weiss, wovon sie spricht. Vor 19 Jahren kauften sie und ihr Mann Philipp an der Hauptstrasse ein Bauernhaus direkt neben der Postautohaltestelle und bauten dieses, ohne mit der grossen Kelle anzurichten, in eine heimelige Dorfbeiz um. Im Mai 2002 gab der Zapfhahn erstmals Bier her. Das bodenständige «Dorfbeizli» entwickelte sich für Einheimische und zugewandte Orte rasch zum beliebten Treffpunkt im gut 700 Seelen zählenden Dorf auf der Hochebene.

Ein Funken Hoffnung bleibt, dass es vielleicht doch noch zu einem guten Ende kommt und die abtretende Wirtin eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger findet. «Andernfalls», sagt Schmutz, «werden wir die Gastwirtschaft in Wohnraum umnutzen.»

Sie ziehe sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Geschäft zurück. Lachend, weil sie persönlich wesentlich mehr Freiräume haben wird, was sie sich schon lange wünsche. Weinend, falls es keine Nachfolgelösung gibt, weil ein bedeutendes Element der dörflichen Gemeinschaft verschwinde. Viele Gäste, sagt sie, hätten sie ermuntert, weiterzumachen, bis eine Lösung gefunden sei. «Doch ich bin ein Mensch der klaren Entscheidungen. Am 31. August ist Schluss, so schmerzhaft das für meine Gäste und für mich auch sein wird», bekräftigt Schmutz. Die 16 Jahre als Wirtin auf dem «Dorfbeizli» bezeichnet sie als schönen, bereichernden Lebensabschnitt, verbunden mit vielen Erinnerungen an die treue Kundschaft oder an die «Gaschtig», wie es der Baselbieter treffender ausdrückt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote