AUSGEFRAGT - URS SCHULER, VELOSAMMLER, ARISDORF
24.08.2018 Gesellschaft«In meinem ‹Museum› reiht sich Velo an Velo»
Urs Schuler spricht lieber von seiner Veloscheune als von einem Velo-Museum, in der er heute Abend in Arisdorf allen Interessierten seine Sammlung zeigt. Der passionierte Radfahrer kennt sich auch in der ...
«In meinem ‹Museum› reiht sich Velo an Velo»
Urs Schuler spricht lieber von seiner Veloscheune als von einem Velo-Museum, in der er heute Abend in Arisdorf allen Interessierten seine Sammlung zeigt. Der passionierte Radfahrer kennt sich auch in der Geschichte des Velos aus.
Jürg Gohl
Wenn der 64-jährige Urs Schuler heute ab 17 Uhr an der Hauptstrasse 67 für Freunde und Interessierte sein Velomuseum öffnet, ist sich der langjährige und inzwischen pensionierte Dorfschullehrer bewusst, dass viele Freunde und Besucher eher wegen Bier, Bratwurst und Bretzel kommen als wegen seiner Sammlung alter Fahrräder. Anlass zum kleinen Velofest gab ihm einerseits der 200. Geburtstag des Velos und zudem die Ausstellung von Bildern des Arisdörfer Fotografen Josef Schaub, für die Schulers alte Vehikel als Kulisse dienten. Schuler besitzt, wie er schätzt, rund 150 Velos und wird nicht einmal die Hälfte davon in seinem Schopf zeigen. Seine Veloscheune hat er einst zu seinem privaten Museum umgebaut.
«Volksstimme»: Herr Schuler, Sie öffnen heute Ihr Museum mit der Begründung, dass 1818, also vor 200 Jahren, das Velo zur Welt kam. Dieses Jubiläum wurde aber bereits vor einem Jahr weltweit gefeiert. Wer liegt da falsch?
Urs Schuler: Niemand. Der Deutsche Karl Drais war ein vielseitiger Erfinder und experimentierte bereits ab 1813 mit Fahrgeräten. 1817 führte er seine Laufmaschine erstmals vor, die es ihm erlaubte, ohne zusätzliche Kraftquelle eine Wegstrecke doppelt so schnell wie Fussgänger zurückzulegen. 1818, also vor 200 Jahren, liess er seine Laufmaschine in Frankreich patentieren. Das Geniale an der Erfindung war die Erkenntnis, dass nicht nur doppelspurige Fahrzeuge, etwa Kutschen, als Fortbewegungsmittel taugen, sondern auch einspurige, sobald genügend Geschwindigkeit hinzukommt. Das ist eine Art Ei des Kolumbus und die Grundlage der Zweiräder von heute. Drais soll ein begeisterter Schlittschuhläufer gewesen sein. Vielleicht ist er deshalb zu dieser revolutionären Erkenntnis gelangt. Das Patent erhielt er übrigens für ein Velocipede, also für einen «Schnellfuss». Daher auch der Schweizer Ausdruck Velo. Kurz: Drais nochmals zu feiern, ist durchaus gerechtfertigt.
Was weckte in Ihnen das Interesse an alten Fahrrädern und an der Geschichte des Velos?
Ich sitze selber gerne auf dem Fahrrad. Doch der Auslöser war ein Erlebnis in meiner Jugend. Als ich 16 Jahre alt war, schenkte mir ein Nachbar ein altes Tandem, das ungenutzt in seinem Stall stand. Die Räder hatte er bereits verkauft, und so musste ich sie für 20 Franken beim Käufer zurückholen. Mit dem örtlichen Velomacher – das gab es damals noch – baute ich das Fahrrad zusammen, und als ich 18 Jahre alt war, fuhr ich mit Freunden mit diesem und einem weiteren Tandem bis nach Marseille.
Fast 50 Jahre später sind Sie Besitzer eines Museums. Ist diese Bezeichnung nicht etwas zu hoch gegriffen?
Natürlich trifft der Name nicht zu. Das Schild schenkten mir Freunde. Ich spreche lieber von meiner «Veloschüüre». Bei mir fehlen ganz klar der pädagogische Aspekt und Erklärungstafeln, das erledige ich lieber selber mündlich. Zudem ist die Ausstellungsfläche viel zu klein. In meinem «Museum» reiht sich einfach Velo an Velo.
Wie viele?
Die Sammelwut hat mich ergriffen. Ich besitze mittlerweile rund 150 Fahrräder. Es ist nicht gerade wie beim berühmten Eisberg, von dem man nur einen Zehntel zu sehen bekommt. 50 bis 60 davon werden an meiner Vernissage aber schon gezeigt. Man soll ja nicht gleich erschlagen werden.
Ist Ihre «Veloschüüre» ein rein privater Raum, oder melden sich immer wieder mal Besucher?Verschiedene Leute kennen mein Faible, und so melden sich immer wieder einmal ein Veloverein oder andere Gruppen an, die vorbeischauen wollen. Auch passiert es, dass jemand beim Vorbeifahren zufällig das Schild an der Scheune entdeckt und bei uns läutet. Bin ich zu Hause, gibt es natürlich eine Privatführung.
Nach welchen Kriterien suchen Sie aus, was Sie für die Gäste heute ausstellen wollen?
Ihnen soll ein Querschnitt der Velogeschichte geboten werden. Da zählen auch Rennvelos dazu. Zudem lege ich viel Wert auf Zweiräder aus der Region, damit die Gäste leichter einen Bezug herstellen können. Mein Hintergedanke dabei ist, dass mich ältere Besucher dafür mit neuen Informationen zu den Velos versorgen können. Gerade zu den Fünzigern weiss ich noch zu wenig.
Gibt es darunter ein Prunkstück oder einen Liebling?
Ja. Aber das kann ich nicht ausstellen, weil ich gerade damit beschäftigt bin, es zu reparieren. Es ist ein Niederrad der Marke Opel, gebaut zwischen 1887 und 1890. Es war die Antwort auf die Hochräder, und alles, vom Sattel bis zur Klingel, ist original. Ein paar Speichen müssen ersetzt werden. Wichtig ist mir, Velos zu reparieren, nicht zu restaurieren, das Velo also in seinem Originalzustand zu erhalten.
Wieso beschränken Sie Ihre Ausstellung auf einen Tag?
Ganz einfach: Am Samstag fahre ich nach Gstaad, wo sich rund 250 Angefressene, darunter viele frühere Radsport-Grössen, beim «Bergkönig» messen.
Auf einem historischen Fahrrad?
Ich habe mir in den Kopf gesetzt, die Strecke mit einem Dreigänger aus der Vorkriegszeit zu bewältigen. Das wird hart. Ich trainiere.
Benutzen Sie auch im Alltag bisweilen eines Ihrer alten Velos?
Natürlich. Kürzlich fuhr ich mit meinem 80 Jahre alten «Mondia» an den «Poetry Slam» in Augusta Raurica. Das Rad läuft tadellos. Mit dem gleichen Velo fuhr ich an das «Mondia»-Treffen in Balsthal, das ich organisiert hatte – und natürlich zurück. An steilen Stellen musste ich allerdings schieben.