Ein Herz für den Hochstamm
13.07.2018 HemmikenDamit das Chiirssi nicht am Baum verkommt
Die Rechnung geht finanziell kaum auf. Und doch halten viele Produzenten den Kirschen vom Hochstamm die Stange. Denn nach wie vor schwören viele Konsumentinnen und Konsumenten wegen der Wähen, Konfitüre und Destillate auf die alten ...
Damit das Chiirssi nicht am Baum verkommt
Die Rechnung geht finanziell kaum auf. Und doch halten viele Produzenten den Kirschen vom Hochstamm die Stange. Denn nach wie vor schwören viele Konsumentinnen und Konsumenten wegen der Wähen, Konfitüre und Destillate auf die alten Sorten.
Otto Graf
Alfred Sutter lässt seine Hochstammkirschen nicht hängen. Seit Jahren pflegt und nutzt der Gemeindepräsident von Hemmiken seine Obstbäume. Derzeit sind es genau 179 Hochstämme, wie der Blick in seinen Laptop zeigt. Auf mehr als der Hälfte baut er Kirschen an, etwa die Sorten Basler Langstieler, Holinger, Brenzer, Lauber und Grenzacher. Letztere kennt man anderswo, nicht jedoch in Hemmiken, auch unter dem Namen «Hemmiker». Warum das so ist, weiss der Hobby- und Freizeitbauer, wie er sich selber nennt, nicht. Der Rest entfällt auf Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und Nussbäume.
Ausserdem besitzt Sutter eine Halbstammanlage, in der unter anderem die berühmte Schauenburger oder die Rosmarin gedeihen. Jährlich pflanzt er etwa zwanzig junge Hochstämme ein und ersetzt so die abgehenden Bäume. «Jeder Baum geht einmal ab», betont er. Um ein Veröden der Landschaft zu vermeiden, sei es unumgänglich, laufend junge Bäume einzubringen. Die ältesten Kirschbäume, sagt er, habe schon sein Grossvater genutzt. Sie seien wohl mehr als hundert Jahre alt, meint er ehrfürchtig. Da die Buchführung nur bis fünfzig Jahre zurück reicht, ist das Alter der Bäume, die vorher schon dastanden, nicht genau bekannt.
Die Hochstammfrüchte lassen sich kaum als Tafelkirschen vermarkten, weil der Handel auf grossfruchtige Sorten setzt. Da fallen die erwähnten und weitere Sorten buchstäblich durch das Raster, weil sie die vorgeschriebene Grösse nicht erreichen. Dafür eignen sich die alten Sorten hervorragend für Wähen, Konfitüre, Kompott, zum Sterilisieren im Einmachglas, zum Brennen und natürlich zum Verzehren als frische Frucht.
Für Gottes Lohn
Finanziell geht die Rechnung nur auf, weil Alfred Sutter für das Abernten der Hochstammernte ausschliesslich auf Familienangehörige und Bekannte zurückgreifen kann, denen er keine Barlöhne ausrichten muss. Denn der Verkaufspreis vermag die Kosten für das Pflegen der Bäume und das Abernten der Früchte kaum zu decken. Das Bekämpfen der Schädlinge, beispielsweise der Kirschenfliege oder der Kirschessigfliege, ist aufwendig. Hochstämme lassen sich im Gegensatz zu Halb- oder Niederstammanlagen nicht einnetzen.
«Alle arbeiten für Gottes Lohn, etwa für ein Glas Honig, den eigenen Bedarf an Kirschen oder für eine Flasche Kirsch», rechnet er vor. Ein grosser Teil der Früchte wandert ungestielt zum Einmaischen ins Fass. Für die Brennerware gilt ein fixer Nettopreis für die ganze Dauer der Ernte. Für sortenreine Brennkirschen gibt es sogar noch einen Zuschlag. So gerechnet, spricht der Hemmiker Gemeindepräsident von einem Nullsummenspiel, das je nach Behang der Bäume mehr oder weniger aufgeht. Heuer stimmt die Rechnung dank der grossen Ernte und des trockenen Wetters zur Erntezeit einigermassen.
Doch es gibt auch Private und Gastwirtschaftsbetriebe, die spezifisch nach den aromatischen Hochstammkirschen fragen. So fährt eine Familie aus dem Kanton Zürich jedes Jahr eigens nach Hemmiken, um sich bei Sutter mit Früchten frisch vom Baum einzudecken.
Die Früchte einfach hängen zu lassen, kommt für den Produzenten nicht in Frage. In diesem Punkt sind sich Alfred Sutter und dessen Mutter, beide derzeit beim Kirschenpflücken im Gebiet Büel, einig.