Engagement aus Betroffenheit
29.03.2018 BaselbietMit der für Susanne Leutenegger Oberholzer nachrückenden Samira Marti besteht die Baselbieter Delegation im Nationalrat ab Herbst fast nur aus Politikern des oberen Kantonsteils. Die «Volksstimme» sucht nach Gründen.
Sebastian Schanzer
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Mit der für Susanne Leutenegger Oberholzer nachrückenden Samira Marti besteht die Baselbieter Delegation im Nationalrat ab Herbst fast nur aus Politikern des oberen Kantonsteils. Die «Volksstimme» sucht nach Gründen.
Sebastian Schanzer
Wenn in der Schweiz ein neuer Bundesrat gewählt werden soll, gilt es, neben der Geschlechterfrage auch die Forderung nach der angemessenen Vertretung aller Regionen im Rat zu berücksichtigen. Wie verhält sich dieser Anspruch aber bei den Vertretern eines Kantons im Nationalrat? Macht es für die Vertretung des Baselbiets im Bundesparlament einen Unterschied, ob die Politiker aus dem Oberbaselbiet, dem Laufental oder aus der Birsstadt kommen?
Die Frage stellt sich, weil mit der SP-Frau Samira Marti ab Ende Jahr sechs von sieben Nationalratsmandate durch Politiker aus dem oberen Kantonsteil besetzt sind. Marti rückt für die abtretende Susanne Leutenegger Oberholzer aus Augst in den Nationalrat nach. Dies allerdings, weil Kathrin Schweizer aus Muttenz lieber für die Baselbieter Regierung kandidiert, als künftig als Erstnachrückende der SP im Nationalrat zu politisieren.
Mit Maya Graf (Sissach),Thomas de Courten (Rünenberg), Sandra Sollberger (Bubendorf) und Daniela Schneeberger (Thürnen) stammen vier aktuelle Bundesparlamentarier der grossen Kammer aus dem Oberbaselbiet. Eric Nussbaumer und Samira Marti wohnen beide in Liestal. Einzig Elisabeth Schneider-Schneiter (Biel-Benken) kommt von unterhalb der Kantonshauptstadt, wo aber bedeutend mehr Menschen leben als oberhalb. Allein der Bezirk Arlesheim hat über 40 000 Einwohner mehr als die Bezirke Liestal, Sissach und Waldenburg zusammen.
«Reiner Zufall»
Ist die starke Vertretung des Oberbaselbiets im Nationalrat Zufall, oder verfügt der obere Kantonsteil über ungleich mehr politisch Interessierte als der untere und bringt entsprechend mehr wählbare Kandidaten hervor? Ein Blick auf die Wahlbeteiligung der vergangenen Nationalratswahlen zeigt: Bei den vier Wahlen konnte der Bezirk Sissach jeweils die höchste Beteiligung aufweisen. 49,7 Prozent gingen hier 2015 an die Urne – rund 3 Prozent mehr als im Bezirk Arlesheim. 2011 betrug dieser Unterschied sogar 4,5 Prozent.
Für SP-Nationalrat Eric Nussbaumer ist die aktuelle Oberbaselbieter Dominanz dennoch reiner Zufall. «Die Leute wählen ihre Vertreter im Bundeshaus nicht nach deren Herkunft», sagt er. Vielmehr müsse man den persönlichen Werdegang eines Politikers verfolgen, um auf dessen Wahlerfolg zu schliessen. Bei der Wahl von Thomas de Courten in den Nationalrat sei beispielsweise weniger dessen Wohnort Rünenberg entscheidend gewesen, als vielmehr sein Amt als Präsident der SVP-Landratsfraktion.
Das widerspricht allerdings nicht der These, dass das Oberbaselbiet ein fruchtbares Terrain für politisch Aktive ist. SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger argumentiert: «Man kennt sich in den Oberbaselbieter Dörfern meist persönlich und motiviert den einen oder anderen aktiver zum Engagement am politischen Geschehen.» Und auch ihre grüne Kollegin im Parlament, Maya Graf, ist überzeugt, dass die kleineren Strukturen, die vielen aktiven Vereine und Parteien eine politische Beteiligung begünstigten. «Zudem ist es so, dass sich die Leute im oberen Kantonsteil immer wieder aktiv für ein Anliegen mobilisieren lassen – jüngstes Beispiel: das ‹Läufelfingerli›. Im Unterbaselbiet ist diese direkte Betroffenheit weniger da.»
Abbau als Anstoss
Die künftig jüngste Nationalrätin Samira Marti, ursprünglich aus Ziefen, findet es indes erstaunlich, dass mit Graf, Nussbaumer und ihr selbst auch die linken Vertreter des Baselbiets aus dem eher bürgerlich tickenden oberen Kantonsteil stammen. «Für Linke sind die Chancen auf eine Polit-Karriere in den Agglomerationsgemeinden wahrscheinlich besser als hier oben.»
Ob die jetzige Konstellation unter den Baselbieter Nationalräten reiner Zufall ist oder nicht, sei aber schwer zu sagen. Sie selbst sei unter anderem durch die «Abbau-Strategie» des Kantons politisiert worden. «Als es zur Debatte stand, die Sekundarschule in Reigoldswil zu schliessen, war ich als Schülerin direkt betroffen», sagt sie. «Von da an begann ich mich für Politik zu interessieren. Und von solchen Sparmassnahmen ist natürlich die ländliche Region als allererste betroffen.»