Die Suche nach dem Neuen
29.03.2018 Bezirk LiestalRut Bischler kämpft mit Kunst gegen ihre Depressionen – und das seit 30 Jahren
In Kunstwerken verarbeitet Rut Bischler ihre schweren Depressionen und den jahrelangen sexuellen Missbrauch, der ihr in ihrer frühsten Kindheit widerfahren ist. Ihre Werke sind bis Juni im ...
Rut Bischler kämpft mit Kunst gegen ihre Depressionen – und das seit 30 Jahren
In Kunstwerken verarbeitet Rut Bischler ihre schweren Depressionen und den jahrelangen sexuellen Missbrauch, der ihr in ihrer frühsten Kindheit widerfahren ist. Ihre Werke sind bis Juni im Dichter- und Stadtmuseum in Liestal ausgestellt.
Caroline Füllemann
In den vielen Bildern, die Rut Bischler seit den 1990er-Jahren gezeichnet und gemalt hat, ist oft sie selbst abgebildet. Die Werke sind meist farbig, wirken fröhlich und harmonisch. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die traurige Geschichte, der Bischler in ihren Werken Ausdruck verleihen möchte. «Ich trage diese Bilder immer in meinem Inneren. Was auf ihnen dargestellt wird, ist die Wahrheit», sagt die Künstlerin. In ihren Werken versucht sie den sexuellen Missbrauch, der ihr in ihrer Kindheit widerfahren ist, und die dadurch ausgelösten schweren Depressionen zu verarbeiten.
«Ich habe mir überlegt, wie ich noch besser rüberbringen kann, was in mir vorgeht», antwortet die 80-jährige Frau auf die Frage, wieso sie mit dem Zeichnen begonnen hat. Erst nach 13 Jahren Therapie griff sie zu den Malutensilien, um ihr Inneres besser nach aussen zu tragen. Ein Teil ihrer Werke ist bis Juni zusammen mit illustrierten Aufzeichnungen aus den Jahren zwischen 1988 und 2000 im Dichter- und Stadtmuseum Liestal ausgestellt. Als Bilder einer Laien-Künstlerin mit einer psychischen Erkrankung fällt ihre Kunst in die Kategorie Art Brut, auch «Outsider Art» genannt.
Depressionen sind nicht heilbar
Bischlers Leben veränderte sich auf einen Schlag, als bei ihr im Alter von 37 Jahren über Nacht schwere Depressionen einsetzten. Erinnerungen an den jahrelangen sexuellen Missbrauch, der bereits in ihrer frühsten Kindheit begonnen hatte, plagten Bischler. «Man kann nicht sagen, dass ich mich inzwischen an die Gedanken gewöhnt habe. Es wirft mich einfach nicht mehr so um», ergänzt sie nach einer kurzen Pause. Wieso die Depression genau zum Zeitpunkt vor 43 Jahren ausgelöst wurde, kann die ehemalige Kindergärtnerin nicht sagen.
In einer Mischung aus Gesprächstherapie und Medikamenten habe Bischler die beste Lösung für sich gefunden. Gesund sei sie aber dennoch nicht. «Es gibt keinen Arzt auf dieser Welt, der schwere Depressionen heilen kann», sagt sie nachdenklich. Ein unglaubliches Drücken in der Brust, Hilflosigkeit und das Gefühl, dass ihr auf einmal alles Schöne im Leben verleidet sei, so beschreibt Bischler die Empfindung ihrer Krankheit. Unterbrochen von kurzen Phasen der Besserung leidet sie noch immer unter den psychischen Folgen ihrer Vergangenheit. «Es ist eine schwere Krankheit, die den ganzen Mensch kaputt macht», erklärt sie.
Opfer sind nicht alleine
Rund 100 Menschen waren am Dienstag an der Vernissage von «Jedes Bild, das ich gemalt habe, ist wahr.› Rut Bischler und ihre Bilderwelt» im Dichter- und Stadtmuseum in Liestal. Vor ihrem öffentlichen Auftritt sei Bischler etwas nervös gewesen. Dank ihrer langjährigen Tätigkeit als Cellospielerin sei sie mit dem Druck aber zurechtgekommen. «43 Jahre bin ich im Keller gewesen. Dann, plötzlich, stand ich vor so vielen Menschen», schildert sie ihre Sicht der Vernissage. In ihrer Stimme ist etwas Kämpferisches zu spüren. Ihr sei es wichtig, auf die Thematik aufmerksam zu machen, um möglichst weitere Menschen vor dem gleichen Schicksal zu bewahren und anderen Opfern zu zeigen, dass sie mit ihren Gefühlen nicht alleine sind.
Die Ausstellung ist für Bischler deshalb ein zweischneidiges Schwert. «Einerseits war es ein Aufsteller für mich. Andererseits hat es mich wieder stärker in meine eigene Vergangenheit versetzt», sagt sie. Ein Schritt zurück ins Alte sei aber nötig gewesen, damit sie den Weg ins Neue finden kann. Bischler: «Aber was ist das Neue? Das weiss ich noch nicht.»