Dorli Buess: Mit 90 Jahren zum ersten Mal im Tonstudio

Während andere in ihrem Alter die Hände in den Schoss legen, nimmt Dorli Buess eine Hör-CD mit Geschichten in lupenreinem Oberbaselbieter Dialekt auf. Trotz anfänglicher Zweifel ob der neuen Technik ist sie heute froh, das Wagnis eingegangen zu sein.

Heiner Oberer

Die 90-jährige Dorli Buess aus Wenslingen könnte es sich auf der Sitzbank des mollig warmen Kachelofens gemütlich machen. Tut sie aber nicht. Neben dem täglichen Spaziergang über die Wenslinger Felder, dem wöchentlichen Einkauf, dem Einmachen von Gemüse und Früchten, dem Konfitürekochen und vielem mehr hat die umtriebige ehemalige Bauersfrau eine Hör-CD mit Mundarttexten von Bettina Meuli (siehe Kasten) aufgenommen. Im kommenden Jahr geht die Mutter zweier Söhne und Töchter, die auch acht Gross- und vier Urgrosskinder hat, zudem auf Lesetour, zu der sie mit sanftem Druck von Bettina Meuli aber erst überzeugt werden musste.

Es war im Altersturnen, oder «Oltersdurne», wie Dorli Buess sagt, als sie ein selbst verfasstes Gedicht vortrug. Anschliessend sei Bettina Meuli, eine der Leiterinnen, mit dem Vorschlag auf sie zugekommen, 14 von ihr verfasste Mundart-Kurzgeschichten auf einer Hör-CD aufzunehmen. «Das will doch niemand hören. Ich will mich doch nicht blamieren», so Dorli Buess’ erste Reaktion. Aber Bettina Meuli liess nicht locker und die rüstige Vorleserin liess sich schliesslich erweichen.

Geflucht wird nicht auf der CD
Zuerst musste aber Bettina Meulis nicht ganz lupenreines Baselbieterdeutsch – sie ist aus Basel zugezogen – durch Dorli Buess in korrekte Wenslinger Baselbieter Mundart übersetzt und einige Fluchwörter ersetzt werden. Anschliessend ging es zu Franz Käslin junior, der in Wenslingen ein Ton- und Videostudio betreibt. Nach nur vier Stunden waren die Texte im PC und Dorli Buess hat sich zu einer Mediengrösse gemausert. «Die ersten Reaktionen auf die CD waren durchaus positiv», sagt die anfänglich widerwillig ins Mediengeschäft eingestiegene Wenslingerin.

«Ich bin eine leidenschaftliche Leserin», sagt Dorli Buess. Darum sei es ihr, nach anfänglichen Vorbehalten, leichtgefallen, Bettina Meulis Texte vorzulesen. Aufgewachsen in Oltingen auf einem kleinen Bauernhof, sei Lesen aber nicht an der Tagesordnung gewesen, erinnert sie sich. «Einen Beruf habe ich keinen erlernt. Ich musste zu Hause helfen. Da blieb nicht viel Zeit, um in Büchern zu schmökern.» Zudem musste sie immer wieder bei fremden Leuten, wenn die Frau im Kindbett lag, im Haushalt helfen und Säuglinge wickeln und pflegen. 1953 heiratete sie Hans Buess. «Wir hatten es immer gut zusammen. Mit dem Tod meines Mannes vor einem Jahr ist alles anders geworden und ich bin in ein Loch gefallen.» Was bleibt, sind Erinnerungen an ihren Ehemann. An die ersten gemeinsamen Ferien nach 25 Ehejahren mit einer Fahrt mit dem Bus nach Holland ans Meer und der Reise nach Kanada. Oder ihre Zeit im Gemischten Chor Wenslingen, wo sie 55 Jahre mit Leib und Seele mitgesungen hat. 27 Jahre war sie Mitglied der Kirchenpflege und half im Verein «Freundinnen junger Mädchen» mit, hilflosen, allein reisenden und stellenlosen Mädchen Schutz und Obdach zu bieten.

Tagebuch als wichtiges Dokument
Seit über 30 Jahren verfasst Dorli Buess Gedichte und führt Tagebuch. Fein säuberlich von Hand sind die wichtigen Ereignisse niedergeschrieben. Ein Tagebuch, das das Leben einer einfachen Bauersfrau beschreibt, die stets für die anderen da war und immer noch ist. Zusammen mit der Hör-CD ist so ein wichtiges Dokument für die Nachkommen entstanden.

Im kommenden Jahr möchte sie wieder vermehrt aktiv sein. Das heisst: Die vielen Bücher lesen, die sie zum 90. Geburtstag geschenkt bekommen hat, und mit ihrer Schwester Ruth (86) mit Zug und Postauto das Baselbiet erkunden. Also nichts da mit Hände in den Schoss legen.

Das Buch und die Hör-CD sind erhältlich bei: Bettina Meuli, www.bettinameuli.ch. Lesungen von Dorli Buess: Donnerstag, 25. Januar 2018, 19 Uhr, Hauptstrasse 37, Sissach; Freitag, 16. März, 19.30 Uhr, Gemeindesaal Wenslingen, und Dienstag, 11. September 2018, 10 Uhr, Münsterplatz 14, Basel.

Bettina Meuli und die grünen Socken

hob. Es ist nicht so, dass die Autorin und Bewegungstherapeutin Bettina Meuli nur grüne Socken tragen würde. Nein. Ihr neustes Buch trägt aber den Titel: «Grüne Socken und der stumme Herr Hartmann». Darin beschreibt die 53-jährige Wenslingerin den Alltag der 23-jährigen, rothaarigen und mit Nasenring verzierten Mascha, die dazu verdammt ist, im Altersheim Lindenbühl zu arbeiten. Dort trifft sie unter zahlreichen anderen auf den stummen Herrn Hartmann (83), Sämi Ritter (79), Meisterschwimmer aus dem Emmental, und Paul Bürgin (90), der sein Leben mit Warten verbringt. Und da ist noch die traurige Diva (82), die glaubt, am Tod zweier Männer schuld zu sein. Ein vergnüglicher Kriminalroman, der einen Einblick in das Leben der Seniorinnen und Senioren in einem Altersheim vermittelt.
Zudem hat Bettina Meuli mit Dorli Buess eine Hör-CD mit 14 Kurzgeschichten unter dem Titel «Grüeni Sogge und dr stumm Herr Hartmann» auf Baselbieter Mundart aufgenommen.

Die Vorleserin

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