Zwischen Kochkunst und Lebensphilosophie
23.10.2025 Bezirk LiestalHoo Nam Seelmann erklärt, warum Fermentiertes in der koreanischen Tempelküche wie Wein altert
Vergangene Woche hat die Kantonsbibliothek Baselland zu einem Vortrag mit der Journalistin Hoo Nam Seelmann eingeladen. Der Abend stand im Zeichen des Buddhismus, seiner Lehre, der ...
Hoo Nam Seelmann erklärt, warum Fermentiertes in der koreanischen Tempelküche wie Wein altert
Vergangene Woche hat die Kantonsbibliothek Baselland zu einem Vortrag mit der Journalistin Hoo Nam Seelmann eingeladen. Der Abend stand im Zeichen des Buddhismus, seiner Lehre, der Tempelküche und der Lebensweise.
Wendy Maltet
Hoo Nam Seelmann, 1950 in Südkorea geboren, studierte an der Universität des Saarlands Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte und promovierte über Hegels Geschichtsphilosophie. Seit 1996 schreibt sie regelmässig für die «Neue Zürcher Zeitung» über Korea und Ostasien. In ihrem neu erschienenen Buch Jeongkwan Snim widmet sie sich der gleichnamigen buddhistischen Nonne. Das Werk ist Kochbuch und Biografie zugleich und reich bebildert mit Fotografien von Véronique Hoegger. In ihrem Vortrag verband Seelmann Einblicke in die Entstehung des Buches mit Erzählungen aus dem Leben Jeongkwan Snims sowie grundlegenden Gedanken der buddhistischen Lehre.
Jeongkwan Snim wurde durch die «Netflix»-Serie Chef’s Table weltbekannt. Sie lebt im abgelegenen Tempel Cheonjinam im Süden Koreas und steht in der Tradition des koreanischen Seon-Buddhismus, der eine jahrhundertealte Kultur des Tempelessens pflegt. Ihre Küche ist rein pflanzlich, saisonal geprägt und Ausdruck buddhistischer Praxis: Respekt vor den Zutaten, achtsames Zubereiten und Dankbarkeit sind ihre Grundprinzipien. Sie nutzt Gemüse aus dem Klostergarten, arbeitet mit Fermentation und einfachem Garen und verzichtet – wie in vielen Tempeltraditionen üblich – auf Knoblauch und Zwiebeln.
Die Köchin der Achtsamkeit
Begegnet ist Seelmann der Nonne bereits 2017. «Begegnungen», hält Seelmann poetisch fest, «ermöglichen das Beziehungsnetz, das uns durch das Leben trägt.» Auch ihr Buch sei das Ergebnis vieler solcher Begegnungen. Jeongkwan Snim wollte jedoch kein Kochbuch im herkömmlichen Sinn: «Sie ist ja schliesslich kein Chefkoch», erklärt Seelmann. Entstanden ist so ein Werk, das zugleich als Einführung in eine ganze Lebensweise verstanden werden kann.
Das wachsende Interesse an Jeongkwan Snim erklärt sich nicht nur durch «Chef’s Table», sondern auch durch das zunehmende Bewusstsein für gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit. Der Buddhismus lehrt Zurückhaltung, Dankbarkeit und Achtsamkeit: Man solle die Zutaten ehren, bewusst konsumieren und Mass halten. Was heute wie eine trendige Ernährungsform klingt, geht auf eine jahrhundertealte Lebenshaltung zurück. Ziel des Buddhismus ist es, das Leiden zu überwinden und inneren Frieden zu finden. Auf Ernährung bezogen bedeutet dies, auf die Tötung von Tieren zu verzichten und dem Körper nichts zuzuführen, was ihm schadet – der Mensch ist unmittelbar mit der Natur verbunden. Ganz im Sinne des Sprichworts: «Du bist, was du isst.»
Immer mehr Menschen besuchen Tempel, um Rat zu suchen, eine Auszeit zu nehmen oder die Lebensweise kennenzulernen. Der Tagesrhythmus ist streng: Aufstehen um 3 Uhr morgens, eine kleine Mahlzeit um 6 Uhr, Meditation und Arbeit, kurz vor 12 Uhr eine Mahlzeit, meist aus Gemüse, Tofu und Reis. Um 18 Uhr gibt es nochmals eine leichte Mahlzeit, um 22 Uhr ist Nachtruhe. Spenden dürfen Besucher in Form von Geld, Reis oder Obst geben.
Für Jeongkwan Snim ist das traditionelle Tempelleben heute in den Hintergrund gerückt, da sie häufig im Ausland unterwegs ist. Zum Zeitpunkt des Vortrags weilte sie an der Universität Yale. Unterwegs kann sie nur begrenzt Zutaten mitnehmen; ihre Rezepte bleiben schlicht und wohltuend, die Zutaten werden möglichst naturbelassen verwendet. «Sie püriert Zutaten beispielsweise kaum», erklärt Seelmann. Im Tempel hingegen verfügt sie über zahlreiche Einmachgläser mit fermentierten Speisen. Ihre älteste Sojasauce ist rund 30 Jahre alt. «Sie müssen sich das vorstellen wie beim Wein in Europa: Auch für fermentierte Speisen gibt es Jahrgänge», erläutert die Journalistin.
Auf die Frage, welchen Stellenwert der Genuss in der Tempelküche habe, meint Seelmann, diese Lebensweise erfordere ein Umdenken. Genuss sei erlaubt, aber nie Selbstzweck: Man solle essen, was einem guttut – bewusst und mit Freude, aber ohne Verschwendung. So beschreibt sie eine Konsumform, die auf Achtsamkeit und Mass beruht: Genuss ja, aber im Einklang mit Natur, Körper und Geist.

