Zwischen Drückjagdbock, Stechpalmen und Jagdhornklängen
08.11.2024 BennwilHerbstzeit ist Jagdzeit – auch in Bennwil. Die «Volksstimme» begleitete den Tag und erfuhr, welche Tiere gejagt werden, was der Sinn der Jagd ist und mit welchen Waffen geschossen wird. Ein Selbstexperiment zeigte zudem, dass der «Bämbeler» Wald zum Teil kein Wald, ...
Herbstzeit ist Jagdzeit – auch in Bennwil. Die «Volksstimme» begleitete den Tag und erfuhr, welche Tiere gejagt werden, was der Sinn der Jagd ist und mit welchen Waffen geschossen wird. Ein Selbstexperiment zeigte zudem, dass der «Bämbeler» Wald zum Teil kein Wald, sondern eine Stechpalmenplantage ist.
Luana Güntert
Die Wetterprognose verspricht einen prächtigen Herbsttag mit viel Sonne und 16 Grad. Doch noch ist es kühl und der letzte Reif liegt auf den Gräsern. Die Treibjagd der Jagdgesellschaft Bennwil beginnt im Schützenhaus. Nach einer gemütlichen Kaffeerunde begrüsst Präsident Daniel Wenk die Jägerinnen und Jäger sowie die Treiberinnen und Treiber zur ersten Treibjagd der Saison.
In seiner Begrüssungsansprache geht der Präsident auf die Wichtigkeit der Jagd ein: Früher sei Jagen lebensnotwendig und dann eine Zeit lang ein Privileg der Adligen gewesen. «Heute ist die Jagd wieder in den Händen des Fussvolks.» Er erklärt, dass die Treibjagd von Teilen der Bevölkerung kritisiert werde. «Wir erfüllen mit der Jagd aber einen Gesetzesauftrag.» Der Lebensraum der Wildtiere wurde durch die Menschen massiv beeinflusst und die Tiere dadurch in «Restecken» gedrängt. Dort richten die Wildtiere teilweise Schäden in Land- und Forstwirtschaft an. «Als Förster weiss ich, wovon ich rede», sagt Wenk. Es sei somit die Aufgabe der Jäger, die Populationsdichte der Wildtiere in Grenzen zu halten.
Gejagt wird heute in zwei Trieben in zwei Gebieten und erlegt werden darf «alles, was gesetzlich erlaubt ist, ausser Hasen und Flugwild». Also Rehe, Füchse, Wildschweine und Dachse. Die Durchgänge würden anund wieder abgehornt. Der Jagdleiter Simon Heinimann wird zuerst in sein Horn blasen und so das Signal weitergeben an den Nächsten, damit alle den Start und das Ende mitbekommen. «Sobald ihr aber auf dem Stand seid, ist das Feuer frei. Nach dem Abhornen wird aber nicht mehr geschossen», so der Jagdleiter. Sollte ein Tier nur angeschossen werden, stünden den Jägern Schweisshunde für die Nachsuche zur Verfügung. Damit ist alles klar. Ein kleines Orchester einiger Jägerinnen und Jäger bläst auf dem Jagdhorn zwei traditionelle Lieder: «Die Begrüssung» und «Auf zur Jagd». Und das gilt jetzt. Los gehts.
Die Jägerinnen und Jäger gehen als Gruppen in den Wald, wo der Gruppenchef sie auf verschiedene Stände zuweist. Die Treibergruppe fährt zum Anfang der Gebiete Schindelboden und Höchi Stelli. Die «Volksstimme» heftet sich an die Füsse von Daniel Wenk.
Der Präsident hat seinen eigenen Stand auf einem sogenannten Drückjagdbock – einer Art Hochsitz, der aber nur etwa 1,70 Meter hoch ist und wo drauf gestanden wird, um einen guten Überblick zu haben. Bereits beim Einrichten auf dem Bock sagt er: «Es ist gut möglich, dass in den nächsten zwei Stunden nichts passiert.»
«Die grösste Herausforderung eines Jägers bei einer Treibjagd ist, die Konzentration hochzuhalten», erklärt Wenk am Stand. Das Erlegen sei nur ein kleiner Teil der Jagd und dafür stünden meist nur wenige Sekunden zur Verfügung. «Es kann sein, dass man stundenlang kein Tier sieht. Sobald aber eines kommt, muss ich wissen: Darf ich schiessen oder nicht?» Weiter sei es schwierig, die Tiere im Wald zu erkennen. «Rehe sind Meister im Verstecken. Als Fluchttiere hocken sie gerne im Dickicht. Sobald sie auf eine offene Fläche stossen, rennen sie, um von ihren natürlichen Feinden nicht angegriffen zu werden.»
Auf die Frage, ob es nichts ausmacht, wenn hier auf dem Stand jemand mit einer blauen Jacke und einem violetten Rucksack sitzt, sagt Wenk: «Rehe gelten als farbenblind. Ob das wirklich stimmt, weiss ich nicht. Aber auf Bewegungen reagiert das Wild sehr sensibel.» Wichtig sei hingegen, dass die Jagdhunde und Treiber eine Leuchtjacke oder -weste tragen – aus Sicherheitsgründen.
Verschiedene Munitionen
Mit seiner Waffe ist Daniel Wenk für jede Situation vorbereitet. «Ich führe einen Drilling. Diese praktisch verstellbare Waffe wird auf Treibjagden am häufigsten verwendet», sagt er. Das Gewehr hat drei verschiedene Läufe, zwei für Schrot und einen für die Kugel. In den Schrotlauf kann auch ein Flintenlaufgeschoss eingeführt werden.
Mit dem Schrot wird auf laufende Rehe und Füchse auf eine Distanz von maximal 35 Meter geschossen. Zahlreiche Einzelprojektile treffen in einem erweiterten Radius auf den Tierkörper und führen so zu einem Schocktod, also einem Organversagen. Das Wildschwein wird mit dem Flintenlaufgeschoss (auch Brenneke genannt) sowie der Kugel erlegt. Anders als beim Schrot führt das zu einer tödlichen Körperverletzung, zudem kann über 35 Meter weit geschossen werden. Die Kugel eignet sich grundsätzlich für alle jagdbaren Tiere, hauptsächlich nutzt man sie aber für Wildschweine.
Nun ist volle Aufmerksamkeit gefragt. Regelmässig sucht Wenk durch das Fernrohr und mit blossem Auge das Gebiet ab. Zudem nutzt er ein Gerät, das Distanzen zu Bäumen oder Asthaufen misst. «So sehe ich bereits jetzt, ob ich später schiessen dürfte oder nicht.» Das Geräusch des herunterfallenden Laubs lässt Wenk regelmässig aufhorchen. «Anfang November geht es zwar noch. Gegen Ende Monat oder bei Regen schalte ich das Mikrofon im Gehörschutz ab, um mich davon nicht ablenken zu lassen», erklärt er.
Bei Wenk passiert nichts. Doch plötzlich ertönt Hundegebell von weiter oben am Hang. Einer der Jäger hat seine zwei Hunde bei sich am Stand, die nun angeben. «Wenn Jagdhunde in einem hohen Ton bellen, bedeutet das, dass sie eine Fährte aufgenommen haben», erklärt Wenk. Und wenige Sekunden später passiert es: Ein Schuss ist zu hören. Noch ist unklar, ob der Schütze getroffen hat. Dann erschallen drei Töne aus einem Jagdhorn – das bedeutet, dass ein Reh liegt.
Ein Tier hat Wenk immer noch nicht gesehen. Plötzlich aber wird es laut – ein Helikopter dreht seine Runden über dem Waldgebiet. Die Turbinengeräusche lassen nicht nach. Ob wohl gerade Flugstunden über Bennwil durchgeführt werden?
Da rund um den Drückjagdbock nichts passiert, hat Daniel Wenk Zeit zum Erzählen: «Ich wurde 1991 Jäger.» Als Förster wollte er auf Augenhöhe mit den Jägern kommunizieren und ihre Passion kennenlernen. «In der Schweiz ist das nicht so, aber in Deutschland zum Beispiel gehört die Jagd zum Aufgabengebiet der Förster.» Später wurde Wenk Pächter in Liestal und Bennwil. Als Präsident der Jagdgesellschaft ist es ihm wichtig, dass die Jäger Eigenverantwortung übernehmen: «Wenn du einen Fehler machst, bist nur du selber verantwortlich. Niemand anderes.» Er vertritt seine Treibjagd gegenüber der Öffentlichkeit – auch der kritischen: «Viele haben eine verschwommene Wahrnehmung. Sie sehen die toten Tiere auf der Treibjagd, die einen Bruchteil des schweizweiten Fleischkonsums ausmachen, als unnötige Hetze und Tierquälerei an.»
Noch immer hört Wenk kein Tier – nur der Helikopter dreht fleissig seine Runden. «Eigentlich sollte der Trieb nun zu Ende sein. Doch ich habe noch kein Abhornen gehört», sagt Wenk. Ein kurzer Blick aufs Handy also – «wir sind fertig», sagt er. Jagd geht heute auch digital.
Gesunde Leber, gesundes Tier
Vor dem Mittagessen werden die erlegten Tiere zur Jagdhütte transportiert und ausgenommen. Neben dem Reh bei uns in der Nähe wurde noch ein weiteres erlegt. «An einer gesunden Leber erkennt man zu 95 Prozent, ob ein Tier gesund war», erklärt Jäger Eugen, der die beiden Tiere aufbricht und begutachtet. Die Innereien dürfe der Schütze gemäss dem «kleinen Jagdrecht» behalten, so Wenk. Oft werden sie den Hunden gegeben und die «Leberli» werden am Abend für alle zubereitet. Das «grosse Jagdrecht», die Trophäe – also das Geweih – wird oft präpariert und dient so als Erinnerung an das Jagderlebnis. Den leeren Bauchraum spült Eugen aus hygienischen Gründen mit Wasser aus. Denn ab jetzt ist das Reh ein Lebensmittel.
Überall Dornen
Nach der Stärkung begleitet die «Volksstimme» die Treibergruppe und ihre Hunde. Unter den acht Treiberinnen und Treibern sind auch Gemeinderat Horst Heckendorn sowie die ehemalige Gemeindepräsidentin Verena Scherrer.
Bevor die Gebiete Eichbüchel und Sagwald durchquert werden können, muss sich die Gruppe in Position bringen. Steil geht es hinter der Jagdhütte das «Bannwartwägli» hinauf. Einige dürfen im unteren Teil stehen bleiben, andere müssen noch weiter hoch zur Krete, sodass die Treiber am Schluss in einer Linie durch den Wald gehen können. Sobald alle positioniert sind, wird auf das Anhornen gewartet. Jagdhund Django kann es fast nicht mehr abwarten und jammert vor sich hin.
Am Anfang ist es noch idyllisch. Der Kretenweg führt durch den Wald und der Herbst zeigt sich von seiner schönsten Seite. Die Ruhe wird nur von den Treibern unterbrochen, die mit Rufen und Lärm die Tiere in Bewegung bringen. Der Weg endet, und es geht ins Unterholz. Das Gelände ist steil und regelmässig rutschen Treiber auf dem Allerwertesten den Hang hinunter.
Irgendwann wird aus dem Wald eine Stechpalmenplantage und das Treiben wird zu einer schmerzhaften Angelegenheit. Jagdhund Django dreht seine Runden, kommt aber immer wieder zu den Treibern zurück.
Mitten in Brombeersträuchern und Stechpalmen gibt es plötzlich ein Rascheln – ein Reh rennt den Hang hoch! Doch bevor reagiert werden kann, ist es bereits im nächsten Dickicht verschwunden. Anders als die Treiber scheint sich das Reh in den Büschen wohlzufühlen und kommt problemlos voran.
Luft nach oben
Nach dem zweiten Durchgang versammeln sich die Jäger und die Treibergruppe wieder bei der Jagdhütte. Die beiden Rehe vom Morgen wurden bereits bei einem Bauernhof in die Kühlzelle gehängt, da es Anfang November noch zu warm ist, um sie draussen zu lassen. Dafür liegt ein Fuchs zusammen mit einem traditionellen Tannästchen – in Jägersprache der Bruch – auf der Wiese neben der Jagdhütte. Dies, um das Tier zu ehren. Weiter werden nun, um den Respekt gegenüber den Tieren zu zeigen, von den Jagdhornbläsern die beiden Melodien «Rehtod» und «Fuchstod» gespielt.
Daniel Wenk gratuliert Simon Heinimann zu seiner ersten Jagd als Jagdleiter. «Die Ausbeute ist zwar eher klein, aber so gibt es noch Luft nach oben», sagt Wenk.
Langsam geht die Sonne unter und die offizielle Jagd wird mit den gesungenen und auf dem Jagdhorn geblasenen Liedern «Zum Aser» und «Auf Wiedersehen» beendet. Dass der Tag aber noch lange nicht vorbei ist und in den geselligen Teil übergeht, zeigt der Text: «Kommt doch herbei, kommt doch herbei, Jäger, Treiber, kommt doch herbei! Essen gibts jetzt! Erbsensuppe mit fettem Schweinebauch, Erbsensuppe, Schnaps gibt es auch.»
Jagdpacht in vier Revieren noch offen
ch. Im April dieses Jahres hat in den Jagdhörungen durchführen und dann seinen revieren im Kanton Baselland die neue Entscheid über die Vergabe fällen. Über achtjährige Jagdperiode begonnen. Ausdie Beschwerden in Zunzgen, Liesberg ser in den Revieren Zunzgen, Arboldswil, und Ettingen ist noch nicht entschieden Liesberg und Ettingen. Dort kam es entworden. Laut Andreas Zuber vom Rechtsweder zu Einsprachen gegen den Vergabedienst der Baselbieter Volkswirtschafts-Entscheid des Gemeinderats oder (in Arund Gesundheistdirektion sind die Verfahboldswil) die Jäger haben sich nach der ren unterschiedlich weit fortgeschritten. Pachtvergabe zerstritten, worauf der Ge-Mit den Entscheiden auf Stufe Regierungsmeinderat die Pacht neu ausgeschrieben rat sei voraussichtlich Anfang 2025 zu hat (die «Volksstimme» berichtete). rechnen. So lange kein Pächter bestimmt Wie die Gemeinde Arboldswil kürzlich ist, wird in einem Revier auf Sparflamme mitteilte, sind für die Jagdpacht drei Begejagt. Abschüsse sind dem von der Gewerbungen eingegangen. Der Gemeindemeinde bestimmten, interimistischen Jagdrat werde nun mit allen Bewerbern Anaufseher vorbehalten.