Zweiter internationaler Einsatz
12.12.2025 Sport, LeichtathletikAurina Coletti startet an der U20-Cross-EM
Ein Gespräch beim Auslaufen – mehr brauchte es nicht, um Aurina Coletti einen neuen Traum zu geben: Nur wenige Monate nach der Enttäuschung am European Youth Olympic Festival steht die Tecknauerin an der U20-Cross-EM am ...
Aurina Coletti startet an der U20-Cross-EM
Ein Gespräch beim Auslaufen – mehr brauchte es nicht, um Aurina Coletti einen neuen Traum zu geben: Nur wenige Monate nach der Enttäuschung am European Youth Olympic Festival steht die Tecknauerin an der U20-Cross-EM am Start.
Timo Wüthrich
Dass sich Aurina Coletti am Sonntag im portugiesischen Lagoa an der Crosslauf-Europameisterschaft mit den besten U20-Läuferinnen des Kontinents messen darf, geht auf ein besonderes Gespräch zurück. Im vergangenen Juli gelang der Tecknauerin die Qualifikation für das European Youth Olympic Festival (Eyof), an dem die talentiertesten Jugendlichen des Kontinents in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antreten – darunter auch in der Leichtathletik.
Der Wettkampf verlief nicht wie erhofft: Vor dem Start plagte die Oberbaselbieterin grosse Nervosität, und sie schied im Vorlauf über 2000 Meter Hindernis aus. «Beim Auslaufen kam ich ins Gespräch mit einer slowakischen Athletin, wir verstanden uns sofort. Sie meinte mit einem Augenzwinkern, dass wir uns spätestens im Dezember an der Cross-EM wiedersehen», erzählt die Nachwuchsläuferin im Gespräch mit der «Volksstimme».
Tränen im Kraftraum
Nach dem Gespräch mit der Slowakin wuchs in der 16-jährigen Coletti der Wunsch, sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren. «Spätestens bei den beiden Selektionsläufen wurde mir klar, dass ein Aufgebot möglich ist», blickt die Oberbaselbieterin zurück. Beide Male erreichte Coletti als drittschnellste Schweizerin das Ziel. Da der Schweizer Verband Swiss Athletics im Voraus signalisiert hatte, ein mehrköpfiges Team an die EM zu schicken, durfte sie sich berechtigte Hoffnungen auf eine Nomination machen. «Die Mitteilung mit dem definitiven Aufgebot erhielt dann mein Vater per E-Mail – er informierte mich sofort», so die Athletin. «Ich war gerade im Kraftraum, als ich die Nachricht erhielt. Und ja, dann flossen schon einige Freudentränen.»
Mit ihrem Vater Luigi Coletti, früher selbst ein erfolgreicher Läufer, ging Coletti als Kind gelegentlich joggen, fand jedoch unabhängig von ihm zum Laufsport: Zunächst übte die Tecknauerin mehrere Sportarten gleichzeitig aus, bis sie sich vor drei Jahren definitiv für die Leichtathletik entschied. In der Folge trat sie der LG Oberbaselbiet bei: «Dort machte mir das Ein- und Auslaufen jeweils mehr Freude als das Üben der technischen Disziplinen. Deshalb wechselte ich zur Laufabteilung des SC Liestal. Mein Vater hat dort bereits trainiert und kennt den Coach noch aus seiner Zeit als Aktiver.»
Reguläre Gymi-Klasse
Im Verein absolviert die Gymnasiastin vor allem intensive Einheiten, über den Winter hinweg sind dies beispielsweise Fahrtspiele. Das ist eine Trainingsmethode, bei der das Tempo auf unterschiedlich langen Abschnitten wiederholt gesteigert wird. «Hinzu kommen die übrigen Trainings, die ich alleine oder ab und zu mit meinem Vater absolviere», erklärt die Tecknauerin. «Je nach Saisonphase steht ein Pensum von 12 bis 14 Stunden an.» Der grösste Teil besteht aus moderaten Einheiten: Neben klassischen Dauerläufen setzt die Sportlerin auf das Schwimmen oder Radfahren, um ihren Körper vor zu hohen Laufumfängen zu schützen.
Die Balance zwischen Leichtathletik und Ausbildung stellt für die Nachwuchsläuferin eine Herausforderung dar. Meistens klappe aber alles gut, so Coletti. Sie besucht am Gymnasium in Liestal keine Sportklasse, sondern eine reguläre Klasse mit französischem Immersionsunterricht. Vom normalen Sportunterricht ist die Leichtathletin jedoch dispensiert. In Spitzenphasen der Saison steht an fast jedem Wochenende ein Wettkampf an – ein gutes Zeitmanagement ist dann erforderlich, um Training, Schule und Erholung in Einklang zu bringen. Die 16-Jährige erstellt etwa Lernpläne, wenn viele Prüfungen anstehen. Auch die Zeit mit Freundinnen und Freunden muss sie gut einteilen: «Der Vorteil ist, dass ich viele davon täglich am Gymnasium sehe. Wir verbringen viel Zeit miteinander, zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen», so die Leichtathletin. «Unter der Woche abends ist es für meine Freundesgruppe jedoch fast unmöglich, einen gemeinsamen Termin zu finden, weil viele ein Hobby betreiben.»
Besseres Wetter in Portugal
Ihre Freundinnen und Freunde werden Coletti auch am kommenden Sonntag in Portugal unterstützen, wenn sie um 9.30 Uhr Ortszeit für das Schweizer Nationalteam an der Startlinie der U20-Cross-EM stehen wird. In der unmittelbaren Vorbereitung auf den Wettkampf vermied die Oberbaselbieterin grosse Belastungen, sie konzentrierte sich auf regenerative Einheiten. Auf die Anforderungen des Crosslaufs hat sie sich dennoch vorbereitet: Scharfe Kurven und andere technische Elemente übte sie im Training. Die 4,5 Kilometer lange Strecke wird sie sich vor Ort genau anschauen: «Der Untergrund wird wohl weniger matschig sein, als man es im Crosslauf sonst kennt», so die Läuferin. «Dazu kommen sehr angenehme Temperaturen: In Lagoa hat es um die 20 Grad – also perfekte Bedingungen. Die Kälte liegt mir ohnehin weniger», ergänzt sie mit einem Lachen.
Die Reise nach Portugal tritt Coletti – wie für einen Einsatz im Nationalteam üblich – gemeinsam mit der gesamten Delegation an: Heute Mittag fliegt das rot-weisse Team nach Lissabon, wo es dann mit dem Bus in die Algarve geht.
Bis zum Start am Sonntag versucht die Tecknauerin, möglichst gelassen zu bleiben: «Eine gewisse Anspannung ist sicher normal, aber zu viel davon ist kontraproduktiv. Sonst bin ich mental gar nicht bereit für das Rennen.» Um dies zu verhindern, arbeitet die 16-Jährige mit positiven Mantras, die sie vor Wettkämpfen wiederholt. «Am Sonntag will ich einfach ins Ziel kommen und sagen können, dass ich alles gegeben habe – egal, was für eine Platzierung am Ende resultiert. Eine Prognose ist schwierig, da mehr als 90 Läuferinnen in der U20-Kategorie starten», so Coletti. Ein einziger Wermutstropfen bleibt: Ihre slowakische Kollegin, die sie am Eyof für die Cross-EM begeisterte, wird die Tecknauerin nicht antreffen – der Osteuropäerin gelang die Qualifikation nicht.


