Zusammensitzen – nur mit Prüfung?
08.04.2025 OrmalingenDario Rigo, Landrat «Mitte», Ormalingen
Im Oberbaselbiet verändert sich das Dorfleben – leise, aber spürbar. Die letzte Beiz schliesst, der Laden gibt auf. Und wo trifft man sich nach dem Training oder der Chorprobe? Genau: nirgends.
...Dario Rigo, Landrat «Mitte», Ormalingen
Im Oberbaselbiet verändert sich das Dorfleben – leise, aber spürbar. Die letzte Beiz schliesst, der Laden gibt auf. Und wo trifft man sich nach dem Training oder der Chorprobe? Genau: nirgends.
An der öffentlichen Veranstaltung zur Regionalentwicklung im Oberbaselbiet (REK) am 26. März wurde für mich eines deutlich: Die Menschen denken nicht zuerst an touristische Konzepte oder grosse Infrastrukturprojekte. Was fehlt, sind einfache, alltägliche Orte im Dorf – Orte, wo man sich trifft, miteinander spricht und wo das Dorfleben lebendig bleibt.
Aber wehe, jemand stellt ein paar Tische auf und schenkt abends etwas aus. Dann wird’s plötzlich kompliziert. Dann braucht es die Wirteprüfung – inklusive Fragen zu Arbeitsrecht, Buchhaltung und Sozialversicherungen. Man fragt sich: Will man eine kleine Beiz betreiben oder gleich eine Treuhandkanzlei eröffnen? Mehr als 3000 Franken kostet der Weg zur Wirteprüfung – noch bevor jemand ein erstes Glas servieren darf. Einfach einmal etwas ausprobieren? Unter diesen Bedingungen kaum.
Geht es hier wirklich um Hygiene und Lebensmittelsicherheit? Oder ist der eigentliche Unterschied einfach, dass hier Menschen gemeinsam am Tisch sitzen – statt allein zu Hause essen?
Für Gastro-Caterings, Lieferservices, Pizza-Taxis und Take-aways gilt das alles nicht – solange alles zum Mitnehmen verpackt wird. Wer Convenience Food isst oder sich auf der Parkbank verpflegt, wird nicht als Risiko gesehen. Dass auch diese Betriebe den Hygienevorschriften unterstehen und ihre Buchhaltung machen – versteht sich. Eine vorgängige Prüfung wird trotzdem nicht verlangt.
Früher war das erklärte Ziel, weniger Lokale im Ort zu haben. Der Gang in die Wirtschaft blieb für viele Familien nicht ohne Folgen. Mit dem sogenannten Morgenschnapsverbot und der Einführung der Wirteprüfung sorgte man 1959 für klare Verhältnisse – es war eine andere Zeit, mit anderen Problemen. Heute aber ist man froh um jedes Lokal, das wieder öffnen möchte. Müssen ausgerechnet die letzten Orte der Begegnung wegen Problemen von früher am strengsten reguliert werden? Es wirkt tatsächlich so. Lieferdienste und Grossverteiler kommen mit deutlich weniger Auflagen aus – ihr Angebot ist längst auf das schnelle alleine Essen ausgerichtet.
Andere Kantone (Graubünden etwa, notabene ein ausgewiesener Tourismuskanton) haben längst reagiert. Dort kommt man auch ohne Wirteprüfung aus. Die Lebensmittel- und Hygienevorschriften gelten dennoch – einfach ohne zusätzliche Hürde. Offenbar reicht das.
Das Potenzial in unseren Dörfern ist gross. Oft braucht es nicht viel – nur passende Rahmenbedingungen. Und manchmal reicht es, überholte Bürokratie abzubauen, damit aus Ideen echte Begegnungsorte werden – gerade in einer Zeit, in der soziale Einsamkeit zunimmt und das Miteinander wichtiger ist denn je.
Mit einem Vorstoss im Landrat will ich genau hier ansetzen. Der Regierungsrat soll beauftragt werden, das Gastwirtschaftsgesetz und die Verordnung zu überprüfen. Veraltete Vorschriften gehören auf den Prüfstand. Wer Begegnung will, muss ihr Raum geben.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.