Zapfsäule war gestern, morgen kommt Road-Pricing

  06.11.2025 Politik

Manuel Ballmer, Landrat GLP, Lupsingen

In Birsfelden werden seit diesem Herbst alle Autos erfasst, die durch bestimmte Quartierstrassen fahren. Wer in weniger als 15 Minuten wieder hinausfährt, erhält automatisch eine Busse. Kameras lesen das Nummernschild, der Rest läuft digital. Die Gemeinde will den Durchgangsverkehr eindämmen und die Lebensqualität der Anwohnenden verbessern. Das System funktioniert, doch es sorgt für Diskussionen. Ist es zulässig, öffentliche Strassen faktisch zu bepreisen? Und ist das nicht bereits Roadpricing im Kleinen?

Gleichzeitig arbeitet der Bundesrat an einer neuen Abgabe für Elektrofahrzeuge. Ab 2030 sollen auch sie zur Finanzierung des Strassennetzes beitragen, weil die Einnahmen aus der Mineralölsteuer schrumpfen. Die Dringlichkeit ist offensichtlich: Im September waren bereits 39 Prozent aller Neuzulassungen in der Schweiz Steckerfahrzeuge. Im Gespräch ist eine Pauschale pro Kilometer oder eine Abgabe auf den geladenen Strom. Beide Vorschläge des Bundesrats bedingen eine Deklaration der Nutzung oder des Verbrauchs der gesamten Schweizer Elektroautoflotte.

Die Finanzierung der Mobilität wandelt sich vom Tankstellenmodell zu einem datenbasierten System. Statt mit Vignette und Zapfsäule könnte die Abrechnung künftig digital und automatisch erfolgen. In Norwegen ist das längst Realität. Dort erfasst das System Autopass jedes Fahrzeug per Nummernschilderkennung, am Monatsende folgt eine Rechnung. Niemand muss anhalten, keine Vignette kaufen, kein Ticket ziehen. Vergleichbares gibt es auch im öV, die SBB nennen es «EasyRide».

Warum sollte die Schweiz nicht auch ein solches System für die Strassenfinanzierung einführen? Ab 2030 könnten alle Fahrzeughalterinnen und -halter eine jährliche Abrechnung erhalten, gestützt auf die tatsächlich gefahrenen Kilometer. Die Erfassung liesse sich mit moderner Nummernschilderkennung umsetzen, wie sie in Birsfelden bereits im Einsatz ist. Das wäre einfach, gerecht und transparent.

Ein solches Modell hätte viele Vorteile. Es sorgt für Fairness unter den Verkehrsteilnehmenden, sichert langfristig die Finanzierung der Infrastruktur und erlaubt eine gezielte Steuerung. Wenn der Preis pro Kilometer variiert, etwa mit Hoch- und Niedertarif wie beim Strom, lassen sich Staus und Ausweichverkehr aktiv beeinflussen.

Natürlich gibt es offene Fragen. Der Datenschutz muss absolut gewährleistet sein. Niemand will ein System, das Bewegungsprofile speichert oder missbraucht. Und die Rechtslage muss sauber geregelt sein, bevor die erste Rechnung verschickt wird. Aber das darf kein Grund sein, gar nicht erst zu handeln.

Birsfelden zeigt im Kleinen, was im Grossen nötig wird: Automatische Erfassung und nutzerbasierte Abrechnung. Die Schweiz hat das Know-how, die Infrastruktur und die Erfahrung mit verlässlichen Datensystemen. Es braucht nur der politische Wille, die Mobilität der Zukunft auch finanziell zukunftsfähig zu machen.

Der Wandel kommt, ob wir ihn gestalten oder nicht. Statt an alten Tankstellenmodellen festzuhalten, sollten wir die digitale Abrechnung als Chance begreifen. Wer Strassen nutzt, soll dafür zahlen, nutzungsbasiert und ohne administrativen Aufwand.


In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.


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