Zahntrost macht Freude
02.10.2025 NaturAndres Klein
Als ich daran war, Schlehdorn-Beeren für unseren guten Schnaps zu suchen, schimmerte am Boden so etwas Erika-Rotes durch das Gras. Das war aber definitiv keine Erika, da die Pflanze gezähnte schmal-lanzettliche Blätter hatte. Erika hat Nadeln. ...
Andres Klein
Als ich daran war, Schlehdorn-Beeren für unseren guten Schnaps zu suchen, schimmerte am Boden so etwas Erika-Rotes durch das Gras. Das war aber definitiv keine Erika, da die Pflanze gezähnte schmal-lanzettliche Blätter hatte. Erika hat Nadeln. Die Blüte hatte eine gut ausgebildete Ober- und Unterlippe. Es war aber kein Lippenblütler, da der Stängel rund statt viereckig und die Blätter gegenständig angeordnet waren. Der Stängel ist verzweigt und die Zweige sind abstehend. Der Kelch und die oberen Blätter sind deutlich behaart. Zwei Staubbeutel ragen aus der Kronröhre hervor, zwei sind in der Kronröhre zu finden. Der lange Blütenstand ist einseitswendig, das heisst, die Blüten schauen alle auf die gleiche Seite.
Bei genauerem Hinschauen merkt man vom Habitus her, dass die Pflanze ein Halbparasit ist. Beim Bestimmen entpuppte sich die Pflanze als «Später Roter Zahntrost». Die Pflanze bildet Haustorien. Das sind Organe (Saugwurzeln), die in das Gewebe eines Wirts eindringen, um dort Wasser und Nährstoffe zu entziehen.
Es war ein Zahntrost aus der Familie der Sommerwurzgewächse. Zu dieser Familie der Halbparasiten gehören bei uns: der Augentrost, der Klappertopf, der Wachtelweizen, die Sommerwurz, die Würger und Alpenpflanzen wie Läusekraut und Bartschie. Weltweit gibt es über 2000 Arten dieser Familie, die meistens Parasiten oder Halbparasiten sind. Es gibt auch Bäume und Sträucher in dieser Familie, die aber nicht parasitisch sind. Der lateinische Pflanzenname bedeutet Ersticker oder Würger der Wicken.
Der Fund in Gelterkinden ist erstaunlich und macht Freude. Oberhalb von Pratteln ist seit 1864 nur ein einziger Fund in Ramlinsburg auf einem Erdhügel bei einer Fundstelle gemeldet worden. Der Fund in Gelterkinden ist rund 400 Meter entfernt vom alten Fundort im Brüel von 1864. Er war in der Nähe des Brüelbächlis, dort wo heute Einfamilienhäuser stehen. Es gibt dort heute deutlich mehr gepflanzte Kirschlorbeer als Zahntrost. Ob der Zahntrost, der heute am Buholden-Rinnsaal wächst, 163 Jahre übersehen wurde oder neu aufgekommen ist, kann nicht gesagt werden. Die rund 50 blühenden Exemplare sprechen für eine länger dauernde Anwesenheit. Auf jeden Fall hat der Fund mein Botaniker-Herz erfreut.
Der «Späte Roter Zahntrost» wächst sehr gerne auf lehmigen frischen Böden, oft auch am Ackerrand oder in der Nähe von Bächen. Die Pflanze sei im 19. Jahrhundert bei uns und im Elsass noch im 20. Jahrhundert häufig gewesen sein. Im Elsass geht sie sehr stark zurück. Über den Grund kann nur spekuliert werden. Erstaunlich ist, dass die Pflanze entlang der Ostseite der Birs in Münchenstein in den vergangenen Jahren an mehreren Stellen gefunden wurde.
Der Zahntrost wie der Augentrost haben ihren deutschen Namen aus der Volksmedizin. Dabei ist zu beachten, dass es sehr wenig Hinweise gibt, dass der Zahntrost wirklich gegen Zahnweh verwendet worden ist. Ich würde also eher zum Zahnarzt gehen, als Experimente mit dem seltenen Zahntrost zu machen. Der Augentrost wird heute noch in der Homöopathie gegen entzündete oder trockene Augen verwendet.
Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.

