Wirt kämpft um Parkplätze und seine Existenz
28.11.2025 DiegtenParkplatzstreit – Gemeinde zieht «Hirschen» vor Gericht
Nach dem Entscheid des Regierungsrats landet der jahrelange Parkplatzstreit zwischen Diegten und dem Gasthof Hirschen nun vor dem Kantonsgericht. Für den Wirt Dino Mengisen steht viel auf dem Spiel: Ohne die ...
Parkplatzstreit – Gemeinde zieht «Hirschen» vor Gericht
Nach dem Entscheid des Regierungsrats landet der jahrelange Parkplatzstreit zwischen Diegten und dem Gasthof Hirschen nun vor dem Kantonsgericht. Für den Wirt Dino Mengisen steht viel auf dem Spiel: Ohne die Parkplätze sei die Grundlage des Betriebs gefährdet, sagt er.
Nikolaos Schär
Der Konflikt um die Parkplätze hinter dem Landgasthof Hirschen in Diegten spitzt sich zu. Nachdem der Baselbieter Regierungsrat Ende Juni 2025 die Gemeinde Diegten zurückgepfiffen und deren Verfügung aufgehoben hat, zieht die Gemeinde den Fall nun ans Kantonsgericht weiter.
Die Gemeinde entzog im September 2023 dem «Hirschen» das Nutzungsrecht von 12 bis 15 Parkplätzen, nachdem sie eine neue Aussensportanlage auf dem benachbarten Primarschulgelände bauen liess. Der «Hirschen» verlor dadurch «seine» Parkplätze. Der Gemeinderat argumentierte, die Gemeinde weise einen erhöhten Parkplatzbedarf auf. Brisant an der Geschichte ist, dass unter dem neuen Sportfeld eine Einstellhalle mit rund 50 Parkplätzen für rund 2 Millionen Franken gebaut wurde, welche die meiste Zeit fast leer steht. «Hirschen»-Wirt Dino Mengisen focht die Aufhebung der Verfügung an.
Laut den Unterlagen zum Entscheid des Regierungsrats, die der «Volksstimme» vorliegen, wurde die Nutzung der Parkplätze über Jahrzehnte hinweg «wiederholt bestätigt und als Praxis gelebt» – zuletzt 2011 und 2013, jeweils schriftlich durch die Gemeinde Diegten. Diese Praxis habe «eine gefestigte Position begründet», die der Gemeinde den abrupten Entzug verunmögliche, so der Regierungsrat weiter. Auch Mengisen ging davon aus, dass sein Nutzungsrecht weiterhin bestehen bleiben werde: «Hätte ich gewusst, dass der Gemeinderat mir in den Rücken fallen würde, hätte ich Einspruch gegen den Neubau erhoben.» Der Diegter Gemeindepräsident Ruedi Ritter weist diesen Vorwurf zurück. Die Verfügung sei aufgehoben worden, um die Parkplatzsituation auf dem Schulareal prinzipiell neu regeln zu können. Zum laufenden Verfahren will Ritter sich nicht äussern.
Die Gemeinde argumentiert gemäss Verfahrensunterlagen, es habe nie eine Dienstbarkeit gegeben, was bedeutet, dass das Nutzungsrecht nie öffentlich beglaubigt und im Grundbuch eingetragen worden sei. Die Nutzung sei stets «auf Zusehen hin» erfolgt.
Schon die Familie Thommen als Vorbesitzerin des «Hirschens» versuchte mehrmals, eine im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit zu erwirken, wurde vom Gemeinderat aber mit der Zusicherung der weiteren Nutzung vertröstet, ist den Akten zu entnehmen. Ebenfalls brisant ist, dass die Familie der Gemeinde in den 1960er-Jahren einen Landabtausch und ein Näherbaurecht gewährte; ohne diese hätte die Turnhalle in ihrer heutigen Form nicht gebaut werden können. Erst aufgrund dieses Landabtauschs ist der «Hirschen» – um für den Betrieb genügend Parkplätze zu haben – auf das Nutzungsrecht der Gemeinde angewiesen.
Der Regierungsrat weist in seinem Entscheid darauf hin, dass trotz fehlender Dienstbarkeit durch die wiederholten schriftlichen Bestätigungen eine öffentlich-rechtliche Zusicherung entstanden sei, die nicht abrupt widerrufen werden dürfe, sofern es keine neuen Tatsachen gebe. Er stützt sich dabei auf das Prinzip von Treu und Glauben.
«Treuwidrig»
Die Gemeinde macht für den Entzug der Verfügung ein «öffentliches Interesse» an einer «einheitlichen Parkraumbewirtschaftung» geltend. Begründet wird dies mit einem gesteigerten Bedürfnis nach Parkplätzen, insbesondere für den Schulbetrieb und der Spitzenbelastung durch das «intensive Vereinsleben» und diverse Anlässe.
In Diegten führte die Parkplatzsituation immer wieder zu Problemen, wie Gemeindeversammlungsprotokolle belegen. Bei grösseren Anlässen auf dem Schulgelände parkierten Besucherinnen und Besucher in den naheliegenden Quartierstrassen. Die Forderung nach einer Parkierregelung kam auf, der die Gemeinde mit einem Nachtparkierreglement nachkam. Bei der Absegnung des Kredits für die neue Aussensportanlage samt Einstellhalle gab es zudem kritische Voten, die den Nutzen der Einstellhalle für die Aktivitäten der Vereine infrage stellten. Der Bau wurde dennoch mit grossem Mehr abgesegnet.
Laut Regierungsrat hat die Gemeinde den angeblich erhöhten Bedarf für die Parkplätze allerdings nicht belegt, und nicht geprüft, inwiefern eine Parkraumbewirtschaftung das Nutzungsrecht des «Hirschens» verhindere. Zudem würden mit der neu gebauten Einstellhalle weiterhin genügend Parkplätze für den «Hirschen» zur Verfügung stehen. Vereinzelte Spitzenauslastungen rechtfertigten keine dauerhafte Aufhebung dieses Rechts und seien unverhältnismässig, schreibt der Regierungsrat. Auf den Fotos und Beschreibungen, welche die «Hirschen»-Seite im Verfahren einreichte, ist deutlich zu erkennen, dass selbst während des Schulbetriebs die Mehrheit der Parkplätze im Parkhaus unbesetzt bleibt und die Besucher die Fahrzeuge überwiegend auf den Plätzen vor dem Parkhaus und neben dem Schulgebäude parkieren. Mengisen bestätigt auf Anfrage, dass das Parkhaus nur ganz selten gut belegt sei.
Aufgrund der kostenpflichtigen Parkplätze im Parkhaus – eine Stunde kostet 1 Franken – würden die Leute auf die umliegenden Flächen ausweichen, sagt Gemeindepräsident Ritter. Die Gemeinde habe ohne das fehlende Reglement aber keine Handhabe. Mit diesem sollen jedoch die Grundlagen geschaffen werden, damit für den «Hirschen» die gleichen Rechte gelten wie für alle anderen Einwohnerinnen und Einwohner. Ausnahmen könne die Gemeinde dadurch keine mehr machen, so Ritter.
«Willkürlich»
Der Regierungsrat fand insgesamt deutliche Worte: Ein Entzug der Parkplatzbewilligung sei «treuwidrig», «willkürlich» und «unverhältnismässig». Die Gemeinde habe weder eine neue Gefahrenlage noch ein überwiegendes öffentliches Interesse dargelegt, das eine derart einschneidende Massnahme rechtfertigen würde. Sie könne sich zudem nicht auf selbst geschaffene Tatsachen stützen, um ein öffentliches Interesse geltend zu machen. Die Gemeinde habe das «Problem» mit dem Nutzungsrecht des «Hirschens» durch den Bau der Einstellhalle letztlich selbst erzeugt.
Warum war ein Kompromiss nicht möglich? Der Gemeinderat habe Gespräche verweigert und sei nicht kompromissbereit, kritisiert Mengisen. Ritter verweist auf die Möglichkeit, eine Monatsparkkarte in der Einstellhalle zu lösen, die nicht besonders viel koste.
«Unverhältnismässig»
Für Mengisen geht es um weit mehr als ein paar Parkplätze. Der Betrieb sei ohne diese «in seiner jetzigen Form nicht wirtschaftlich führbar», sagt er. Es gehe um die Basis seines Konzepts aus Restaurant, «Events» und «Bed & Breakfast». Um seine Zimmer zu vermieten, sei er auf die Parkplätze angewiesen. Die Hotelgäste kämen überwiegend mit dem Auto. Ohne die zusätzlichen Parkplätze hätte er den «Hirschen» damals nicht gekauft, sagt er.
Seit Beginn des Streits wird er nach eigenen Angaben regelmässig von Gästen gefragt, ob sie überhaupt hinter dem Haus parkieren dürfen. Diese Unsicherheit belaste den Betrieb. Mengisen schildert ausserdem, wie sich die Auseinandersetzung finanziell auswirkt: «Wir zahlen uns selber weniger Lohn aus, damit wir den Anwalt finanzieren können.»
Er erhebt auch politische Vorwürfe: «Der Gemeinderat nutzt seine Machtstellung aus, indem er mit Steuergeldern prozessiert.» Dass die Gemeinde durch ihre Maximalforderungen ein teures Gerichtsverfahren erzeuge und dadurch die finanzielle Existenz eines KMU-Betriebs riskiere, der ausserdem in dieser Gemeinde Steuern zahle, findet Mengisen stossend.
Vom Kanton habe er dagegen viel Verständnis erfahren. Als Mengisen 2023 ein Baugesuch für den Umbau von Zimmern einreichte, habe die Gemeinde Einsprache mit der Begründung erhoben, der «Hirschen» verfüge über zu wenig Parkplätze. Der Kanton erteilte dennoch die Bewilligung, die für ein ähnliches Projekt der Vorgängerfamilie bereits zehn Jahre zuvor erteilt worden sei, so Mengisen.
Die Gemeinde argumentiert, dass sich die Nutzung durch das «Bed & Breakfast» intensiviert habe – insbesondere durch längerfristig vermietete Zimmer. Das sei nicht mehr dieselbe Situation wie vor Jahrzehnten.
Mengisen widerspricht: Die längerfristigen Gäste seien reguläre Hotelkunden, die morgens zur Arbeit gehen und abends zurückkehren. Die Nutzung unterscheide sich «überhaupt nicht» von jener normaler Hotelgäste. Das «Bed & Breakfast» sei für ihn Teil der Altersvorsorge, denn das Führen eines Gastrobetriebs sei hart geworden. Das Beizensterben in den Dörfern zeige das, so Mengisen: «Wir wirten mit Margen im tiefen einstelligen Prozentbereich. In der heutigen Zeit, in der viele Gastrobetriebe um ihre Existenz kämpfen, ist es essenziell, sich mehrere Standbeine aufzubauen, um zu überleben.» Er wehre sich nicht einfach aus Prinzip, sondern weil die Existenz seines Betriebs auf dem Spiel stehe. Während der Corona-Pandemie habe er zwei Jahre lang sieben Tage die Woche gearbeitet, um seinen Angestellten den vollen Lohn auszuzahlen. Der Regierungsrat stützte sich bei seinem Entscheid ebenfalls auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage des Gasthofs.
Mit dem Weiterzug ans Kantonsgericht wird der Konflikt auf eine nächste Stufe gehoben. Für die Gemeinde Diegten birgt das ein Prozessrisiko. Der Regierungsrat betonte in seinem Entscheid, ein gegenteiliges Urteil des Gerichts würde das Vertrauen in kommunale Zusicherungen generell untergraben. Sollte das Kantonsgericht diesen Einschätzungen folgen, stünde der Gemeinderat unter Zugzwang. Für den Gasthof Hirschen wiederum bedeutet der Weiterzug eine weitere Verzögerung. Die Rechtsunsicherheit bleibt bestehen – und damit auch die wirtschaftliche Belastung. Mengisen vermutet dahinter eine Strategie: «Ich denke, der Gemeinderat spielt auf Zeit und spekuliert darauf, dass wir irgendwann aufgeben werden.»
Mengisen hält eine Aussöhnung zwar nicht für ausgeschlossen, aber im Moment kaum für realistisch. «Wir sind ja nicht im Krieg», sagt er, «aber es müsste für beide stimmen, nicht nur für eine Seite.»


