«Wir wachsen aus einer Nische zu einem Hauptmarkt der Pharma-Industrie»
10.01.2025 BubendorfThomas Meier hat in seiner Zeit als CEO der Bachem nur eine Entwicklungsrichtung gesehen – nach oben. In den nächsten Jahren steht ein weiterer Schub bevor: Der Umsatz soll bis Ende 2026 auf 1 Milliarde Franken ansteigen. Möglich macht dies die neue Produktionsanlage in Bubendorf. ...
Thomas Meier hat in seiner Zeit als CEO der Bachem nur eine Entwicklungsrichtung gesehen – nach oben. In den nächsten Jahren steht ein weiterer Schub bevor: Der Umsatz soll bis Ende 2026 auf 1 Milliarde Franken ansteigen. Möglich macht dies die neue Produktionsanlage in Bubendorf. Produktemässiger Treiber sind Peptide, die Bachem für Medikamente gegen Fettleibigkeit herstellt.
Andreas Hirsbrunner
Herr Meier, das neue Produktionsgebäude der Bachem ganz im Süden von Bubendorf spielt eine zentrale Rolle in Ihrer Zukunftsplanung. Es hätte bereits in diesem Jahr fertiggestellt werden sollen. Wieso hat es nicht gereicht?
Thomas Meier: Das ist ein sehr komplexer Bau, bei dem wir jetzt kurz davor sind, auf den ersten Anlagen zu produzieren. Davor müssen sehr viele unterschiedliche Apparaturen und Steuerungselemente ineinandergreifen und zusammen funktionieren. Deshalb ist bei der Inbetriebnahme so eines Baus immer wieder mit Unsicherheiten zu rechnen. Wir gehen jetzt davon aus, dass wir im zweiten Quartal 2025 die Prüfungsphase für die erste Produktionslinie abschliessen können.
Ab wann laufen dann die Anlagen im neuen Produktionsgebäude auf Vollbetrieb?
Das Gebäude ist modular geplant. Ganz wichtig ist, dass wir jetzt die erste Linie in Betrieb nehmen können, gleichzeitig laufen die Bauarbeiten an weiteren Produktionslinien. Für 2026 planen wir, drei Produktionslinien im neuen Gebäude zu betreiben.
Was wird im neuen Gebäude vor allem produziert?
Bachem ist seit über 50 Jahren auf Peptide und Oligonukleotide spezialisiert. Auch das neue Gebäude ist fokussiert auf diese beiden Produkteklassen, wobei wir im Moment vor allem Aufträge für Peptide aus dem Gebäude beliefern werden. Peptide kommen in vielen unterschiedlichen Indikationen zum Einsatz, darunter Diabetes, Fettleibigkeit oder Krebs. Am meisten öffentliche Aufmerksamkeit erhalten im Moment Medikamente gegen Fettleibigkeit. Das sind ehemalige Diabetes-Medikamente, die jetzt höher dosiert werden und zu erheblichem Gewichtsverlust führen. Gleichzeitig verbessert sich auch die Gesundheit des Herzens und die Entzündungswerte sinken. Der Nutzen ist also breit.
Medien haben spekuliert, dass die von Ihnen vor etwa zwei Jahren bekannt gegebenen Grossaufträge mit einem Umsatzpotenzial von über 1,2 Milliarden Franken im Zusammenhang mit den boomenden Abnehmspritzen stehen. Sind denn alle drei Produktionslinien im neuen Gebäude auf die Fettweg-Medikamente ausgerichtet?
In unserer Branche gilt eine sehr hohe Vertraulichkeit mit Aussagen zu Verträgen mit Kunden. Wir können auf den Anlagen verschiedene Produkte herstellen. Deshalb ist es immer eine Momentaufnahme, was wir produzieren und kann vielleicht in ein paar Jahren anders aussehen. Natürlich treibt die Nachfrage nach den Wirkstoffen vor allem für Diabetes und Fettleibigkeit den Markt.
Somit dürfte die eingetretene Entwicklung, dass Fettleibigkeit als chronische Krankheit und nicht mehr als Willenlosigkeit angesehen wird und damit die Medikamente dagegen von den Kassen bezahlt werden, für Sie wie ein Sechser im Lotto sein.
Das hat nichts mit einem Sechser im Lotto zu tun. Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren bei Bachem an Peptid-Wirkstoffen. Man kann sie in relativ kleiner Dosis verabreichen und sie wirken sehr spezifisch im Körper mit gleichzeitig wenig Nebenwirkungen. Die neuen Medikamente wirken nachweislich im Hirn und reduzieren das Appetitgefühl. Es ist nicht fehlender Wille abzunehmen, sondern der Körper verlangt nach Kalorien und man hat immer Hunger, weil er sich ans Gewicht gewöhnt hat. Dass man nun auch Betroffenen mit Fettleibigkeit helfen kann, ist eine tolle Leistung der Wissenschaft.
Aber aus ökonomischer Sicht ist der Sinneswandel ein Glücksfall für Sie.
Natürlich ist das für uns eine angenehme Entwicklung, aber sie ist nicht ohne Herausforderungen. So haben wir das neue Produktionsgebäude ursprünglich für kleinere Mengen geplant und dann angepasst, damit wir die Nachfrage nach grösseren Mengen abdecken können. Die Verzögerung, von der wir am Anfang gesprochen haben, hat auch mit dieser Marktausrichtung zu tun. Diese Fähigkeit des Teams, sich an die Marktnachfrage anpassen zu können, ist für uns der Glücksfall.
Schiesst nun die Produktion von Peptiden gegen Fettleibigkeit oben aus oder sind von den hergestellten Quantitäten her Peptide gegen andere Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen für Bachem ebenso wichtig?
Der Bedarf nach den neuen Medikamenten für immer mehr Patienten stellt den Peptide-Markt auf den Kopf. Wir wachsen aus einer Nische zu einem Hauptmarkt der pharmazeutischen Industrie. Neben Übergewicht werden aber auch Wirkstoffe gegen Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Diabetes sehr gut nachgefragt. Ich rechne damit, dass die Nachfrage nach Peptiden insgesamt weiter stark steigen wird.
Das dürfte auch der Grund sein, dass Bachem auf dem Sisslerfeld in Eiken Land im Umfang von 155 000 Quadratmetern gekauft hat. Wie sieht hier die Planung aus? Werden die ersten Bauten wie angekündigt Ende der 2020er-Jahre stehen?
Wir wollen Ende des Jahrzehnts dort produzieren. Doch bevor wir das erste Produktionsgebäude aufstellen können, müssen wir gewisse Zentrumsleistungen erbringen und Lagerkapazitäten aufbauen. Derzeit erstellen wir in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau den Entwicklungsrichtplan. Als erstes wird der Kanton die sogenannte Südspange als Erschliessungsstrasse bauen. Sobald wir mehr zu unserem Fahrplan sagen können, werden wir darüber informieren.
Ist ein Endausbau mit 3000 Arbeitsplätzen auf dem Sisslerfeld nach wir vor das Ziel?
Ja, dieses Potenzial ist langfristig gegeben. Ich habe ein grosses Interesse, auf dem Sisslerfeld so schnell wie möglich auszubauen. Die Ausbaugeschwindigkeit wird aber letztlich von der Marktsituation abhängen. Wir konzentrieren uns jetzt auf das neue Produktionsgebäude in Bubendorf und wollen das gut in Betrieb nehmen. Gleichzeitig sind wir in Planung der ersten Ausbauschritte im Sisslerfeld. So geht eines nach dem anderen.
Zurück nach Bubendorf. Hier haben Sie nicht nur das neue Produktionsgebäude gebaut, sondern in den vergangenen Jahren auf dem ehemaligen Tiba-Areal auch einen eigentlichen Campus mit neuem Bürogebäude inklusive Kantine und Kita sowie ein grosses Parkhaus erstellt. Für mehr hat es kaum noch Platz. Oder wollen Sie noch die Garage Büchi kaufen, die wie eine Enklave im Bachem-Gelände liegt?
(lächelt) Wir sind zufrieden mit dem, was wir in Bubendorf haben, und es ist so, dass es keinen Raum mehr für grössere Ausbauten gibt. Aber kleinere Optimierungsschritte und Technologieausbauten laufen immer. So hat es neben dem neuen Bürogebäude noch einen Lagerplatz für kleinere Investitionen.
Noch zum Parkhaus: Sie stellen einen Grossteil der 1100 Plätze dem Nordwestschweizer Jodlerfest in Reigoldswil im kommenden Juni zur Verfügung, damit die Besucherinnen und Besucher hier ihr Auto abstellen und mit dem Shuttle-Bus weiterfahren können. Ist das ein Zukunftsmodell für weitere Grossanlässe oder für schöne Wochenenden, damit die Wasserfallen-Touristen Reigoldswil nicht mehr mit Verkehr zudecken?
Wir machen das für bestimmte Anlässe, aber wir planen nicht, das Parkhaus an Wochenenden regelmässig zu öffnen. Wir engagieren uns gerne für die Region, aber es muss in einem vernünftigen Rahmen bleiben, denn die Sicherheit unserer Anlagen steht an oberster Stelle.
Weltweit beschäftigt Bachem 2000 Personen. Wie viele von diesen haben ihren Arbeitsplatz in Bubendorf, und in welchen Bereichen?
In Bubendorf arbeiten derzeit rund 1700 Personen, davon 900 in der Produktion und 400 in der Nachproduktion wie der Qualitätskontrolle. Die restlichen 400 arbeiten in der Administration, dem Ingenieurwesen und im Einkauf und Vertrieb. Wir sind somit ein Herstellungswerk mit modernen Produktionsarbeitsplätzen. Das gibt eine hohe Stellensicherheit, denn man kann die Plätze nicht einfach verlegen, und auch künstliche Intelligenz kann diese Arbeitsstellen nicht wegrationalisieren.
Und da kommen jetzt nochmals gegen 300 Arbeitsplätze im neuen Produktionsgebäude dazu?
In einem ersten Schritt werden es um die 100 sein und in einem zweiten nochmals 100. Am Ende geht es in die Richtung, die Sie sagen. Das hängt noch etwas vom Produktemix und vom Schichtsystem ab, das wir letztlich fahren werden. Gegenwärtig sind wir in unseren Werken in Bubendorf und in den USA am Ausbauen des Schichtsystems auf 24 Stunden an sieben Tagen die Woche.
Gibt es später Personal-Verschiebungen von Bubendorf aufs Sisslerfeld?
Nein, auf dem Sisslerfeld gibt es zusätzliche Arbeitsplätze. Wir wollen die beiden Produktionsstandorte eng koordiniert betreiben und haben ganz bewusst nach einem zweiten Standort in der Nordwestschweiz gesucht, um Synergien zwischen Bubendorf und Sisslerfeld nutzen zu können. Wir sind aber auch sehr gerne in der Nordwestschweiz, weil wir hier viele hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden können. Und wir schätzen auch die gute Zusammenarbeit mit den Lieferanten, die viel verstehen von Pharma. Das Umfeld in der Nordwestschweiz ist schon sehr gut.
Bezüglich Mitarbeiter fällt auf, dass Sie viele Deutsche beschäftigen. Wieso?
Wir haben in Bubendorf sogar mehr Deutsche als Schweizer angestellt. Das liegt am Dreiländereck, aber auch damit zusammen, dass sich viele deutsche Hochschulen auf Peptide fokussiert haben.
Im vergangenen Jahr haben Sie einen Umsatz von 577 Millionen Franken erzielt. Für dieses Jahr prognostizierten Sie ein Wachstum im mittleren bis hohen einstelligen Bereich. Das gäbe einen Umsatz um die 620 Millionen. Sind Sie auf Kurs?
Wir sind ein börsenkotiertes Unternehmen und publizieren unsere Zahlen am 27. Februar. In unserem Geschäft sind die letzten Monate eines Jahres sehr wichtig, weil der grössere Teil des Wachstums im zweiten Halbjahr anfällt.
Und wie sieht die nähere Zukunft aus?
Unser Ziel ist ein Umsatz von 1 Milliarde Franken im Jahr 2026. Der nächste grosse Schub kommt danach, wenn wir das neue Produktionsgebäude auf dem Sisslerfeld gebaut haben.
Bachem im Kurzporträt
hi. 1971 von Peter Grogg in Liestal gegründet, zog die damalige Kleinfirma Bachem – der Name steht für Basel Chemie – ein paar Jahre später mit acht Mitarbeitern nach Bubendorf. Bubendorf ist noch heute der Hauptsitz der Bachem, zusätzlich gibt es Werke in Vionnaz im Kanton Wallis, zwei in Kalifornien und eines in England sowie ein Verteilzentrum in Tokio. Wie wichtig der Produktionsstandort Bubendorf im Vergleich zu den Aussenstellen ist, zeigen die Mitarbeiterzahlen: Weltweit beschäftigt Bachem derzeit etwas über 2000 Personen, davon arbeiten rund 1700 in Bubendorf. Im Jahr 2023 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 577,3 Millionen Franken. Mit Abstand wichtigstes Standbein ist die Produktion von Peptiden, bei denen Bachem als Weltmarktführer gilt. Peptide sind aus Aminosäuren aufgebaute Moleküle, die kleiner sind als Proteine (Eiweisse); ab einer Kette von 100 Aminosäuren spricht man von einem Protein.
Peptide kommen als Wirkstoff in Medikamenten gegen diverse Krankheiten von Krebs über Herz-Kreislaufstörungen bis Diabetes – und relativ neu und besonders lukrativ gegen Fettleibigkeit – zum Einsatz. Daneben produziert Bachem auch Oligonukleotide, allerdings in einem viel kleineren Rahmen. Oligonukleotide sind synthetisch hergestellte Moleküle, die etwa der Bekämpfung von Erbkrankheiten oder der Senkung von Cholesterin dienen. Mehrheitsaktionäre der Bachem sind mit einem Aktienanteil von über 57 Prozent nach wie vor Gründer Peter Grogg und seine Familie.