«Wir sind von der Musik besessen»
29.08.2024 MaisprachDie gefeierten Geschwister Toth treten gemeinsam in Rheinfelden auf
Anatol, Manoush und Anouk Toth aus Maisprach sind trotz ihrer Jugend alle drei individuell hochbegabte Musiker. Am Sonntag zeigen die drei Geschwister in der Kapuzinerkirche in Rheinfelden für einmal gemeinsam ihr ...
Die gefeierten Geschwister Toth treten gemeinsam in Rheinfelden auf
Anatol, Manoush und Anouk Toth aus Maisprach sind trotz ihrer Jugend alle drei individuell hochbegabte Musiker. Am Sonntag zeigen die drei Geschwister in der Kapuzinerkirche in Rheinfelden für einmal gemeinsam ihr Können an einem Konzert.
Jürg Gohl
Solche Tage sind in ihrem Leben selten. Als die Geschwister Anatol (21), Manoush (18) und Anouk (15) Toth aus Maisprach mit ihren Eltern kürzlich in die Ferien ans Meer gefahren sind, war es ihnen auf der Hin- und Rückfahrt nicht möglich, auf ihren Instrumenten zu üben. «Die anderen 363 Tage im Jahr sitzen sie an ihren Instrumenten und üben», sagt Vater Peter Toth. Und Sohn Anatol ergänzt: «Auf der langen Fahrt übten wir wenigstens im Kopf. Das geht auch.»
Die Badeferien wurden der musikversessenen Familie auch nur ermöglicht, weil sie über Freunde ein Haus am Meer fanden, das über ausreichend Zimmer und ein frisch gestimmtes Klavier verfügt. Die Ferientage verlaufen denn auch nach einem fixen Muster: aufstehen, schwimmen, üben, essen, üben, schwimmen. Ferienbräune sucht man in ihren Gesichtern vergeblich. Bis zu sieben Stunden üben die Geschwister pro Tag, sieben Tage die Woche natürlich. Die Frage, die sich bei diesem Pensum aufdrängt, warten sie erst gar nicht ab. «Wir machen das freiwillig, wir sind von der Musik besessen», sagt der Älteste, und die Jüngste, Anouk, ergänzt: «Natürlich üben wir nicht jeden Tag mit der gleichen Freude.»
Zur Musik fanden sie über ihre Mutter Judith. Sie ist Musiklehrerin und spielt Geige. Der kleine Sohn wollte ihr nacheifern. Die Eltern erzählen gerne, wie er sich zu seinem dritten Geburtstag wünschte, Geige spielen lernen zu dürfen. So wurden auch die zwei Töchter, die jeweils im Abstand von drei Jahren zur Welt kamen, von dieser Begeisterung erfasst. Manoush wechselte von der Geige schon früh zum Klavier. «Wohl auch, um sich von ihrem grösseren Bruder abzugrenzen», mutmasst Anouk, die sich selber hinter das Cello setzt, weil sie sich, wie sie erklärt, mit der Geige nicht zurechtfand.
Renommierte Ausbildungsplätze
Die Liste der Preise, mit denen alle drei bereits ausgezeichnet wurden, ist lang, ebenso die aller grossen Tonhallen, in denen sie auftraten. Altersbedingt am längsten ist das Palmarès bei Anatol, der einst auch im Schach beim Nachwuchs zur nationalen Spitze zählte, diese Leidenschaft dann aber zugunsten der Musik aufgab. So wird er mit erst neun Jahren stellvertretender Konzertmeister im baskischen Jugendorchester, als die Familie in Spanien wohnt; er ist der erste Schweizer Halbfinalist in der Menuhin Competition, gewinnt im Ausland andere Wettbewerbe, etwa um die beste Beethoven-Interpretation. Er wird von namhaften Musikern unterrichtet. Vor zwei Jahren verlässt er die Musikakademie Basel und folgt der Einladung, in Boston bei der renommierten Geigenprofessorin Miriam Fried zu studieren.
Dafür bilden sich seine Schwestern in Basel weiter. Beide haben in ihren Laufbahnen im In- und Ausland bereits etliche Preise gewonnen. Anouk, die jüngere, gibt mit ihrem Cello mit zehn Jahren ihr Debüt in einem Symphonieorchester und tritt mit den Heidelberger Symphonikern auf. Manoush, die Pianistin, erhält Preise für «beste Interpretationen», etwa von Bach. «Auszeichnungen sind aber nur etwas Oberflächliches», sagt Anatol, «uns geht es nur um die Musik. Unsere Hingabe ist fast religiös.»
Das voll auf die Musik ausgerichtete Familienleben führt auch dazu, dass die Familie oft ihren Wohnsitz wechseln muss. Anatol kommt im Baselbiet, genauer in Laufen, zur Welt, seine Schwestern werden auf den Kanarischen Inseln geboren. Sie leben lange im Baskenland, und Mutter Judith unterrichtet sie dort. Zuletzt leben sie in Guggisberg. Als die Schwestern neu in Basel unterrichtet werden, ist der nächste Zügeltermin unausweichlich. Vergangenen Sommer finden sie in Maisprach ein ideales Haus. Seither sind sie im Oberbaselbiet heimisch.
Einfach ist die Suche nach einem Zuhause für die Toths nicht. Denn: «Bei uns wird jeden Tag von früh bis spät musiziert», erzählt Anouk. Nachbarn, selbst Musikliebhabern, sei das nicht zumutbar. Meist üben die drei Geschwister individuell und zur gleichen Zeit in ihren Zimmern, um ihre Solokarrieren voranzutreiben, und sorgen damit im Hause Toth für eine Kakofonie.
Symphonisch wird es nur, wenn sie für gemeinsame Konzerte wie an diesem Wochenende üben. Dann erteilen sie sich gegenseitig Ratschläge, wie gewisse Passagen noch besser interpretiert werden können, und diskutieren die Bilder, die gewisse Passagen in ihnen auslösen. «Am Anfang gab dabei der grosse Bruder im wahrsten Sinne den Ton an», erzählt Anouk, «inzwischen geschieht das auf Augenhöhe.» Schon mehrfach sind sie gemeinsam aufgetreten und dafür gefeiert worden. Der Vater betont aber wiederholt: «Auch wenn sie noch jung und Geschwister sind, so sind sie individuell zu betrachten.»
Einschränkungen im Alltag
Ihr auf die Musik ausgerichtetes Leben fordert neben den vielen Wohnortswechseln noch in anderen Bereichen Einschränkungen. Sie werden von Beginn an nach dem «Homeschooling»-Modell von ihren Eltern unterrichtet, weil bei ihrem Pensum der Besuch einer Regelklasse keinen Platz findet. Obwohl die Grosseltern des Vaters einst aus Ungarn in die Schweiz flohen und er normal Dialekt spricht, reden die Kinder Hochdeutsch, die Sprache ihrer Mutter. «Die Musik bereichert uns und trägt viel Soziales in sich. Zugleich isoliert sie uns auch», beschreibt der Vater die Situation treffend.
Auch finanziell ist die Familie nicht unbedingt auf Rosen gebettet. Daraus macht Peter Toth, der in eine Art Managerrolle der musikalischen Familie gerutscht ist, kein Geheimnis. Im Vergleich zu anderen Ländern nehme sich die finanzielle Unterstützung in der reichen Schweiz eher bescheiden aus. Aber wer wie die Toths auf die Musik so sehr versessen ist, nimmt das gerne in Kauf.
Konzert von Anatol, Manoush und
Anouk Toth, Sonntag, 18 Uhr,
Kapuzinerkirche in Rheinfelden.
www.toth-music.com