«Wir müssen den Dienst wieder attraktiver machen»
31.10.2025 Gesellschaft, Bezirk LiestalMit dem traditionellen «Stedtlimarsch» in Liestal dankten gestern die Truppen unter dem Kommando von Oberst Marcel Winiger dem Kanton und der Stadt für das jahrzehntelange Gastrecht. Winiger verlässt den Standort und zieht zur Zusammenarbeit Bilanz.
Willi ...
Mit dem traditionellen «Stedtlimarsch» in Liestal dankten gestern die Truppen unter dem Kommando von Oberst Marcel Winiger dem Kanton und der Stadt für das jahrzehntelange Gastrecht. Winiger verlässt den Standort und zieht zur Zusammenarbeit Bilanz.
Willi Wenger
Herr Oberst Winiger, seit wann führen Sie die Infanterie Offiziersschule, und seit wann sind Sie Waffenplatzkommandant in Liestal? Marcel Winiger: Seit vier Jahren. Ende Jahr gebe ich mein Kommando ab und wechsle nach Aarau, wo ich das Kommando der Koordinationsstelle 2 übernehme.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit der Stadt Liestal und den Standortgemeinden des Waffenplatzes Liestal?
Sehr positiv. Wir begegnen uns auf Augenhöhe – offen, respektvoll und konstruktiv. Konflikte gibt es praktisch keine. Die hiesige Bevölkerung ist der Armee gegenüber wohlgesinnt, das macht vieles leichter.
Und wie steht es mit der Zusammenarbeit mit dem Kanton?
Ebenso hervorragend! Besonders freuen wir uns über die Investitionen in die Kaserne: neue Zimmer, sanierte Nasszellen, eine moderne Küche und ein Zutrittssystem, das unsere Sicherheit erhöht. Das ist ein klares Zeichen der Wertschätzung.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus – gibt es Bestandsprobleme?
Nein. In der Offiziersschule bilden wir zweimal im Jahr pro Lehrgang 100 bis 110 Aspirantinnen und Aspiranten aus, rund 10 Prozent davon Frauen. Davon kommen rund zwei Drittel aus der Deutschschweiz, rund ein Drittel aus der Romandie und wenige Personen aus dem Kanton Tessin. In der Infanteriebereitschaftskompanie leisten etwa 120 Frauen und Männer ihren insgesamt 43-wöchigen Durchdienerdienst.
Der Bundesrat will den obligatorischen Orientierungstag für Schweizerinnen einführen. Ein Gewinn für die Armee?
Auf jeden Fall. Der Orientierungstag hilft, genügend Nachwuchs für Armee und Zivilschutz zu sichern. Denn klar ist: In den kommenden Jahren droht der Armee ein Personalmangel, weil viele vorzeitig austreten.
Warum treten diese vorzeitig aus?
Derzeit verlassen jährlich rund 10 000 bis 11 000 Personen die Armee vor dem regulären Dienstende. Etwa 60 Prozent wechseln in den Zivildienst, rund 30 Prozent scheiden aus gesundheitlichen Gründen aus. Diese hohe Zahl zeigt: Wir müssen neue Wege finden, um den Dienst wieder attraktiver zu machen.
Bezüglich der langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems ist von zwei Varianten die Rede. Können Sie das erläutern?
Ja. In der Politik werden derzeit zwei Varianten diskutiert: Sicherheitsdienstpflicht und bedarfsorientierte Dienstpflicht. Bei der Sicherheitsdienstpflicht wären alle Schweizerinnen und Schweizer verpflichtet, einen Beitrag zur Sicherheit zu leisten – sei es in der Armee, im Zivildienst oder im Zivilschutz. Es gäbe also keine Ausnahme mehr: Jede und jeder müsste etwas tun. Bei der Bedarfsorientierten Dienstpflicht würden nur so viele Personen eingezogen, wie tatsächlich benötigt werden. Wer nicht gebraucht wird, müsste keinen Dienst leisten. Beide Modelle hätten Vor- und Nachteile. Die Sicherheitsdienstpflicht garantiert eine breite, allgemeine Beteiligung an der Landesverteidigung, führt jedoch teils zu ungenutztem Potenzial und Ineffizienz, während die bedarfsorientierte Dienstpflicht gezielter auf tatsächliche sicherheitspolitische Bedürfnisse ausgerichtet ist, dafür aber das Prinzip der allgemeinen Pflicht und Gleichbehandlung schwächt. Klar ist aber: Wenn wir die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz erhalten wollen, müssen wir jetzt über neue Lösungen nachdenken.
Wie viele Personen arbeiten an Ihrem Kommando?
Rund 20 Berufsmilitärs – Stabsoffiziere, Hauptleute, Subalternoffiziere und Unteroffiziere – sowie zwei zivile Mitarbeitende des Bundes und vier des Kantons. Zudem sind wir Lehrbetrieb: In der Küche bilden wir derzeit drei Kochlehrlinge aus. Darauf bin ich besonders stolz.
Ein Blick auf den «Stedtlimarsch»: ein Erfolg oder eine Pflichtübung?
Ganz klar ein Erfolg! Mehr als 300 Armeeangehörige mit gepanzerten und leichten Armeefahrzeugen nahmen teil, dazu Militärmusik und viele Gäste aus Politik, Polizei und Feuerwehr. Der «Stedtlimarsch», der in dieser Form erstmals 2018 stattfand, zeigte eindrücklich, wie eng Armee und Bevölkerung miteinander verbunden sind.
Zur Person
en. Oberst Marcel Winiger (51) begann seine militärische Laufbahn als Grenadier in Isone. Nach zahlreichen Führungsfunktionen übernahm er 2021 das Kommando der Infanterie Offiziersschule Liestal. Vor 21 Jahren startete er seine Karriere als Berufsoffizier, nachdem er an der ETH Zürich das Bachelorstudium in Staatswissenschaften erfolgreich abgeschlossen hatte. Vor fünf Jahren absolvierte er zusätzlich den Master in Effective Leadership an der Universität Luzern. Oberst Winiger ist verheiratet, Vater von vier Söhnen und lebt in Rothenburg (LU). In seiner Freizeit fährt er gerne Bike oder Ski, kocht und liest.


