«Wir brauchen den Spielraum»
03.10.2025 SissachAltersheim-Leiterin Mireille Dimetto zur «Mülimatt»-Erweiterung
Der Gemeinderat hat den Bedürfnissen des Altersheims Mülimatt gegenüber denen der genossenschaftlichen Alterssiedlung Sissach den Vorzug gegeben (siehe «Volksstimme» von gestern). ...
Altersheim-Leiterin Mireille Dimetto zur «Mülimatt»-Erweiterung
Der Gemeinderat hat den Bedürfnissen des Altersheims Mülimatt gegenüber denen der genossenschaftlichen Alterssiedlung Sissach den Vorzug gegeben (siehe «Volksstimme» von gestern). Heimleiterin Mireille Dimetto erklärt, weshalb das Heim auf das Grundstück angewiesen ist.
Christian Horisberger
Frau Dimetto, der Gemeinderat hat im Sinne des «Mülimatt» entschieden: Es kann sich frei entfalten. Sind Sie erleichtert?
Mireille Dimetto: Wir sind froh darüber, denn nun können wir in unserer Planung weiterfahren. Bereits heute ist der Mangel an stationären Betten und an anderen Formen der Altersarbeit wie zum Beispiel dem betreuten Wohnen klar ersichtlich. Ein Vorhaben wie das unsere ist auf einen weiten Horizont angelegt. Es ist deshalb höchst dringlich, jetzt mit der Planung weitermachen zu können, damit eine Realisierung angestrebt werden kann.
Wann ist diese realistisch?
Ein solches Vorhaben ist mit einem Realisationshorizont von rund zehn Jahren oder mehr zu betrachten. Das mag einem sehr lange vorkommen, jedoch sind die einzelnen Planungsschritte immer mit recht viel Zeitaufwand verbunden, auch, da verschiedene Instanzen berücksichtigt werden müssen. Zudem ist angedacht, bei laufendem Betrieb zum Endresultat zu gelangen, was eine längere Bauzeit bedingt. Dies bedeutet, dass innerhalb dieses Zeithorizonts einiges bereits in absehbarer Zeit realisiert werden kann, das ganze Projekt jedoch einen langen Atem benötigt.
Die geplante Erweiterung gilt insbesondere dem betreuten Wohnen. Weshalb will das «Mülimatt» diese Form der Altersbetreuung unter sein Dach nehmen?
Es ist für uns schon heute sehr schwer, die 140 Betten im stationären Bereich mit genügend Personal zu bedienen. Der Mangel an stationären Betten ist zwar demografisch erkennbar, aber es ergibt keinen Sinn, neue Pflegeheime zu bauen, wenn nicht genügend Personal vorhanden sein wird. Es ist deshalb naheliegend, eine Versorgungskette zu etablieren, die möglichst viel im ambulanten Sektor anbietet und eine modulare Versorgung anstrebt. Eine Abdeckung der Dienstleistung zwischen ambulanten und stationären Playern im gleichen Grosskomplex bietet viele Möglichkeiten, um mit höchster Flexibilität auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen zu können.
Das ist die Seite des Versorgers. Was haben die Bewohner davon?
Betreutes Wohnen in einem Komplex, in dem ambulant und stationär zusammenfliessen, ist deshalb erstrebenswert, da der betagte und bedürftige Mensch in der Eintrittswohnform viel länger verbleiben kann. Und wenn es dann doch noch einen Wechsel bedingt, kann dieser unter Umständen im gewählten Wohnobjekt mit mehr Versorgung stattfinden, ohne dass nochmals ein belastender Umzug stattfinden muss.
Heisst das, dass sich das Zimmer der Bewohnerin oder dem Bewohner anpasst?
Unter Umständen ja. Ein stationäres Zimmer muss nicht als solches fix zementiert werden, sondern wandelbar genutzt werden können – zumindest ein Teil dieser Betten. Ebenso sollen die Wohnformen des betreuten Wohnens dereinst eben auch die stationäre Betreuung zulassen. Es ist auch denkbar, dass Synergien beim Personal genutzt werden können zwischen Arbeiten in einem stationären sowie auch in einem ambulanten Angebot.
Welche Überschneidungen gibt es zwischen den Alterswohnungs-Angeboten der heutigen Alterssiedlung und dem betreuten Wohnen, wie Sie es anstreben? Sind sie sich nicht sehr ähnlich? Konkurrenzieren sie sich gar?
Die Alterswohnungen der Genossenschaft haben zum Ziel, günstigen Wohnraum anzubieten. Beim betreuten Wohnen geht es um ein Zusammenspiel von Wohnen mit Anspruch auf Betreuungsbausteine, die, wenn nötig, flexibel wählbar sein werden. Auch baulich unterscheiden sich die Angebote. Das betreute Wohnen muss komplexeren Ansprüchen und einer Wandelbarkeit entsprechen. Die Finanzierung ist dabei sehr unterschiedlich und muss im betreuten Wohnen politisch noch verankert werden.
Um seine Pläne verwirklichen zu können, beansprucht das Zentrum Mülimatt das heutige Grundstück der Alterssiedlung. Warum muss es genau dieser Standort sein?
Das «Mülimatt» will und muss seine 140 stationären Betten beibehalten. Ein Abbau wäre fatal. Damit wir bei laufendem Betrieb dieses Angebot nicht tangieren, müssen wir auf dem begrenzten Areal Rochademöglichkeiten generieren, um etappenweise einzelne Baukörper realisieren zu können. Dafür brauchen wir Spielraum auf dem gesamten Areal.
Welche Alternativen wurden geprüft? Weshalb sind sie durchgefallen?
Wir planen seit längerer Zeit und haben in unseren Überlegungen sehr viele Blickpunkte miteinbezogen: von externen, temporären Containerbauten über ein Provisorium in einem bestehenden, weiter entfernten Gebäudekomplex bis hin zu verschiedenen Machbarkeitsstudien auf dem Areal. Wir haben aber vor allem die Kontinuität unserer hohen Qualität nicht gefährden wollen. Dabei waren die finanziellen Aspekte ebenso wichtig, wie auch die Gefahr, dass wir Mitarbeitende verlieren, wenn wir zum Beispiel sehr weit weg ein Provisorium gewählt hätten. Ganz zu schweigen von Bewohnenden und Angehörigen, die einen weiten Anfahrtsweg und möglicherweise ein abgelegenes Areal nicht goutiert hätten. Unser Vorteil, im Zentrum von Sissach zu liegen, ist dabei auch ein Nachteil gewesen. In näherer Umgebung hätte es keine Ausweichmöglichkeit oder Platz für eine Erweiterung gegeben.
Laut der Präsidentin der Genossenschaft Alterssiedlung (GASS) hat die «Mülimatt»- Führung Alterswohnungen auf dem Areal nicht ausgeschlossen, aber gefordert, dass diese unter das Dach einer gemeinnützigen AG kommen. Weshalb lag dem APH an dieser Konstellation?
Wir haben über einen längeren Zeitraum hinweg in vielen Sitzungen mit der GASS mögliche Varianten besprochen und durch Machbarkeitsstudien sowie durch juristische Begleitung ausleuchten lassen. Ein solches Grossprojekt zu realisieren, mit verschiedensten Rechtsformen der einzelnen Player, ist fast unmöglich. Wir sprechen hier von einer Stiftung, von einer Genossenschaft, gegebenenfalls von der Spitex als Verein sowie von verschiedenen Grundstückverhältnissen (Baurecht, Eigentum usw.). Dabei braucht es zumindest während des Bauvorhabens einen gemeinsamen Nenner – ein Planungsgefäss. Hier wäre eine gemeinnützige AG als Möglichkeit denkbar gewesen – eine durchaus gängige Variante für ein solch grosses Vorhaben.
Das «Mülimatt» hat «gewonnen», die Alterssiedlung «verliert». Was unternimmt das Altersheim für die Menschen, die ihre Wohnung verlassen müssen?
Für die Menschen, die in einigen Jahren betroffen sein könnten, wird eine Lösung gesucht. Dazu wird auch das «Mülimatt» Hand bieten und versteht sich nach wie vor als Kooperationspartner einer zukunftsgerichteten und umfassenden Altersarbeit.
Genossenschaft geht über die Bücher
ch. Das Baurecht für die Parzelle der Genossenschaft Alterssiedlung Sissach (GASS) beim Altersheim wird nicht verlängert (siehe «Volksstimme» von gestern). Am Mittwochabend hat der Gemeinderat den betroffenen Parteien seinen Entscheid dargelegt. Damiana Imhof, die an der Besprechung als Vizepräsidentin die GASS vertrat, beschreibt das Treffen als konstruktiven Austausch, der für die Genossenschaft wichtige Erkenntnisse gebracht habe.
So sei deutlich geworden, dass seitens Gemeinde eine Heimfall-Entschädigung für die Liegenschaft mit 18 Mietwohnungen unbestritten ist. Ebenfalls sehr wichtig für die Genossenschaft sei, dass das Angebot der Gemeinde, am Bützenenweg auf einer Gemeindeparzelle einen Neubau mit Alterswohnungen prüfen zu dürfen, weiterhin gelte. Auch hier sei für die Genossenschaft unklar gewesen, ob diese Türe noch offensteht.
Allerdings werde die GASS die Augen gleichzeitig offen halten, falls ein Grundstück oder Haus zum Verkauf stehen sollte, das noch zentraler liegt, sagt Imhof: «Der heutige Standort beim Altersheim im Dorfzentrum ist perfekt.» Für den Vorstand gelte nun, sich zügig auf eine Strategie zu einigen und einen Neubau voranzutreiben. Dabei wäre auch zu prüfen, ob an den 22 Wohnungen vom Vorprojekt festgehalten oder die Anzahl erhöht werden soll. Ausgehend von der grossen Nachfrage wäre laut Damiana Imhof eine höhere Zahl anzustreben.
Die Wohnungsmieten im Haus am Teichweg 7, das die Genossenschaft abgeben muss, sind äusserst preiswert. Um auch neue Genossenschaftswohnungen günstig anbieten zu können, werde möglichst kosteneffizient und flächenreduziert gebaut, sagt Imhof. Ziel sei es – trotz der Herausforderung Neubau – im Vergleich preiswerte Mieten anbieten zu können.