«Wir brauchen Biodiversität in den Köpfen»
04.11.2025 BennwilFrüherer ETH-Professor mahnt zu mehr Weitsicht im Umgang mit Wald und Holz
Der Bennwiler Forstingenieur und frühere ETH-Professor Hans Rudolf Heinimann zeigte auf, wie stark sich die Forst- und Holzwirtschaft im Wandel befindet – und weshalb echte Nachhaltigkeit in der ...
Früherer ETH-Professor mahnt zu mehr Weitsicht im Umgang mit Wald und Holz
Der Bennwiler Forstingenieur und frühere ETH-Professor Hans Rudolf Heinimann zeigte auf, wie stark sich die Forst- und Holzwirtschaft im Wandel befindet – und weshalb echte Nachhaltigkeit in der Schweiz noch Zukunftsmusik ist.
Elmar Gächter
Es war so etwas wie ein Heimspiel für den Referenten. Gegen 60 Bennwilerinnen und Bennwiler füllten den Gemeindesaal bis zum letzten Platz, um ihren Mitbürger willkommen zu heissen und Spannendes über die sich im Wandel befindliche Forstund Holzwirtschaft zu erfahren. Der 71-jährige Hans Rudolf Heinimann war fast drei Jahrzehnte Inhaber der Professur für forstliches Ingenieurwesen an der ETH Zürich. Er ist in Bennwil als Sohn des langjährigen Försters Theodor Heinimann aufgewachsen und lebt heute mit seiner Frau in Zug. Sein Buch «Forst- und Holzwirtschaft im Wandel» erschien im Februar dieses Jahres. Der Anlass wurde von der Museumskommission Bennwil organisiert.
«Wir sind nicht so nachhaltig, wie es ab und zu heisst», eröffnete Heinimann und sprach damit sowohl die Bereitstellung als auch die Verwendung von Holz in der Schweiz an. Als Beispiel nannte er den Zellstoff als Material, das neben Altpapier für die Papierherstellung erforderlich ist. Heute werde in der Schweiz keine einzige Faser mehr aus Waldholz produziert. Die jährlich rund 100 000 Tonnen Zellstoff stammen aus Plantagen, aus grossen Flächen gezüchteter und schnell wachsender Baumarten. «Dass aber Tropenwälder verschwinden, liegt vor allem daran, dass Wald in Landwirtschaftsland, beispielsweise für Palmöl, umgewandelt wird», so Heinimann. Gleichzeitig würden auch genetisch modifizierte Bäume angebaut, was in China, Brasilien und den Vereinigten Staaten kommerziell zugelassen sei. Festhalten lasse sich jedoch, dass in der Schweiz rund 80 Prozent des Papierbedarfs aus recyceltem Altpapier stammen.
Der Forstingenieur zog Beispiele aus Regensdorf und Zug heran, um den Trend nach dem Bau von mehrstöckigen und bis zu 75 Meter hohen Hochhäusern überwiegend aus Holz aufzuzeigen. Die neue Technologie, insbesondere bei der Lösung des Brandschutzes, ermögliche einen grossen Umbruch. «Allerdings braucht es dafür nicht nur viel Holz, sondern auch Holzwerkstoffe wie Leimholz. Diese stammen heute nur zu rund 40 Prozent aus der Schweiz, der Rest wird importiert.» Laut Heinimann ist es zunehmend schwierig, grosse Industriewerke zu erstellen. «Für den Bau eines Plattenwerkes ist ein kompliziertes Bewilligungsverfahren nötig, das mehrere Bundesordner mit teuren Gutachten füllen kann.» Beim Stammholz gehe nach wie vor ein beträchtlicher Teil ins Ausland, was auch ökonomisch nachteilig sei. «Die Wertschöpfung erfolgt nicht beim Rohstoff, sondern beim Veredeln des Holzes», betonte Heinimann.
Es sind neue Ideen gefragt
Der Referent sprach den Kohlenstoffkreislauf im Wald an und fragte, welchen Beitrag der Wald zum Klima leistet. «Bäume speichern nicht nur CO2, sondern geben es mit der Atmung und abgestorbener Biomasse am Boden auch wieder in die Atmosphäre frei.» Eine Klimaschutz-Strategie sei vielmehr massive Aufforstung. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, müsste man Schätzungen zufolge rund 7 Millionen Quadratkilometer – die Fläche Australiens – in möglichst kurzer Zeit aufforsten, was unrealistisch sei. Um so mehr, als Hinweise darauf hindeuten, dass Wälder weltweit durch Hitze, Waldbrände und Schädlingsbefall derzeit mehr Kohlenstoffdioxid freisetzen als sie aufnehmen.
«Wir können das Ökosystem beeinflussen, indem wir das Kohlenstoffdioxyd in der Biomasse von Holzbauten speichern, das ist wesentlich zuverlässiger als das, was im Wald passiert», hielt Heinimann fest. Allerdings müsste, um nur 10 Prozent klassischer Bauweisen in 30 Jahren zu substituieren, circa 35 Prozent mehr Rundholz bereitgestellt werden, was praktisch kaum machbar sei.
Heinimann plädiert für die Anpassung an den Klimawandel mit trockenresistenteren Nadelhölzern und verweist auf Trocken-Fichten im Südtirol sowie Tannen im Ochsenboden im Wallis. Auch müsse man vermehrt wieder Douglasien ins Spiel bringen. «Oder warum nicht den schnell wachsenden Bambus, mit dem in Asien Häuser gebaut werden?» Es brauche neue Ideen – nicht nur bei der Biodiversität, sondern vor allem auch in den Köpfen. Oder wie Albert Einstein sagte, dass Probleme sich nicht mit denselben Mustern lösen lassen, mit denen sie entstanden sind. Wichtig sei, die Wiederverwendung und -verwertung von Holz massiv zu verbessern und möglichst wenig Holz direkt aus dem Wald zu verbrennen. «Lasst uns keinem festgefahrenen Muster folgen, sondern experimentieren. Dann haben wir eine Chance», zeigte sich der Forstingenieur optimistisch.
Forst- und Holzwirtschaft im Wandel
emg. Das Buch «Forst- und Holzwirtschaft im Wandel» von Hans Rudolf Heinimann, erschienen im Springer-Verlag, bietet eine Auslegeordnung, wie sich die Forst- und Holzwirtschaft Mitteleuropas orientieren kann, um die Nachhaltigkeits- und Klimawende mitzugestalten und zu einer Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft beizutragen. Die Leitidee des Buches ist es, Optionen darzustellen und dies in der Absicht, die Vielfalt des Denkens und Handelns zu inspirieren. Vielfalt ist eine Voraussetzung, um mit unsicheren und unerwarteten Ereignissen, mit denen wir vermehrt konfrontiert sein werden, umgehen zu können.

