Willkommen im Zirkus Wunderplunder
11.09.2025 LangenbruckSpielerische Inklusion in der Manege
Unter fachkundiger Anleitung üben die Kinder der Primarschule zusammen mit Menschen mit Beeinträchtigung aus dem Haus Sonnmatt während fünf Tagen ein Zirkusprogramm ein. Eine Woche, die Berührungsängste abbaut sowie ...
Spielerische Inklusion in der Manege
Unter fachkundiger Anleitung üben die Kinder der Primarschule zusammen mit Menschen mit Beeinträchtigung aus dem Haus Sonnmatt während fünf Tagen ein Zirkusprogramm ein. Eine Woche, die Berührungsängste abbaut sowie Stärken, Talente und Ideen einer jeden Person fördert.
Brigitte Keller
Am Montag, nach dem Mittag, ging es endlich los. Bewohnende des Hauses Sonnmatt in Langenbruck machten sich mithilfe ihrer Betreuerinnen und Betreuer bereit zum Aufbruch Richtung Dorfzentrum. Dort, auf der grossen Wiese neben dem Gemeindehaus, erwarteten sie das Zelt und die Crew des Theaterzirkus Wunderplunder. In den folgenden Tagen konnten alle, die wollten und konnten, unter der geübten Anleitung der elf Teammitglieder ein Kunststück respektive eine Rolle für die grosse Vorstellung vom Freitag einüben.
Der Theaterzirkus Wunderplunder ist ein kleiner Mitspielzirkus, der mit blau-gelbem Zelt und bunten Holzwagen durch die Lande zieht und an jedem neuen Ort mit jeweils rund 60 Teilnehmenden während einer Woche ein einmaliges Zirkusprogramm erarbeitet. Integration und die Vermittlung zwischen Generationen, Kulturen und Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen werden grossgeschrieben, weshalb sich das Team insbesondere für inklusive Wochen einsetzt.
Die Kinder der Langenbrucker Primarschule, die ebenfalls am Projekt «Inklusiver Zirkus» teilnehmen, waren am Montag mindestens so aufgeregt. Auch sie waren gespannt, was diese besondere Woche für sie bereithalten würde. Gemeinsam sollten sie innerhalb weniger Tage ein komplettes Zirkusprogramm auf die Beine stellen.
Mehr als Zirkus
«Die Idee, den Zirkus nach Langenbruck zu holen, hatte eine Mitarbeiterin des Hauses Sonnmatt bereits im Jahr 2023», erzählt Simon Häner. Er ist stellvertretender Institutionsleiter und Bereichsleiter Tagesstruktur. Dass ein Inklusionsprojekt, zusammen mit den Kindern der Primarschule, am meisten Sinn mache, sei von Anfang an klar gewesen. Umso grösser war die Freude, dass die Schule ebenfalls Gefallen an der Idee fand und zusagte mitzumachen.
Das Projekt sei weit mehr als ein künstlerisches Abenteuer. Oft würde angenommen, dass das Besondere darin liege, dass Menschen mit Behinderung in der Manege stehen, erklären die Verantwortlichen des Hauses Sonnmatt. «Doch wir sehen den inklusiven Teil an einem anderen Ort: Darin, dass nicht behinderte Kinder in direktem Spiel und Erleben eine selbstverständliche Nähe zu Menschen mit Behinderung erfahren.»
Bis der Zirkus sein Zelt in Langenbruck aufstellen konnte, brauchte es einiges an Vorbereitungsarbeit. Dabei wurde Simon Häner von Annelies van Golstein, Mitarbeiterin in der Tagesstruktur und Initiantin, unterstützt. Eine der Fragen, die meistens am Anfang eines Projekts stehen, ist die nach den Kosten. Dank guter lokaler Vernetzung hielten sich die Kosten im überschaubaren Rahmen. Dafür wurden Sponsoren gesucht und bald gefunden.
Als die Zirkuswoche näher rückte, galt es herauszufinden, wer von den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses Sonnmatt mitmachen wollte und konnte. Dabei gab es einiges zu berücksichtigen. Einerseits handfeste Dinge wie die Frage, wie mobil diejenigen sein können, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Für sie blieben beispielsweise die Räume im Schulhaus, die für das Einstudieren einiger der Zirkusnummern genutzt werden sollten, nicht zugänglich.
Lust aufs Rampenlicht?
Andererseits musste gemeinsam eruiert werden, was möglich und machbar ist. 16 der Bewohnenden wollten aktiv mitmachen. «Die übrigen neun wollten nicht selber im Rampenlicht stehen, aber vorbeischauen», sagt Simon Häner. «Wer weiss, vielleicht lässt sich die eine oder der andere bis am Freitag ja doch noch vom Zirkusfieber anstecken.»
Die Zirkusnummern und damit die Gruppen, die zur Auswahl standen, heissen «Zauber», «Feuer», «Balancieren und Jonglieren», «Bodenakrobatik», «Luftakrobatik», «Musik», «Kraftmenschen», «Zirkusdirektion» und last but not least – auch das muss sein – «Büro». Und, natürlich ganz wichtig für einen Zirkus: die «Clowns». Die beiden dafür zuständigen Gruppenleitenden waren auch diejenigen, welche die Schar der Wartenden bereits vor dem Zelt mit einer Demonstration ihres Talents zum Lachen brachten.
Eine kleine Vorführung, was während der Woche zu erwarten ist, gab es anschliessend drinnen im Zelt. Zur Einstimmung wurden Gross und Klein mit einer kurzen Begrüssungsshow willkommen geheissen und in Zirkusstimmung versetzt. Danach verteilten sich die Gruppen in die dafür vorgesehenen Räume, entweder im Schulhaus oder im Haus Sonnmatt.
Spiel mit Feuer
Die Gruppe «Feuer» nutzte während der Woche die Bühne im Zelt zum Einstudieren ihrer Kunststücke. Aus plausiblen Gründen sind in dieser Gruppe ausnahmsweise keine Personen mit Beeinträchtigung eingeteilt. Zum Start gab es Notwendiges und Wissenswertes für die Kinder zum Thema Feuer, kombiniert mit ersten Erfahrungen mit den benötigten Utensilien. Mit Feuer zu spielen wird einem als Kind sonst meistens verboten. Für einmal war es nicht nur erlaubt, sondern gar erwünscht.
Kaum hatten sich die Teilnehmenden zum Üben in ihre Räume verzogen, gab es beim Vorbeischauen schon erste Erfolge zu bestaunen. In einem der Räume trauten sich die «Fakire» bereits nach einer halben Stunde, über ein Nagelbrett zu laufen. Und bei der Gruppe «Feuer» … Nein, das wird hier nicht verraten.
Wer mit eigenen Augen sehen möchte, was Gross und Klein, mit und ohne Behinderung, in einer Woche auf die Beine gestellt haben, ist herzlich eingeladen, die Abschlussvorstellung von morgen Freitag, 14 Uhr, zu besuchen.