Wer hat echte Finanzprobleme?
11.09.2025 PolitikPiero Grumelli, Gemeindepräsident Oberdorf, «Mitte»
Es ist 10 Jahre her, dass Baselland im Schulsystem vom 5/4- auf das 6/3-System umgestellt hat. Das bedeutet, dass das sechste Schuljahr neu von den Gemeinden getragen wird; dafür wird seit dem ...
Piero Grumelli, Gemeindepräsident Oberdorf, «Mitte»
Es ist 10 Jahre her, dass Baselland im Schulsystem vom 5/4- auf das 6/3-System umgestellt hat. Das bedeutet, dass das sechste Schuljahr neu von den Gemeinden getragen wird; dafür wird seit dem Wechsel vom Kanton eine Kompensation von rund 35 Millionen Franken pro Jahr an die Gemeinden entrichtet. Für den Kanton war das sechste Schuljahr aber einige Millionen teurer. Die Differenz wird von den Gemeinden getragen, und gleichzeitig sind von 2015 bis 2023 die Kosten für die Primarschule über alle Gemeinden gesehen um fast 113 Millionen Franken angestiegen. Umgerechnet auf das einzelne Schuljahr sind das fast 19 Millionen Franken. Anders gesagt: Die Kompensationszahlungen an die Gemeinden müssten heute mindestens 50 Millionen betragen.
Doch das ist nicht alles, was vor allem den Oberbaselbieter Gemeinden Kopfzerbrechen bereitet. So drohen den Nehmergemeinden Kürzungen im Finanzausgleich seitens der Gebergemeinden. Es gilt zu beachten, dass unser Kanton spezielle Strukturen hat und das Ober- baselbiet für finanzstarke und grosse Firmen, insbesondere wenn sie baulich erweitern wollen, einfach nicht so gut geeignet ist. Ein Verzicht, insbesondere durch Oberbaselbieter Gemeinden, ist durchaus sinnvoll und logisch. Im Umkehrschluss entrichten jene Gemeinden, die von den vielen Steuereinnahmen profitieren, durch den Finanzausgleich einen Beitrag an die leer ausgehenden Gemeinden.
Zurück zu den Bildungskosten. Vonseiten des Kantons ist, sobald die Ge- meinden nach mehr Gelder «rufen», oft zu hören, dass es ihm ebenfalls nicht gut gehe. Auf den ersten Blick stimmt das auch, aber wussten Sie zum Beispiel, dass gemäss öffentlichen Zahlen von 2018 bis 2024 im Kanton – ohne die Abteilung Bildung und die vielen Pädagogen – fast 600 neue Vollstellen geschaffen wurden? Bei einem durchschnittlichen Aufwand von 150 000 Franken pro Stelle ist das eine Mehrbelastung von 90 Millionen Franken pro Jahr.
Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, bei den Kantonsangestellten die Spreu vom Weizen zu trennen. Meiner Meinung nach gibt es drei Gruppen, wobei eine Person unterschiedlichen Gruppen angehören kann: Die erste hält den Laden am Laufen. Die Mitglieder dieser Gruppe schuften sich buchstäblich ab und Burn-outs drohen. Die zweite Gruppe tut nichts, beziehungsweise die Mitglieder sind gut darin, so zu tun, als ob sie etwas tun. Die dritte Gruppe beschäftigt sich selbst und nervt die Gemeinden – zum Beispiel mit von den Gemeinden nicht verlangten Vernehm- lassungen in ihrem Aufgabengebiet. Als Entschuldigung deklariert man diese als VAGS-Projekt, damit es so aussieht, als ob die Vernehmlassung bereits zu Beginn zusammen mit dem VBLG – dem Gemeindeverband – entwickelt wurde. Leider geschieht dies noch nicht beziehungsweise eher selten. Gleichzeitig werden Bedürfnisse der Gemeinden auf die lange Wartebank geschoben.
Nicht nur die ärmeren Nehmergemeinden, auch Kanton und Gebergemeinden sind angehalten und in der Pflicht, stets auf Effizienz zu achten. Gemeinsam müssen wir bei der Aufgabenbewältigung darauf achten, dass diese dort erledigt wird, wo der Kosten-Nutzen-Faktor am höchsten ist. Dann fällt es den Nehmergemeinden auch leichter, Dienstleistungen beziehungsweise Aufgaben weiterhin so kostengünstig wie möglich zu erledigen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.