Wer beim Fundament spart, kann das Dach weglassen
14.08.2025 PolitikSimon Tschendlik, Landrat Grüne, Bubendorf
Kürzlich fragte mich jemand im Dorf: «Sag einmal, im Landrat – macht ihr da eigentlich noch was anderes als Mischwasserbecken diskutieren und euch mit euch selbst beschäftigen?» Ich musste ...
Simon Tschendlik, Landrat Grüne, Bubendorf
Kürzlich fragte mich jemand im Dorf: «Sag einmal, im Landrat – macht ihr da eigentlich noch was anderes als Mischwasserbecken diskutieren und euch mit euch selbst beschäftigen?» Ich musste schmunzeln. «Doch, doch – ich versuche gerade, den Kanton davon zu überzeugen, dass es sinnvoll wäre, unsere Wälder und Landschaften nicht verlottern zu lassen.» Kurzes Nicken. Dann: «Jä, eigentlich gar nid so dumm!»
Vor den Sommerferien habe ich zwei Vorstösse eingereicht. Nicht um einen weiteren Waldrand zu vergolden, sondern damit unsere Natur auch in zehn Jahren noch Leistungen erbringen kann, wie wir es uns gewohnt sind – weil wir heute etwas tun. Als Förster bin ich befangen, klar. Aber wenigstens ehrlich befangen. Mit Bergschuhen statt Scheuklappen.
Vorstoss eins: Waldpflege raus aus dem Konsumbudget, rein in den Investitionshaushalt. Waldpflege wirkt wie eine Brücke oder ein Schulhaus – langfristig, wertschaffend, amortisierbar. Wer sie jährlich auf die Streichliste des regulären Budgets setzt, spart kurzfristig und zahlt langfristig drauf.
Vorstoss zwei: Kein Sparprogramm auf dem Rücken der Fachämter für Wald und Landwirtschaft. Draussen wächst das Unkraut nicht langsamer, bloss weil das Geld fehlt. Neophyten breiten sich aus, Wälder brechen zusammen, Magerwiesen verbuschen, Schutzwälder überaltern. Mit jeder ausgelassenen Pflege schrumpft die Artenvielfalt – und mit ihr die Lebensqualität im Baselbiet.
Neulich haben wir eine Waldstrasse freigeschnitten, einst Lebensader für die Holzernte. Heute ein holpriger Pfad, weil das Geld für den Unterhalt nicht reicht. Solche Geschichten gibt es viele: Bürgergemeinden, die grosse Flächen betreuen, aber kaum Mittel für Nachpflege haben. Forstbetriebe, die Holz verkaufen und trotzdem rote Zahlen schreiben. Kein vernünftiger Betrieb würde so wirtschaften
– unser Wald und dessen Eigentümer müssen es.
Was oft vergessen geht: Der Wald ist Infrastruktur. Er schützt Siedlungen vor Steinschlag und Hochwasser, filtert Trinkwasser, kühlt Dörfer, bietet Erholung, liefert Rohstoffe. Leise, zuverlässig, täglich. Wer dieses Fundament kaputtsparen will, sollte das Dach gleich weglassen.
Politik liebt Aufreger, weniger Aufrechterhaltung. Ein gepflegter Schutzwald schafft keine Schlagzeile. Ein Erdrutsch schon. Dann ruft man nach dem Staat. Ich sage: Lassen wir den Staat arbeiten, bevor es knallt. Mit Augenmass, Sachverstand – und einem Budget, das die Realität draussen kennt.
Und falls jetzt jemand denkt: «Das klingt nach Luxuspflege für Bäume», dem antworte ich: Es ist wie bei der Feuerwehr
– man bezahlt sie auch dann, wenn es gerade nicht brennt, weil man weiss, was passiert, wenn man es lässt. Präventiv handeln ist günstiger, sicherer und vernünftig – auch wenn es politisch weniger glänzt. Ich kenne beides: den Waldboden und den Landratssaal. Beide funktionieren besser, wenn man rechtzeitig investiert. Ja, ich bin befangen. Aber ich stehe dazu. Und ich stehe auch draussen im Hang, wenn’s rutscht.
Darum: Nicht morgen. Heute!
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.