Wenn das Dorf zur Bühne wird
18.12.2025 SissachDas ist Sissach (51. Teil) | In der Gemeinde wird seit jeher musiziert und gesungen
In Sissach schlägt das musikalische Herz seit Generationen. Von den ersten Chören des 19. Jahrhunderts über Ländlerkapellen und Rockbands bis hin zu internationalen ...
Das ist Sissach (51. Teil) | In der Gemeinde wird seit jeher musiziert und gesungen
In Sissach schlägt das musikalische Herz seit Generationen. Von den ersten Chören des 19. Jahrhunderts über Ländlerkapellen und Rockbands bis hin zu internationalen Konzerten: Sissach hat ein vielfältiges Klangleben hervorgebracht. Ein Blick zurück zeigt, wie tief verwurzelt Musik hier ist.
Iris Bösiger
Wo Menschen sind, da ist Musik. Das gilt auch für Sissach. In 800 Jahren müssen unzählige Melodien über die 890 Hektaren grosse Gemeinde im Ergolztal gesungen, gespielt und komponiert worden sein. Eine Übersicht über die letzten eineinhalb Jahrhunderte:
Für einmal darf zuerst eine Frau Namens Frau Dr. Fries erwähnt werden. Die hochgebildete und musikalische Ehefrau des ab 1841 in Sissach praktizierenden Arztes Dr. med. Fries gründete den Gemischten Chor «Cäcilienverein» und sang mit den begeisterten Sängerinnen und Sängern Melodien von Mendelssohn, Schubert und Haydn. Aus diesem beliebten wie auch erfolgreichen Projekt formte sich ein paar Jahre später das «Kränzli», ein reiner Männerchor, der schnell wuchs und sich 1859 als selbstständiger Verein «Männerchor Liederkranz Sissach» etablierte.
«Nebenhöflermusik»
Gemeinsam musiziert wurde auch im Musikverein Sissach. Bereits 1874 gab es in Sissach eine Musikerformation Namens «Nebenhöflermusik», auch als «Die Halbleinenen» bekannt. Das Bläser-Sextett wurde von Lehrer Jakob Dettwiler geleitet und 1880 eingeladen, in Maisprach den Bezirkssängertag zu begleiten. Da sahen sich die «Nebenhöfler» aber etwas überfordert, und so wurde kurzerhand die «Diepflingermusik» dazu gezogen.
Allem Anschein nach muss an diesem Tag etwas sehr bedeutendes, gar spirituell Verbindendes geschehen sein, denn an diesem Tag beschlossen die Musikanten dieser beiden Formationen, sich zusammenzuschliessen. Sie gründeten 1880 den Musikverein Sissach, der noch heute, 145 Jahre später, Bestand hat. Hingegen hat es fast 100 Jahre gedauert, bis der MVS auch Frauen musikalisch mitwirken liess. Heute besteht der Verein fast zur Hälfte aus Frauen.
Anfang der 1970er-Jahre entstand durch den Bubentraum von Bassgeiger Erich Roost eine Ländlerformation mit unter anderem Gipser Kari Schaub an der Klarinette, Bauer Paul Habegger am Schwyzerörgeli und die Gebrüder Mangold an der Klarinette und dem Schwyzerörgeli. Die Oberbaselbieter Ländlerkapelle (OLK) wurde für das Dorffest in Gelterkinden 1971 zusammengestellt. In den folgenden Jahren komponierte Roost, genannt «Riquet», seine eigenen, eingängigen volkstümlichen Melodien. Die OLK verzeichnete einige altersbedingte Musikerwechsel, ist aber bis heute sehr aktiv, ganz wie der Reformierte Kirchenchor, der 2026 auf 110 Jahre Bestehen zurückblicken kann.
Rock ’n’ Roll, baby!
Um die 1960er-Jahre sind auf musikalischer Ebene ganz andere und neue Dinge passiert in Sissach. Wie überall auf der Welt entwickelte sich die Musik schnell, und viele Genres wie Jazz oder Rock ’n’ Roll etablierten sich. Eine junge Band, die sich die «Bumble Bees» nannte und in Gitarrist Fritz Wunderlins Schlafzimmer an der Margarethenstrasse in Sissach probte, durfte sich einer grossen Beliebtheit erfreuen. Sie waren über die Jahre an zahlreichen regionalen Anlässen vertreten: Ihr erster Auftritt feierte die Band im Grand Café Bebbi in Basel. Die «Bumble Bees» erfreuten immer wieder das Jugend-Dancing in Liestal. Die Band trat auch in einem Nachtklub in Viareggio (Italien) und am Geschirrfest in Sissach auf. Neben Eigenkompositionen spielte sie Songs von den «Rolling Stones», «The Who», den «Bee Gees» und weiteren.
Die im Kern dreiköpfige Band, bestehend aus Werner Ritter am Schlagzeug, Peter Marbot wie auch Fritz Wunderlin an der Gitarre, war bis zum Austritt des Schlagzeugers 1971 aktiv.
In den 1970er-Jahren betraten Formationen in engen Jeans und Holzschuhen wie «Blaufurz», «Harlem Sound» und diverse Schülerbands die Bühnen der hiesigen Turnhallen und Dancing-Lokale. Die Band «Ketchup» hatte 1977 die Ehre, «Rumpelstilz» mit Polo Hofer in Uzwil wie auch in der Gelterkinder Turnhalle zu supporten. Dieses Ereignis ist auch dem Publikum in starker Erinnerung geblieben. Auch das «Trio Abt», bestehend aus den drei Brüdern Ernst, Emil und Willi Abt, widmet sich seit Langem dem Rock ’n’ Roll und kann im Vergleich zu anderen Bands auf eine lange Geschichte zurückblicken (die «Volksstimme» berichtete). Die drei Musiker sind seit mehr als 35 Jahren unterwegs und auch heute noch zu hören – heute mit Saxofon, Handorgel und Schlaginstrumenten.
Mundart – in Chansons und Rock
Etwa zeitgleich und mehr an Mani Matter orientiert erschienen auch Solokünstler auf der Bildfläche. So startete auch die nunmehr über 40-jährige Karriere des Sissacher Chansonniers Max Mundwiler. Der gelernte Bauführer verzaubert sein Publikum bis heute mit Mundartliedern und Kurzgeschichten über das Alltagsleben und ist seit jeher in der gesamten Nordwestschweiz mit seiner Gitarre unterwegs. Drei Alben hat er über diese Zeit veröffentlicht und ist nach wie vor mit seinem Programm «Allewyyl no underwägs» … eben «underwägs».
Das Projekt «Spruchrif» um Roberto D’Agostini wurde um das Jahr 2010 ins Leben gerufen. Die Band komponiert Rock-Mundartlieder und hat seit 2012 vier Alben veröffentlicht, wo der Oberbaselbieter Dialekt gepflegt wird. Neben Schlagzeuger und Produzent Adrian Heid, Gitarrist und Sänger Roberto D’Agostini, Perkussionist und Sänger César Barriel und Bassist Thomas Hochstrasser haben auch viele Gäste die Musik von «Spruchrif» bereichert, darunter Saxofonist Reto Schäublin, Sängerin Annika Hemmig und «BackTo»-Gitarrist Alexander Watzdorf. Die Musiker sind nach wie vor sehr aktiv und spielen regelmässig Gigs in der Region.
Sissach International
Abgesehen von den ansässigen Stars haben auch internationale Grössen Sissach zu Gesicht bekommen und bespielt. Im Sommer 2000 organisierten Andrea Schmid und Markus Schenker die Konzertreihe «Uff dr Wiise». Grössen wie «Hot Chocolate» und «Manfred Mann’s Earth Band» gaben ihre Hits zum Besten. An den folgenden Festival-Wochenenden liessen es Band und Interpreten wie die «Spider Murphy Gang», «Mungo Jerry», Hansi Hinterseer und sogar die «Vengaboys» auf der Sissacher Bühne krachen.
Wenn auch nicht zum Musizieren, so doch aber um interviewt zu werden, zog es auch Stars wie Zucchero oder Eros Ramazotti nach Sissach ins Studio von Radio Raurach, das ab November 1983 in Sissach stationiert war.
Musikalisches Sissach von heute
Nach wie vor erfreut sich Sissach eines grossen musikalischen Angebots. So kann man in diversen Gaststätten oder Event-Lokalen regelmässig Musik aus der Region zu Ohren bekommen. Im «Lindbergh Pub» gastieren immer wieder Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt, das «Joker» veranstaltet regelmässig Anlässe für Hard-Rock und Rock-Fans und bietet auch lokalen Rockbands wie «Excentric» eine Bühne.
In der «Oberen Fabrik» und im «Cheesmeyer» werden regelmässig Konzerte aus allerlei Sparten gegeben. Vor Kurzem sang der 47-köpfige «Chorisma»-Chor, der unter der Leitung der jungen Sängerin Chiara Heuser leidenschaftlich Songs aus der Pop-, Film- und Musical-Welt für ihr Publikum vorträgt. Selbstverständlich laden auch jedes Jahr unterschiedliche Bands und Interpreten das Publikum der örtlichen Bundesfeier zum Tanz ein.
Die nächsten Jubiläumsanlässe
Seit dem 17. Januar: Alte Gemälde und Zeichnungen neben aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70). Zugänglich zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus. Seit dem 7. September: Eine Sonderausstellung im Rahmen der Festlichkeiten um 800 Jahre Sissach im Heimatmuseum für regionale sowie örtliche Volkskunde und Geschichte.
Sonntag, 21. Dezember: «Adventskonzert» mit Deborah Regez (Traversflöte) und Gian-Andri Cuonz (Barockcello). Das Duo spielt auf historischen Instrumenten stimmungsvolle Musik zur Adventszeit um 19 Uhr im «Cheesmeyer».



