Wandelnde Statistik
16.09.2025 PolitikMatthias Ritter, Landrat SVP, Diegten
Familie Müller aus Liestal unternimmt einen Sonntagsausflug auf die Wasserfallen. Das Ticket für den Bus nach Reigoldswil wird in der SBB-App gebucht. Die Gondelfahrt sowie der Trottiplausch runter ins Tal werden mit der ...
Matthias Ritter, Landrat SVP, Diegten
Familie Müller aus Liestal unternimmt einen Sonntagsausflug auf die Wasserfallen. Das Ticket für den Bus nach Reigoldswil wird in der SBB-App gebucht. Die Gondelfahrt sowie der Trottiplausch runter ins Tal werden mit der Debit-Karte bezahlt, Nussgipfel und Kaffee im «Heidi-Stübli» mit Twint. Den ganzen Tag werden weder Noten noch Münzen beansprucht.
Die Kehrseite des Ganzen: Die Banken sowie die schlauen Köpfe hinter Twint verdienen am bargeldlosen Geschäft kräftig mit – auf Kosten des Gewerbes. Kommt hinzu, dass sämtliche digitalen Transaktionen online dokumentiert sind. So lässt sich der Ausflug von Familie Müller Schritt für Schritt und auf die Minute genau nachvollziehen. Die Familie wird zur wandelnden Statistik.
Das mag zwar in diesem Fall belanglos sein. Aber wollen wir wirklich, dass jede Reise, jeder Einkauf, jede Dienstleistung von Banken und Dienstleistern nachvollzogen werden kann? In gewissen europäischen Grossstädten ist das Bargeld bereits praktisch abgeschafft. Auch in Basel gibt es Gastrobetriebe, die nur noch digi- tale Zahlungsmittel akzeptieren. Doch nicht nur unsere Ausgaben sollen digitalisiert und somit verfolgbar werden, sondern gleich auch unser ganzes Leben – sofern das Bundesgesetz über den elektro- nischen Identitätsnachweis (kurz: E-ID) bei der Abstimmung vom 28. September eine Mehrheit findet. Nachdem das Stimmvolk der E-ID 2021 an der Urne eine Abfuhr erteilt hat, müssen wir gerade einmal vier Jahre später bereits wieder über die nächste Vorlage befinden.
Die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens, unserer Reisen, unseres Abstimmungsverhaltens, unserer Banktransaktionen und so weiter ist ein gefundenes Fressen für den wachsenden Überwachungsstaat. Wer garantiert uns die absolute Sicherheit unserer Daten? Wer gibt uns die Sicherheit, dass nicht falsche Einträge in unseren Dossiers landen, die uns vor grosse Probleme stellen können?
Der Betonung der Befürworterinnen und Befürworter, dass die staatliche elektronische Identitätskarte freiwillig ist, gebe ich nur wenig Kredit. Der schleichende Wegfall des Bargelds und der immer grössere Zwang, auf digitale Zahlungsmittel zu setzen, zeigen auf, wie schnell aus einer freiwilligen Entscheidung eine Pflicht wird. Und wie staatliche, kantonale sowie auch kommunale Behörden mit frei- willigen Entscheidungen umgehen, mussten wir im Rahmen der Corona-Pandemie eindrücklich erleben. Die E-ID stellt nichts weniger als eine Bedrohung unserer direkten Demokratie dar. In der EU wartet man darauf, dass auch die Schweizerinnen und Schweizer ihre Daten digital preisgeben.
Mir ist es ein Rätsel, warum Politikerinnen und Politiker aus allen Lagern beim Thema Datenschutz blind zu sein scheinen – im vermeintlichen Sinne des Fortschritts. Deshalb sage ich entschieden Nein zur E-ID und der Öffnung von Tür und Tor für den Überwachungsstaat. Wehren auch Sie sich dagegen, zum gläsernen Bürger oder zur wandelnden Statistik zu werden.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.