Vom hässlichen Entlein zum elektrisierenden Schwan
14.08.2025 AutoToyota hat die Auto-Ikone Prius vollständig umgekrempelt
Der Toyota Prius, durch seinen Hybrid-Antrieb Inbegriff des ökologischen Wandels im Automobilbau, galt seit seiner Geburt als hässliches Entlein. Die fünfte Generation des Pioniers kommt in ganz neuem Kleid ...
Toyota hat die Auto-Ikone Prius vollständig umgekrempelt
Der Toyota Prius, durch seinen Hybrid-Antrieb Inbegriff des ökologischen Wandels im Automobilbau, galt seit seiner Geburt als hässliches Entlein. Die fünfte Generation des Pioniers kommt in ganz neuem Kleid daher. Auch unter der Motorhaube ist viel passiert.
Christian Horisberger
Der Toyota Prius stand 1997 mit seinem neuartigen Hybrid-Antrieb ganz am Anfang der automobilen Revolution, die jetzt in vollem Gange ist. Der Pioniergeist in diesem Auto kam auch in der für damalige Verhältnisse ungewohnten Karosserieform zum Ausdruck. Das Design wurde einem möglichst geringen Luftwiderstand zur Senkung des Spritverbrauchs untergeordnet. In Erinnerung ist uns das hohe Heck, das den Prius ab der zweiten Generation (2003) auszeichnete. Die Fachwelt war sich einig darüber, dass Toyota mit dem Hybrid ein technisches Meisterstück erschaffen hatte, aber beileibe kein Schönes. Die Zeitung «Welt» bezeichnete den Prius zu dessen 20. Geburtstag als «hässlichen Hipster» und traf damit den Nagel auf den Kopf. Einen Prius zu fahren, war ein Statement für den Umweltschutz und das gewöhnungsbedürftige Äussere wurde zum Markenzeichen des Japaners.
Mit der aktuell fünften Modellreihe hat Toyota die Prius-DNA wesentlich verändert: Das Auto ist nun einige Zentimeter weniger hoch, hat eine elegante Linie, die sich gegen das Heck hin weiter nach unten zieht. Die neue Karosserie wirkt sportlich und ansprechend. Aus dem hässlichen Entlein ist ein prächtiger Schwan geworden.
100 PS mehr Leistung
Auch die inneren Werte der jüngsten Modellgeneration unterscheiden sich ganz wesentlich von seinem Urahn. Als reiner Hybrid wird der Prius nicht mehr hergestellt, und anstatt der einstigen 97 PS erbringen die beiden Elektro- und der 2-Liter-Benzinmotor eine Systemleistung von 223 PS, das sind auch rund 100 PS mehr als beim Vorgänger. Die Leistungssteigerung geht vor allem auf das Konto des Elektroantriebs. Dieser ist nun stark genug, um das Auto in den meisten Situationen ohne die lautstarke Unterstützung des Benziners zu bewegen.
Die Reichweite im Elektrobetrieb beträgt gemäss Werk 86 Kilometer. Im Alltag sind es etwas weniger. Roger Buess von der Garage Wirz, die den Testwagen zur Verfügung stellte, fährt den Prius seit Anfang Jahr. Bei sommerlichen Temperaturen reichten die Batterien für 74 Kilometer, sagt er. Im Winter seien es immer noch um die 60 Kilometer. Anders als für vollelektrische Autos ist für den Plug-in-Hybrid-Prius eine Wallbox nicht zwingend erforderlich. An einer Haushaltssteckdose lässt sich die gegenüber dem Vorgängermodell von 8,8 auf 13,6 kWh gewachsene Batterie ab Leerzustand innerhalb von fünf Stunden voll laden. Im Fahrbetrieb wird die Batterie durch den Verbrennungsmotor sowie die Energie-Rückgewinnung im Schiebebetrieb und beim Bremsen gespiesen. Ausserdem kann man sich für 2500 Franken extra eine Solaranlage ins Autodach integrieren lassen. Deren Leistung ist bescheiden. Laut Buess würde es bei wolkenlosem Himmel theoretisch etwa eine Woche dauern, bis der Stromspeicher übers Solardach voll ist. Ob dieses Geld gut investiert ist, sei dahingestellt: Aus der Steckdose kostet eine Batterieladung beim aktuellen Stromtarif etwa 4 Franken.
Der Spritverbrauch eines Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs hängt sehr stark von der Nutzung ab: Ist das Auto vor allem für die Fahrt zur Arbeit im Einsatz und reicht die Batterie fürs Pendeln im Elektromodus, muss man so gut wie nie zur Tankstelle. Als Kombi-Verbrauch gibt Toyota 0,7 Liter Bleifrei auf 100 Kilometern an, bei entladener Batterie im Hybrid-Modus 4,6 Liter. Der Stromkonsum bei rein elektrischer Fahrt liegt gemäss Werk bei 13,3 kWh/100 km.
Guter Fahrkomfort
Wie fährt sich der schnittige Prius, der eine grosse Ähnlichkeit mit einzelnen Modellen von Tesla nicht leugnen kann? Gut, sportlich und sicher. Die stattliche Leistung der Motoren bringen das 1,63 Tonnen schwere Auto zügig in Fahrt, auch, wenn es steil bergauf geht. Das Fahrwerk glättet Unebenheiten auf der Strasse gut und auch bei zügiger Kurvenfahrt oder beim Abbremsen in einer engen Kurve kommt nie das Gefühl auf, man könnte die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren.
Beim von der «Volksstimme» gefahrenen Prius handelt es sich um die top ausgestattete Variante «Premium». Hier sind alle erdenklichen Sicherheitsassistenten enthalten. Zwar ist das Lenkrad, das Cockpit und selbst die Mittelkonsole mit Knöpfen geradezu übersät, deren Funktion und Bedienung ist aber in der Regel plausibel. Das elektronische Cockpit wird ergänzt durch ein mittig angebrachtes Display in Form eines länglichen, liegenden Rechtecks. Nicht-Toyotarier können hier einige Zeit vertun, um die Geheimnisse der zur Verfügung stehenden Menüs zu lüften.
Buchsen zum Aufladen von Handys sind reichlich (insgesamt sind es sechs, davon zwei im Fonds) vorhanden. Ausserdem steht eine Lademulde für drahtloses Aufladen von Smartphones zur Verfügung. Die Klimaanlage arbeitet selbst im aufgeheizten Auto sehr effizient, ohne Getöse und orkanartige Winde.
Erstaunlich viel Platz
Wenn in einem Auto vorne und hinten gross gewachsene Menschen Platz nehmen können, ohne sich vorne die Knie und oben den Kopf zu stossen, ist rasch einmal von einem Raumwunder die Rede. Dieser Prius aber ist ein Raumwunder. Von aussen wirkt er nicht riesig. Aber: Unser 1,88 Meter grosse Beifahrer hat zuerst vorne Platz genommen und es sich bequem gemacht und anschliessend bei unveränderter Sitzeinstellung im Fond Platz genommen. Vorne und hinten habe er sich wohl gefühlt.
Aber woher nimmt der gegenüber dem Vorgänger kürzere und weniger hohe Prius diesen Platz? Erstens: Man sitzt ziemlich weit unten. Wer ohne in die Knie gehen zu müssen einsteigen und vor allem ohne Anstrengung wieder aussteigen möchte, ist beim Prius auf dem Holzweg. Zweitens: Der Kofferraum hat durch das hinuntergezogene Dach Volumen verloren. Bei mehr als nur dem nötigsten Gepäck ist die Sicht nach hinten verbaut. Als «Kompensation» hat Toyota dem Prius einen zuschaltbaren elektronischen Rückspiegel verpasst. Anders als die Rückfahrkamera stellt die Videoübertragung in den Rückspiegel das Geschehen hinter dem Fahrzeug nicht verzerrt dar und die Bildqualität ist sehr gut.
Wer es gewohnt ist, mit dem Blick über die rechte Schulter rückwärts zu fahren, muss sich im Prius umgewöhnen. Auch bei leerem Kofferraum ist die Sicht nach hinten wegen des kleinen Rückfensters und der mächtigen C-Säule stark eingeschränkt. Man hat keine Wahl, als sich auf all die Sensoren und Kamerabilder zu verlassen.
Mit diesem schicken und leistungsstarken Prius hat sich Toyota endgültig von der Automobil-Ikone verabschiedet. Das aktuelle Modell passt sich technisch und optisch dem Mainstream an. Eingefleischte Fans dürften dies bedauern. Allenfalls ist es manchen von ihnen ein Trost, dass auch dieser Prius Verbrauchswerte aufweist, die in seiner Klasse beispielhaft sind.
Facts & figures
Masse
Länge 4599 mm
Breite 1782 mm
Höhe 140 mm
Leergewicht 1630 kg
Ladevolumen 284 Liter
Motor
2 Elektromotoren und ein 2-Liter-Benzinmotor mit einer
Systemleistung von 223 PS
Batterie mit 13,6 kWh elektrische Reichweite 86 km
Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h
Antrieb
Stufenloses Automatikgetriebe
Vorderradantrieb
Preis/Garantie
Basismodell ab 39 900 Franken getestetes Modell 49 100 Franken
10 Jahre oder 185 000 km
Das Testfahrzeug wurde von der Garage Wirz AG in Sissach
zur Verfügung gestellt.