Vom Baselbiet aufs Dach der Welt Bergsteigen

  19.06.2025 Sport, Weitere Sportarten

Annemie Kostezer erklimmt Mount Everest

Nach drei Jahren Vorbereitung war es im Mai so weit: Die im Oberbaselbiet aufgewachsene Annemie Kostezer stand als erste Frau aus dem Baselbiet auf dem Gipfel des höchsten Bergs der Welt. Die 40-Jährige über ihre Beweggründe und die Expedition auf den Mount Everest.

Timo Wüthrich

Frau Kostezer, wie kommt man auf die Idee, den Mount Everest besteigen zu wollen?
Annemie Kostezer:
Meine Faszination begann im Grunde genommen mit einem tragischen Ereignis. 1996 kamen während der Besteigung des Everests innerhalb kürzester Zeit mehrere Personen um, darunter die Kletter-Ikone Rob Hall. Als Kind las ich damals von diesem Unglück in der Zeitung. Ich dachte, dass es unmöglich ist, diesen Berg zu besteigen. Meine Begeisterung für den Everest war entfacht.

Das heisst, Sie waren schon immer begeistert von hohen Bergen?
Eigentlich nicht. Erst während des Sportstudiums entstand im Rahmen einer Exkursion der erste Kontakt zum Alpinsport. Ich war im Anschluss vermehrt in den Bergen anzutreffen, habe aber nebenbei auch Fussball gespielt.

Wann kamen Sie das erste Mal auf den Gedanken, den Mount Everest besteigen zu wollen?
Nachdem mich das Wandern, Bergsteigen und Klettern vermehrt in den Bann zogen, unternahm ich 2017 mit einer Freundin einen Trek zum Base-Camp des Mount Everest. Zwei Jahre später wiederholte ich diese Reise und setzte mich vermehrt mit dem Berg auseinander – ich dachte, dass ich es vielleicht doch schaffen kann.

Wie wurde aus dem Plan Realität?
2022 begriff ich, dass ich meinen Lebenstraum endlich realisieren will. Ich startete ein auf mehr als drei Jahre angelegtes Projekt mit dem Ziel, auf dem höchsten Berg der Welt zu stehen. Davor führte ich allerdings viele lange und ernste Gespräche mit Familie und Freunden. Denn die Besteigung des Everests ist mit einigen Risiken verbunden. Lange verfolgte mich der Gedanke, dass ich auf der Expedition mein Leben verlieren könnte. Ich stellte mir die Frage, weshalb ich bereit bin, mein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, nur um mein grösstes Ziel umzusetzen. Im Lauf der Zeit wurde mir klar, dass es immer einen Grund geben wird, diesen Traum nicht in die Realität umzusetzen.

Wie haben Sie sich während dieser drei Jahre auf die Expedition vorbereitet?
Mir war klar, dass ich mich so gut wie möglich vorbereite, um am Tag der Besteigung körperlich und mental in bester Verfassung zu sein. Ich trainierte fünf bis teilweise sechs Tage pro Woche – dabei sammelte ich kletternd und wandernd so viele Höhenmeter wie möglich. Eine Faustregel besagt, dass man bei 5000er-Bergen starten soll, um sich an die Höhe zu gewöhnen, und sich dann bis zu den 8000er-Gipfeln hocharbeiten soll. Diesen Rat befolgte ich. Zur Vorbereitung reiste ich nach Südamerika, Afrika und Nepal, um den Aconcagua, den Kilimandscharo und die Ama Dablam zu erklimmen. Im Herbst 2024 folgte dann mit dem 8163 Meter hohen Mansalu die Generalprobe.

Dann war es im März 2025 so weit: Sie flogen nach Kathmandu, um die letzte Etappe Ihres Plans zu absolvieren – den Mount Everest.
Genau. Der Abschied am Zürcher Flughafen war schwer, denn die negativen Gedanken waren nicht ganz verschwunden. Geholfen hat mir sicherlich, dass ich Nepal als Land und Region durch die mehrfachen Reisen bereits kannte und mich dort beinahe ein wenig zu Hause fühlte. Nach dem Trekking zum Base-Camp stand für mich und die zwei Sherpas, die ich schon einige Jahre kenne, das Warten auf die optimalen Bedingungen an.

Was löste der Moment, als Sie endlich auf dem Gipfel standen, in Ihnen aus?
In erster Linie war ich froh und stolz, es geschafft zu haben. Auf dem Gipfel haben wir natürlich ein paar Fotos gemacht. Mitgenommen habe ich auch ein FCB-Trikot meines Lieblingsspielers Valentin Stocker mit der Nummer 14. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass ich die 14. Frau aus der Schweiz bin, die den Everest bestiegen hat
– ein spezieller Zufall. Trotz der Freude hatte ich immer den Rückweg im Hinterkopf, denn auf diesem passieren häufiger Unfälle als bei der Besteigung. Die grosse Erleichterung spürte ich erst, als ich zurück im Base-Camp war.

Wie war es, als Sie Ende Mai nach einem solchen Erlebnis wieder in Ihr gewohntes Leben inder Schweiz zurückkehrten?
Es war nicht einfach. Ich habe in Nepal etwa zwei Monate komplett anders gelebt als hier. Es gab einige Dinge, die mir nach der Rückkehr in der Schweiz aufgefallen sind: Wir haben gute Strassen, eines der besten Schulsysteme und ein funktionierendes Gesundheitswesen. All das gibt es in Nepal nicht oder es ist deutlich weniger entwickelt – aber dennoch hat die dortige Gesellschaft, meiner Meinung nach, einen besseren Zusammenhalt.


Zur Person

Die 40-jährige Annemie Kostezer ist in Liestal, Lausen und Bubendorf aufgewachsen und studierte nach der Matura am Liestaler Gymnasium Sportwissenschaften. Kostezer ist die erste Frau aus den beiden Basel, die den Mount Everest erklommen hat. Auf ihrem Blog können Details zu der Expedition und der Vorbereitung nachgelesen werden.

www.1000daysto8848.com


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