«Villa27» schliesst
05.09.2025 SissachHaus soll aber Begegnungsort bleiben
Nach zehn Jahren wird Käthi Eglin den Betrieb ihres Brunch-Lokals «Villa 27» per Ende Jahr einstellen. Das Haus wird innerhalb der Familie weitergegeben und soll wieder bewohnt werden. Eine weitere gastronomische Nutzung der unter Schutz ...
Haus soll aber Begegnungsort bleiben
Nach zehn Jahren wird Käthi Eglin den Betrieb ihres Brunch-Lokals «Villa 27» per Ende Jahr einstellen. Das Haus wird innerhalb der Familie weitergegeben und soll wieder bewohnt werden. Eine weitere gastronomische Nutzung der unter Schutz stehenden Villa ist nicht ausgeschlossen.
Christian Horisberger
Die «Villa 27» neben der Migros an der Sissacher Hauptstrasse ist ein offenes Haus für Begegnung und nicht zuletzt für Brunch, «Tea Time» und den Verkauf von «Shabby chic»- Möbeln und Deko-Material. Gastgeberin ist Käthi Eglin. Sie hat die 1866 erbaute, unter kommunalem Denkmalschutz stehende «Villa Sütterlin» 2015 gemeinsam mit ihrem Ehemann erworben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Nach zehn wunderbaren, aber auch intensiven Jahren in der «Villa27» gilt es für Eglin nun langsam, Abschied zu nehmen: von den Stuckaturdecken, den handgemachten Fenstern und Vorfenstern, den sechs kunstvollen Kachelöfen in sieben Zimmern, dem hohen Kellergewölbe, den Biberschwanzziegeln und dem verwunschenen Garten ums Haus. Am 4. Advent, dem Tag des Sissacher Weihnachtsverkaufs, wird Eglin mit ihren Helferinnen in der Villa zum allerletzten Mal Gäste bewirten. So sehr ihr das Haus und die Menschen, denen sie hier begegnete, ans Herz gewachsen sind, so unwiderruflich ist der Entscheid.
Die «Villa 27» habe ihr während der vergangenen knapp zehn Jahre viel gegeben, sagt Eglin: «Es waren die besten meines Lebens. Menschen zu begegnen, Begegnungen zu ermöglichen, die Besucherinnen und Besucher mit ‹Tea time›, einem Stück Torte oder einem Brunch glücklich zu machen, das ist meine Berufung.» Aber die Verantwortung für den Betrieb und der Einsatz im und ums Haus hätten sie auch ausgelaugt, sagt die 67-Jährige. Sie habe jetzt nicht mehr dieselbe Energie und Kraft wie vor zehn Jahren. Aus diesem Grund habe sie sich für die Einstellung des Betriebs entschieden und die Betriebszeiten dieses Jahr bereits stark reduziert.
Obwohl in Sissach aufgewachsen, habe sie das Haus, das der erste Bezirksschreiber Martin Sütterlin erbauen liess, während Jahrzehnten kaum wahrgenommen, erzählt die ausgebildete Primarlehrerin und Mutter vier erwachsener Kinder. Sie habe ein Objekt gesucht, das sich als Begegnungsort eignet und an dem man auch einen Kaffee trinken kann, sagt Käthi Eglin. Als die Villa 2015 zum Verkauf stand, nahm es ihr bei der ersten Hausbesichtigung den Ärmel hinein: Sie liebe alte Dinge mit Geschichte und Charme, das alles biete das Haus, zuletzt bewohnt von Lilli Siegrist, einer Nachfahrin Martin Sütterlins.
Drei «Engel» für Käthi
Die Eglins erhielten vom Architekten, der den Verkauf abwickelte, unter mehreren Interessenten den Zuschlag, die Bank drückte bei der Hypothek ein Auge zu, und bei der Bauabnahme habe sich der zuständige Beamte sehr kulant gezeigt. Den Architekten sowie die Verantwortlichen bei der Bank und für die Bauabnahme bezeichnet Käthi Eglin im Rückblick denn auch als ihre drei Engel. Im Lauf der Zeit sollten weitere Engel hinzukommen. Zwar erwarb Käthi Eglin im Hinblick auf die Eröffnung des Betriebs das Wirtepatent, aber die Gastronomie war für sie ein neues Feld. Ohne ihre in Backstube und Verkauf erfahrene Mitarbeiterin Susanna Mahler, «eine Powerfrau», wäre ihr der Start ins neue Metier nicht gelungen, sagt Eglin. Auch von weiteren Mitarbeiterinnen habe sie viel lernen können. Nichts beibringen musste man Eglin dagegen beim Organisieren, was ihr beim breiten Aufgabenspektrum in der «Villa 27» zugute kam. Die Hausherrin konnte ausserdem auf eine ganze Schar Freiwilliger zählen, die sie und ihren Begegnungsort mit ihren Einsätzen unterstützten.
Dankbar ist die spätberufene Gastronomin auch all den Gästen, die zum Teil aufgrund von Beiträgen über die «Villa 27» in Illustrierten für Wohnen und Einrichten zum Teil von weit her nach Sissach gekommen seien. Die am weitesten Gereisten stammten laut Eglin aus Australien, ausgewanderte Schweizer, die bei einem Heimatbesuch wegen eines solchen Artikels in der «Villa 27» eingekehrt seien.
Häufig habe sie von Gästen gehört, dass das Haus bei ihnen Kindheitserinnerungen wecke: der leicht modrige Geruch im Gewölbekeller, die knarrende Treppe zum Estrich, die Eisblumen an den Fenstern der Lauben oder der Bienenstich auf dem Teller. Manche Besucherinnen und Besucher hätten Geschichten über ihre eigenen Grosseltern erzählt. «Das Schöne daran ist: Es waren ausschliesslich positive Erinnerungen.» Reaktionen wie diese bedeuten Käthi Eglin viel. Die Lorbeeren dafür beansprucht sie aber nicht für sich selbst: «Solche Dinge geschehen, weil das Haus so gut ist.»
Die Begegnungen, die Gäste, Gruppen und Gesellschaften, die sie mit ihren Helferinnen und Helfern verwöhnen durfte, waren Eglins Lohn. Ein Gehalt habe sie sich nicht ausbezahlt. Ihr habe genügt, wenn Ende Jahr die Rechnung ausgeglichen war. Dafür sei sie insbesondere ihrem Ehemann dankbar, der das Haushaltseinkommen beisteuerte und sie – wie die vier Kinder auch – darüber hinaus in der Villa tatkräftig unterstützt habe.
Seit dem Entscheid, den Betrieb einzustellen, hat sich Käthi Eglin auch damit befassen müssen, was aus dem Haus werden soll. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Mehrgenerationenhaus; in die Villa einzuziehen wäre unrealistisch gewesen, sagt sie. Sie in fremde Hände zu geben, wäre ihr schwer gefallen. Umso mehr freut es sie, dass sie die Villa innerhalb der Familie weitergeben kann und sie wieder bewohnt werden soll: von ihrer Tochter und deren Ehemann. Zunächst solle das erste Obergeschoss, derzeit ohne Bad und Küche, zu einer Wohnung umgebaut werden, und es sei nicht ausgeschlossen, dass das Erdgeschoss mit der Küche und der Gewölbekeller weiterhin gastronomisch oder als Treffpunkt genutzt werden könnten. Voraussetzung dafür aber sei, dass sich dies mit dem Wohnnutzen vereinbaren lässt, betont Eglin.
Noch aber dauert es eine Weile, bis die Handwerker das Zepter übernehmen. Bis am 21. Dezember kann an ausgewählten Samstagen und Sonntagen sowie Sissacher «Festtagen» wie dem Herbstmarkt noch in der «Villa 27» eingekehrt werden.