Viel Aufwand, um einander zu finden
11.07.2025 NaturAndres Klein
Damit sich Lebewesen wie Menschen, Säugetiere oder Pflanzen fortpflanzen können, ist es in der Regel so, dass die weiblichen und die männlichen Keimzellen zusammenkommen müssen, damit sich Nachfahren bilden können. Dazu wird unter ...
Andres Klein
Damit sich Lebewesen wie Menschen, Säugetiere oder Pflanzen fortpflanzen können, ist es in der Regel so, dass die weiblichen und die männlichen Keimzellen zusammenkommen müssen, damit sich Nachfahren bilden können. Dazu wird unter anderem auf Düfte, spezielles Aussehen, Farben oder Helfer bei der Befruchtung oder gar Naturphänomene gesetzt. Da Blütenpflanzen sich nicht fortbewegen können, haben sie sich auf Hilfe von aussen spezialisiert.
Für viele Pflanzen ist der Wind zusammen mit dem Zufall der wichtigste Helfer bei der Befruchtung. Die männlichen Pollen werden durch den Wind weggetragen, und wenn der Zufall es will, dann bläst der Wind sie genau auf eine Pflanze zu, wo die Pollen dann auf die Stempel der weiblichen Blüten fallen. Das heisst, die sogenannten Windbestäuber müssen Unmengen von Pollen produzieren. Weiter brauchen sie keine Energie und Fantasie, um möglichst attraktive Duftstoffe oder Blütenfarben zu bilden. So sind die Blüten der Gräser und Seggen oder der Weiden und Haseln meist unscheinbar und grünlich.
Andere Blütenpflanzen haben im Lauf der Evolution gelernt, Blütenteile oder Blütenorgane so zu entwickeln, dass sie mögliche Bestäuber anlocken. Gewisse Pflanzen versuchen es mit speziellen Düften, um ganz bestimmte Schmetterlinge oder andere Pollensammler anzulocken. So produzieren der Weissdorn oder der Mehlbeerbaum nach Verwesung riechende Düfte, was dazu führt, dass diese Arten von aasfressenden Fliegen und Käfern besucht werden.
Andere haben Drüsen mit zuckerreichem Nektar entwickelt, die eine besonders bekömmliche Nahrung für Hautflügler wie Bienen oder Hummeln produzieren. Wenn diese Tiere dann den Nektar aus den Drüsen holen, bekleckern sie sich mit Blütenpollen, die sie dann bei den nächsten Blüten abstreifen und so zur Befruchtung beitragen.
Besonders ist die Befruchtungsstrategie der Ragwurzarten wie Fliegen- oder Hummelragwurz. Sie imitieren mit ihren Blüten die Form von Fliegen oder Hummeln. Dann kommen die Männchen dieser Insekten zu Besuch, um die «Weibchen» zu begatten. Bis sie bemerkt haben, dass das gar keine Insekten sind, hat sich ein Pollenpaket an sie geklebt, das sie zum nächsten vermeintlichen Weibchen, das ja nur eine Blumenattrappe ist, transportieren und auch so zur Befruchtung beitragen.
Es gilt als bekannt, dass die vielen leuchtenden Blütenfarben der unterschiedlichen Arten Insekten wie Bienen, Hummeln, Hornissen, Schwebfliegen, Käfer, Wanzen und andere Tiere anziehen. Diese suchen nach Nektar, nehmen unabsichtlich Pollen mit und laden sie beim nächsten Besuch auf eine verwandten Blüte ab. Spannend ist, dass die Pflanzen nicht nur Kron- oder Perigonblätter farbig erscheinen lassen, sondern auch die Kelch- und Hochblätter und sogar den Stängel in bunten Farben ausbilden. Das schönste Beispiel in unserer Gegend dafür ist eine parasitische Pflanze: der Ackerwachtelweizen (Bild), der eben auch befruchtet werden will. Er sieht so bunt und ausgefallen aus wie die Besucherinnen der Art in ihren exquisiten Kleidern.
Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.